Banberilla, einen kurzen, mit bunten Papierschnitzeln ge- schmückten, mit eiserner Spitze und einem Widerhaken der- sehenen Stock in jeder Hand und lockte den Stier durch Sen- ken und Aufheben der weitausgebreiteten Arme an sich lzeran. Er wußte nichts von graziösen Bewegungen und Bravour- stücken. Ihm kanl es nur darauf an, schlechthin sein Brot zu verdienen. Da unten in Sevilla gab es vier Rangen, die keinen zweiten Vater finden würden, wenn er starb. Er wollte einfach seine Pflicht tun. aber weiter nichts, also seine Banderillas anbringen, wie ein Tagelöhner der Tauromachie, ohne den Beifall zu suchen; ihm genügte schon, nicht ausge- pfiffen zu werden. Als er seine zwei spitzen Stäbe in den Nacken des Stieres geheftet hatte, gab es einerseits Beifall, andrerseits höhnische Bemerkungen, die sich auf feine Ideen bezogen. „Heda, weniger Politik und etwas mehr Courage l" Der Nacional hörte infolge der Entfernung nicht genau und antwortete lächelnd, wie sein Maestro: „Besten Dank, besten Dank." Als Gallardo von neuem beim Klang der Trompeten und Zimbeln, der den letzten Akt des Dranias ankündigte, in die Arena sprang, ging ein Schauer der Erregung durch die Menge. Das war der Matador, der ihr gefiel. Jetzt hieß es aufpassen. Er nahm die Muleta aus den Händen Garabatos, der ihm das bunte Fähnlein zusammengerollt übergab, schwang den ihm ebenfalls vom Diener dargereichten Degen und ging Mit kurzen Schritten in der Richtung der Präsidiumsloge. Er stellte sich, die Montera in der Hand, unter dieser auf und sprach dort die gewohnte Zueignung. Alle reckten die Hälse und verschlangen den Abgott mit den Blicken, aber niemand hörte auch nur ein Wort von dem, was er sprach. Die schlanke. stattliche Gestalt mit hocherhobenem Kopf und schwellender Brust wirkte auf die Menge ebenso mächtig wie die beredteste Ansprache. Als er zu sprechen aufhörte und eine Seiten- schwenkung machte, indem er seine Kopfbedeckung auf den Boden warf, brach ein donnernder Beifallssturm aus. Es lebe der Sevillaner Held I Jetzt soll man was Ordent- liches sehen I Und die Zuschauer warfen sich gegenseitig ver- ständnisinnige Blicke zu, indem sie sich erstaunliche Ereignisse versprachen. Ein erhabenes Schauspiel stand bevor. - Das tiefe Schweigen, das den heftigen Gemütsbewegun- �en voranzugehen pflegt, senkte sich aus die Menge, als sei der ungeheure Zuschauerraum plötzlich leer geworden. Das Leben dieser T«usende von Menschen war in den Augen erstarrt. Niemand schien zu atmen. Gallardo ging langsam auf den Stier zu. die Muleta wie eine Fahne vor die Brust haltend und in der Rechten den Degen pendelartig nach dem Rhythmus seiner Schritte schwingend. Als er einen Augenblick hinter sich schaute, gewahrte er, daß ihm der Nacional und ein weiterer Mann seiner Cua- drilla auf dem Fuße folgten, mit dem Mantel über dem Arm. in der Absicht, ihm beizustehen. „Weg mit Allen!" Seine Stimme dröhnte durch die Stille der Arena bis hinauf zu den fernsten Sitzreihen, und ein neuer Beifallssturm begrüßte ihn.„Weg mit Allen, hat er gesagt! Welch ein Mann I" Nun befand er sich ganz allein der Bestie gegenüber, und es wurde wieder ganz still. Ruhig entfaltete er die Muleta, hielt sie vor und ging so einige Schritte vorwärts, bis er dicht vor dem Maul des durch die Kühnheit des Mannes verdutzten und verwirrten Stieres stand. lgortsctzung folgt.x <Nachdrii<i bnloKn.) 2] Wenn die]Satuv ruft. Von Jack London . Autorisierte Uebersetzung von L. L ö n s. Fast wahnsinnig von langverhaltcnem Grimme schlug der Hund seine Zähne in das absplitternde Holz. Laut ausheulend, sobald die Axt eine Latte gelöst hatte, versuchte er sich auf den Mann zu Stürzen, der mit größter Ruhe weiterarbeitete. Endlich erschien ,hm die Ocffnung groß genug, den Körper dcS Hundes hindurch- Zulassen. „Nun komm nur. Du rotäugiger Satan!" rief er, warf die Nxt fort und ergriff den Stock. und wahrlich, wie ein Satan sah der Hund aus. der sich mit blutunterlaufenen Augen und schäumendem Maule m't aller Macht durch den schmalen Spalt drängte und sich WH seiner ganzen in zwei furchtbaren Tagen und Nächten genährten Wut auf seinen Widersacher stürzte. Mitten im Sprunge, gerade als er die mächtigen Zähne in den Hals des Mannes schlagen wollte, traf ihn ein Schlag, wie er ihn nie gefühlt hatte. Er taumelte zurück, fiel hinten über, daß sein Rücken den Boden berührte. Er begriff nicht, wie das kam. Mit einem Geheul, das mehr dem Schrei eines Raubtieres als dem Bellen emes Hundes glich, sprang er wieder auf die Füße, um mit einem Satze wieder auf den Mann loszugehen. Nochmals traf ihn ein Schlag und dieses Mal merkte er, daß es der Knüppel war, der ihm den Schmerz zufügte. Aber seine Wut ließ ihm jede Vorsicht vergessen. Wohl ein dutzendmal sprang er auf und ebensooft schmetterte der Knüppel ihn zu Boden. Nach einem besonders harten Schlage aber sprang er nicht mehr auf; mühsam nur erhob er sich auf die Vorderpfoten. Er zitterte am ganzen Körper, das Blut kam ihm aus Nase und Mund; über und über war sein prachtvolles Fell besudelt mit Schmutz und Blut. Und wieder erhob der Rote den Knüppel, um ihn mit furchtbarer Wucht auf die Nase des Tieres fallen zu lassen. Alles, was er bislang ertragen, war nichts gegen diesen Moment der entsetzlichsten Pein. Er sah nichts mehr und doch raffte er alle seine Kraft zusammen, um sich mit einem löwen- artigen Gebrüll gegen seinen Feind zu werfen. Doch mit einer schnellen Bewegung hatte dieser den Knüppel fortgeworfen, er- faßte den Hund mit beiden Händen am Unterkiefer, schleuderte ihn hin und her, bis er ihn mit einem Krach zu Boden warf, wo er bewußtlos liegen blieb. Ein Gejohle der Bewunderung erhob sich auf der Mauerk „Donnerwetter, der versteht es!" rief der eine begeistert und der andere meinte:„Ja, bei dem heißt es auch: biegen oder brechen!" Die Besinnung kam Buck bald wieder, nicht aber die Kraft. Regungslos, wie er hingestürzt war, blieb er liegen, nur seine Augen folgten dem Manne mit der roten Jacke. Dieser hatte einen Brief in der Hand und laS ihn langsam durch.„Hört auf den Namen Buck," murmelte er halblaut, faltete ihn zusammen und steckte ihn in die Tasche. „Also, Buck, alter Junge," sagte er dann freundlich,„einen kleinen Tanz haben wir nun zusammen gemacht, und ich denke, wir lassen es damit genug sein. Du weißt jetzt, woran Du bistl" Dann strich er furchtlos über den Kopf des Hundes, auf den er eben noch so unbarmherzig losgeschlagen hatte. Obgleich sich seine Haare unwillkürlich unter der Berührung sträubten, blieb der Hund still liegen, als aber der Mann einen Napf voll Wasser brachte, hob er den Kopf und trank das Wasser bis zum letzten Tropfen gierig leer; auch eine Mahlzeit Fleisch nahm er dankbar aus der Hand seines Peinigers entgegen. Sein Stolz war geknickt, das wußte er wohl, aber gebrochen war er nicht. Das aber hatte er gelernt, daß gegen einen Mann mit einem Knüppel nichts auszurichten ist. Der Knüppel ist der Herr, dem zu gehorchen ist. Das Leben schien jetzt ernster für ihn zu werden und er inachte sich mit aller seiner Klugheit darauß gefaßt, es mutig mit ihm aufzunehmen. Die Tage kamem und gingen und immer mehr Hunde er« schienen in dem kleinen ummauerten Hof. Einige wurden in Käfigen gebracht wie er, andere an Leinen oder Ketten geführt, manche kamen gutwillig, andere widerstrebend. Und alle sah er unter der Behandlung des roten Mannes und mit jeder Lehre, die einem anderen erteilt wurde, prägte es sich bei ihm fester ein. baß der Knüppel der allmächtige Herr, der Gesetzgeber ist, gegen den man nichts ausrichten kann, dem man zu gehorchen hat. dem man aber trotzdem nicht zu schmeicheln braucht. Dieser Sbarakterschwäche machte sich Buck nicht schuldig, aber er sah wohl, daß es Hunde gab, die die Hand leckten, die sie geschlagen batte; Hunde, die es fertig brachten, sogar freundlich mit dem Schweif zu wedeln. Aber er sah auch Hunde, die die Herrschaft des Knüppels nicht anerkennen wollten und tot vom Hofe ge« schafft wurden. Dann und wann kamen auch einmal fremde Leute, die laul und erregt mit dem Manne mit der roten Jacke sprachen. Jedes- mal klapperte nach einer Weile Geld und einer von den Hunden wurde fortgeführt. Es wunderte Buck. wo sie wohl hingingen. aber er freute sich doch jedesmal, daß die Reihe noch nicht an ihn gekommen war, denn von der Zukunft versprach er sich nichts Gutes. Aber auch feine Zeitiam und ipit ihr ein kleiner untersetzter Mann mit verschrumpstem Geficht, der ein« fast unverständliche Sprache redete und Ausdrücke gebrauchte, die dir Hund noch nie gehört hatte. „Tcifel, Teifell" rief er erregt, als seine Augen auf Buck fielen,„das ist eine verflucht feine Tier. He? Was kostet das?" .Dreihundert und ein Trinkgeld," war die Anttvort des Roten.„Ihr bezahlt ja nicht aus eigener Tasche. Perrault." meinte er ükerreoend, da braucht Ihr doch wahrhaftig nicht zu knausern." Perrault lachte. Wenn er bedachte, daß die Preise für Hunde so erheblich gestiegen waren und durch die starke Nachfrage noch immer höher getrieben wurden, so war das immerhin eine nicht zu hohe Summe für einen so vorzüglichen Hund. Die Kanadische Regierung stand suh ja nur gut dabei, wenn ihre Boten recht schnell von der Stelle kamen. Perrault verstand sich
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27 (9.4.1910) 69
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