er an ihm vorübergesaust, rannte in wildem Lauf bis ans andere Ende der Arena, brach dann zusammen und senkte den Kopf in den Sand, worauf ihm der Puntillero, von hinten heranschleichend, mit einem Dolch den Gnadenstoß gab. Das Publikum war ganz außer sich vor Begeisterung. Welch herrliche Corrida! Wie reich an Aufregungen! Dieser Gallardo stahl das Geld wirklich nicht! Seine Leistungen entsprachen durchaus dem teueren Preis. Jetzt waren die Aficionados mit Unterhaltungsstoff auf drei Tage hinaus versorgt. Welche Tapferkeit? Welch ein Kerl!... Und die Begeisterten schüttelte ein Art Kampffieber, und sie schauten um sich mit grimmen Blicken, als spähten sie nach feinden. Der erste Matador der Welt!... Und wer das Gegen- teil behauptet, hat es mit mir zu tun." Der Rest der Corrida blieb unbeachtet. Nach den Glanz- lcistungen Gallardos schien alles schal und grau. Als der letzte Stier gefallen war, stürzte ein wimmelnder Schwärm von Straßenjungen, Aficionados aus den unteren Klassen und Stierfechterlehrlingen hinab in die Arena. Sie umringten Gallardo und folgten ihm aus seinem Gang vom Präsidium zum Ausgangstor. Sie drängten und schoben ihn, alle wollten ihm die Hand drücken, sein Kleid berühren, und schließlich erfaßten die dreistesten unter ihnen, ohne sich an die Faustschläge des National und anderer Banderillos zu kehren, den Maestro bei den Oberschenkeln, hoben ihn auf ihre Schultern, und trugen ihn aus diese Weise durch den Ring und die Galerien bis hinauf auf die Straße. Gallardo nahni die Montera ab und grüßte die Gruppen, die ihm beim Vorübergehen entgegen jauchzten. In seinen Galamantel drapiert, ließ er sich wie ein Götzenbild herum- tragen, hochthronend über dem Strom der Madrider Mützen und Cordoveser Hüte, aus deren Mitte begeisterte Hochrufe erschallten. Als er im Wagen saß und die Calle de Alcala wieder hinabsuhr, begrüßt von der Volksmenge, die dem Stiergefecht nicht beigewohnt, aber bereits Kenntnis hatte von seinen Triumphen, verklärte ein Lächeln des Stolzes, der Zufrieden- heit sein schweißtriefendes Gesicht, aus dem noch die Blässe der überstandenen Aufregung lagerte. Der Nacional befand sich noch unter dem Eindruck des Unfalls seines Maestros und wollte wissen, ob er keine Schmerzen verspürte. Es sei vielleicht rätlich, Doktor Ruiz rufen zu lassen.Ach was, mir ist gar nichts passiert! Eine Liebkosung... Mir kann kein Stier'was antun." lstortsetzung folgt.1 (Naibdruck verboten.) 4} Menn die JVatur ruft. Von Jack London . Autorisierte Uebersetzung von L. LönS. Noch drei neue Hunde kamen im Laufe der nächsten Stunde dazu, so daß nun neun Stück zu dem Schlittengespann gehörten, dem Buck zugeteilt war. Ehe eine Stunde vergangen war, standen sie angeschirrt, und fort ging die Fahrt gegen Dyea Canon zu. Buck war froh, aus dem Hafenlager fortzukommen, und wenn auch die Arbeit schwer war. so tat«r sie doch willig, ja sogar gern. Der Eifer, der über sie alle gekommen war und der auch ihn angesteckt �atte, überraschte ihn nicht wenig, mehr aber auch die große Ver- anderung, die mit Dasch und Solleks vorgegangen war. Es waren andere Hunde, sobald sie in den Sielen standen, alle Schläfrigkeit und alle Gleichgültigkeit war verschwunden; frisch und munter waren sie bei der Arbeit, und ihr höchstes Bestreben war, alles zu vermeiden, was die Fahrt hindern konnte; gegen nichts waren sie so empfindlich, wie gegen irgend einen Aufenthalt ihres Schlittens. Die Arbeit in den Sielen war ihre höchste Lust, für die sie lebten, und außer ihr schien ihnen nichts erstrebenswert. Dasch ging gleich vor dem langen Steuer, vor ihm Buck, und dann kam Solleks und die übrigen, alle voreinander ange�ilt; Leithund war Spitz. Buck war zwischen Dasch und Solleks eingespannt, um von ihnen zu lernen, und wie er ein guter, gelehriger Schüler war, so erwiesen sich die beiden als vorzügliche Lehrmeister. Manch kleiner Biß belehrte ihn über das, was er zu tun oder zu lasten hatte, nnd seitdem die Peitsche von Fran?ois ihm einmal recht fühlbar zu verstehen gegeben hatte, daß es in diesem Falle bester war, nicht an Vergeltung zu denken, ging er rnlug seines Weges weiter. Als er einmal während eines kurzen Aufenthaltes sich in die Stränge ver- wickelt hatte und dadurch die Abfahrt verzögerte, bekam er einen gehörigen Denkzettel von seinen beiden Lehrern. Die Verwickelung wurde dadurch natürlich noch viel schlimmer, aber Buck bemühte sich fortan, die Leinen straff zu halten, und als der Tag zur Neige ging, kam es nicht mehr vor, daß Dasch und Solleks Veranlastung hatten, an ihrem Schüler etwas zu rügen. Franeois hatte seine Peitsche nicht wieder gebraucht und Perrault klopfte ihm freundlich den Rücken, als er am Abend die Füße der Hunde untersuchte. Es war ein langer Weg gewesen. Heber vereiste Steine und über lockeren Schnee hatte er geführt bis hierher zum Lager am Bennetsee. wo Hunderte von Goldsuchern mit ihren Booten warteten, bis die Frühlingssonne die dicke Eisdecke geschmolzen haben würde. Zum zweiten Male wühlte Buck sein Loch in den Schnee und schlief den Schlaf des Gerechten . Am nächsten Tage ging es flott über vierzig englische Meilen, aber am folgenden und an manchem anderen Tage kamen sie nur langsam von der Stelle. Meist ging Perrault dann voran, mit großen, sehr breiten Schneeschuhen den lockeren Schnee ein wenig feststampfend, um ihnen die Arbeit nach Möglichkeit zu erleichtern» während Francis danebenhergehend den Schlitten steuerte. Tag für Tag war Buck in den Strängen. Und immer dasselbe Tagewerk in endloser Rechenfolge. Noch ehe der Morgen graute, wurde das Zelt abgebrochen und so und so viele Meilen weiter nordwärts bei anbrechender Nacht wieder aufgeschlagen, Feuer an- gezündet, die Mahlzeit bereitet und Rast gemacht. Buck war stets halb ausgehungert. Die anderthalb Pfund Fisch, seine Tagesmahl- zeit, verzehrte er wie nichts; er merkte kaum, daß er gefressen hatte, und steter Hunger quälte ihn. Die anderen Hunde bekamen sogar noch weniger als er, nur ein Pfund von dem getrockneten Eisch, aber sie waren auch nicht so groß wie er. waren auch dieses eben gewöhnt, und so fühlten sie sich wohl dab.i. Es dauerte nur kurze Zeit, und Buck hatte seinen ganzen Stolz verloren. Er. der sich sonst so gut zu benehmen wußte, tat es den anderen gleich. Er merkte bald, daß die Kameraden stets schneller mit der Mahjzeit fertig waren, als er, und daß sie ihn dann, be- stahlen. Und es half nichts, sich dagegen zu wehren. Wenn er ein kleines Stück verteidigte, konnte er sicher sein, daß ihm in- zwischen ein großes genommen wurde. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als ebenso gierig zu schlingen wie die übrigen. Und so groß war sein Hunger, daß er sogar eines Tages sich an dem Eigentum der anderen vergriff. Er lernte, was er andere mn sah. Einmal sah er, daß Peit, einer von den zuletzt gekommenen Hunden, ein Stück Speck aus dem Zelte stahl, und er versuchte am nächsten Abend denselben Streich. Eine ganze Speckseite siel ihm anheim, und trotz des großen Aufruhrs, der deshalb im Lager entstand, ge- lang es ihm, unbemerkt damit zu entkommen. Nicht der Schatten eines Verdachtes siel aus ihn, und Dub, ein rechter Dummkopf, der gerade in der Nähe war, bekam die Prügel für die Mistetat. Soweit war es also mit ihm gekommen. Er bewies, daß er sich den Berhältniffen anzupassen verstand, aber auch zugleich den Niedergang seines moralischen Empfindens, einer Sache, die ihm jetzt auch entbehrlich, ja sogar hinderlich war Moral taugte wohl im Süden; wo Sitte und Anstand herrschte, da war es angebracht, das Eigentum und die Gefühle anderer zu achten; hier aber im Norden, wo der.Knüppel und das Recht des Reitzzahnes herrschten, da fuhr man schlecht dabei. Nicht als ob Buck diese philosophischen Betrachtungen angestellt hätte; aber er fühlte es unbewußt und instinktiv. Im Lande der Zivilisation hätte er sein Leben gelassen für irgendeine gute Sache, zum Beispiel bei der Verteidigung der Reitpeitsche seines Herrn» hier aber waren dergleichen Gefühle nicht am Platze. Er stahl ja nicht aus Freude am Diebstahl, sondern weil sein Magen es ge- bieterisch forderte, und er stahl auch nicht offen und frech, sondern heimlich und schlau; alles aus Achtung vor dem Knüppel und dem Zahn, die hier die Herrschast führten. Kurz und gut, er tat nicht, was er wollte, sondern er handelte nur wie er mußte. Seine Entwickelung oder bester gesagt seine Rückentwickelung ging sckmell. Seine MuSkeln wurden hart wie Eisen und un- empfindlich gegen Schmerzen. Er konnte alles fressen, wie ekelhaft und unverdaulich es ihm auch früher vorgekommen wäre; sein Magensaft zersetzte alles und zog das geringste bißchen Nährwert aus allem, und sein Blut trug es in die entferntesten Teile seines Körpers und machten ihn knorrig und widerstandsfähig. Gehör und Gesicht bildeten sich immer mehr aus, sogar im Schlafe konnte er beim geringsten Geräusch unterscheiden, ob es etwas Gutes oder Böses beoeute. Er lernte geschickt den Schnee zu entfernen, der sich zwischen seinen Zehen zusammengeballt hatte, lernte mit den Vorderpfoten die Eisschicht zerstampfen, die fich über dem Trink- Wasser gebildet hatte, aber sein höchster Ehrgeiz war, mit Hilfe seiner Nase die Windrichtung im voraus zu bestimmen. Wie still auch immer die Luft sein mochte, wenn er abends sein Schlafloch grub, der Wind, der sich nach Stunden erst erhob, streifte ihn ge- wiß nicht, denn sicher und geschützt lag er stets dort, wo ihn kein Sturmwind stören konnte. Und nicht nur aus Erfahrung lernte er; alte Instinkte, die lange versteckt in ihm geschlummert hatten, wurden wieder wach. Ueber viele Geschlechter griff es zurück. Es war ihm nicht schwer geworden, nach Art der Wölfe kämpfen zu lernen; auch gelang es ihm, wie die wilden Hunde lange vergangener Tage, sein Stück Wild zu Tode zu hetzen. Alle diese Kenntniffe kamen über ihn ohne all sein Zutun, als ob er sie stets gehabt hätte. Und wenn er in stillen, dunklen Nächten, den.Kopf gen Himmel gerichtet, in dumpfen Tönen heulte, so war es nicht seine Stimme, sondern die Stimme seiner Vorfahren, die die Angst ausdrückte vor der Stille der Nacht, der Kälte und der Dunkelheit. Und dies alles war geschehen, weil die Menschen da oben im hohen Norden ein gelbes Metall gefunden hatten, und weil