Vorfanden und nur zweitausend Männer. Die Vereinigung meh- rerer Frauen zu einem Haushalt unter dem Schutz eines Mannes sei hier also nur eine ökonomische, aber keine geschlechtliche Viel» weiberei gewesen. Sittlichkeit der Kirche. Die Klöster sind anfangs die ersten und einzigen Kulturstätten. In ihnen kommt das prosessio- »relle Handwerk auf; Weberei, Brauerei. Bodenbearbeitung wird rationell betrieben und unter Ausschluß von Privateigentum ein kommunistisches Leben geführt. Alles unter dem Zwang rein ökono- mischer Verhältnisse. Daher ist den Mönchen wohl der Geschlechts» verkehr gestattet, nicht aber die Ehe; weil die Bande des Blutes sich sonst doch als die stärkeren erwiesen und das künstliche kommu- nistische Gebilde mitten in dem anderen Privateigentum gesprengt haben würden. Als nun aber die Klöster an Macht und Reichtum erstarkten, fremde Hände für sich arbeiten ließen und zu bloßen Ausbeutergesellschaften wurden, wandelte sich mit eintretendem Müßiggang auch die strengere Sittlichkeit der Insassen. Dieser Umschwung ist in der Renaissance vollzogen. Die Institution war historisch überwunden, lebt aber aus oben angeführten Gründen weiter und wird aus einem Hebel der EntWickelung zu einem Hemmnis, aus einem Ernährer zum Parasiten. Dementsprechend ist die Unsittlickkeit der Klerikalen in der Renaissance sprickwört- lich, d. h. unbestreitbare Massenerscheinung. Wenn die Selbsthilfe- versuche der Völker hiergegen in den meisten Fällen versagt haben, so kam dies, wie Fuchs meint, sicher nicht daher, daß die Volks« empörung nicht groß genug gewesen wäre. Vielmehr war die Kirche allmählich zum unentbehrlichen Bundesgenossen der herrschenden Klassen geworden, oder es beruhte fast die ganze wirtschaftliche Basis des Lebens auf der ungeschmälerten Herrschaft der Kirche, wie beispielshalber in Italien . Im Frauengätzchen. Die Prostihition, das Institut der in Detail und Stücklohn käuflichen Liebe, ist, wie schon gesagt. die unzertrennliche Begleiterin der monogamischen Ebe. Die Renaissance erblickt im Frauenhaus ganz offen eine bessere Be» Wahrung der Ehe und der jungfräulicken Ehre. Mit dieser Be- gründung wurden die Bordelle behördlich genehmigt, mit dieser Be- gründung die Opposition zum Schweigen gebracht. Für den un- bewußten Hauptgrund hält Fuchs indessen die Sicherung des Herrenrechts: der Mann sollte im Gegensatz zur Ehefrau icin geschlechtliches Bedürfnis ungehemmt befriedigen können. Auf- ällig ist in der Renaissance erstens der ungeheure Umfang des Dirnenwesens. Das kleinste Städtchen hatte mindestens ein offi- zielles Haus, größere Städte ganze Straßen und Quartiere mit gelüstigen Fräuleins". Während des Konzils zu Konstanz ging der Ouartiermeister Rudolfs von Sachsen in den Häusern und Badstuben umher und zählte die zusammengeströmten galanten Mädchen. Als er bei siebenhundert angelangt war. verlor er die Lust zu weiterer Statistik. Dem Umfang entspricht die Ergiebigkeit des ÄrnenwesenS als Steuerquelle. Von den Einkünften eine? geistlichen Würdenträgers heißt es:Er hat zwei Benefizien. ein Kurat von 20 Dukaten, ein Priorat von 40 Dukaten und 3 Huren im Bordell". Der zweite auffallende Umstand ist, daß in der Renaissance diegroße Kokotte" in die Erscheinung tritt. Diese Hetäre oder selbständige Liebeskünstlerin allergrößten Stils ist auch aus anderen Zeiten bekannt; sie erfüllt eine ftulturmission, sie ist das freie, emanzipierte Weib in der höchsten körperlichen, geistigen und sinnlichen Blüte, und nimmt ohne jeden ökonomischen oder sonstigen Machtfaktor ihren Siegeslauf rein durch ihre indivi- duellen Eigenschaften. Ihre Spezialgeschichte hat leider noch nie- mand zu schreiben gewagt. Bei Fuchs rangiert sie mit Unrecht in der Rubrik vomFrauengäßchen". Gesellig es Leben. Speziell für die geschlechtliche Moral kommen hier in Betracht Spinnstuben, Bäder und Feste. Derartige Gelegenheiten werden von den SittlichkeitSbonzen stets gelästert. Zum Schaden der Rassentüchtigkeit. Denn wenn die geschlechtliche Auslese nur dem blinden Zufall zwischen Nachbars Hans und Lieschen üherlassen bleibt, muß auf die Dauer mangels genügender Mischung eine Verschlechterung der Konstitution, um nickt zu Sagen eine Degeneration, eintreten. Das Badeleben der Renaissance, urckaus keine moderne hastige Wannenbaderei, sondern eine Massenvergnügung, spielt sich nun nicht bloß in der Badstube ab. Die zahlreichen Heilbäder, die seit dem 13. Jahrhundert überall aufkamen, hatten sich zu richtigen LuxuS- und Modebädern ge- wandelt; hier fanden sich schon damals die besitzenden Klassen zu» tammen, zur Erholung oder zum prinzipiellen Nichtstun, wie FuchS agt. Gewiß; aber auch dies umschließt unbewußt den Drang nach reicheren Möglichkeiten der sexuellen Auslese. Es ist eine traurige Wahrheit, daß auch hierin der Proletarier stets benach- teiligt ist. Sieht man die Dinge so an, so ist absolut klar, daß die Sittlichkeit, die dem Volk erhalten bleiben soll" und auf die die Oberen regelmäßig verzichten, nur ein ruchloses Unterdrückungs- mittel in der Hand der herrschenden Klassen ist. Kranke Sinnlichkeit. Hierunter versteht Fuchs den Hexenwahn und seine entsetzliche Folgeerscheinung, die sadistische Mordlust der Jakob Sprenger u. Co In der Beurteilung der Hexen schließt sich.Fuchs der modernen medizinischen Auffassung an, d. h. er erklärt die Phänomene für ausgesprock'ene Hpsterie. Zum Schluß noch ein Wort über die Illustrationen. Es gab schon vordem Reproduktionssammlungen kulturgeschichtlichen In» Halts; dock meist ohne Text oder in zu kleinem Format und jeden» falls erheblich teurer. Die Fuchssche Auswahl an Bildern über» trifft, wie jeder Kenner zugeben muß, alles bisher Gebotene fei weitem. Es gehört jahrelanger intensiver Fleiß und angeborene« Spürsinn dazu, ein solches Material zusammenzubringen. Dem Verfasser gebührt für diese Seite seiner Arbeit uneingeschränkte Anerkennung. Für Bibliotheken ist die Anschaffung deS Werks uiw erläßlich. Alfred Kind. kleines Feuilleton. Aus der Borzeit. PrShi st arische Leichenfunde au» den Mooren Nordwestdeutschlands. Das Torfmoor übt feine konser» vierende Wirkung nicht allein auf die Pflanzenreste auS; durch die darin enihaltene Humussäure werden auch Tier- und Menschenrest« mumifizier!. So sind bei den Meliorationsarbeiten in den Mooren Nordwestdeutschlands, besonders in der Gegend von Emden und Staden, bereits über ein Dutzend Leichen in teilweise vorzüglich erhaltenem Zustande zusammen mit einer ganzen Menge Kulturmüll aus vorgeschichtlicher Zeit zutage ge» fördert worden. Die Reste gehörten westgermanischen Stämmen an und datieren fast ausschließlich aus der Zeit vor der Völkerwanderung. Die Leichen werden größtenteils nackt gesunden, die Kleider finden sich dann meist zu einem Bündel geschnürt in der Nähe, nur einzelne Leichen waren bekleidet; die meisten sind überdies an große Pfähle gebunden oder durch große Steine beschwert. All das macht wahrscheinlich, daß wir hier die Leichen von Verbrechern vor uns haben, die, z.B. wegen Ehebruchs, zuerst nackt durch daS Dorf geführt und dann in dem Moor ver» senkt wurden. Diese barbarische Strafe erhieU sich teilweise noch bis in das späte Mittelalter hinein und ist auch aus altgermanischer Zeit. z. B. durch dasHeliandlied" bezeugt. Die gestlndenen Kleiderreste sind alle lehr defekt, durch langen Gebrauch zerschlissen und häufig stark geflickt. Ein Leibrock weist zum Beispiel 37 verschiedene Flicken auf. Die Tracht der damaligen Zeit hat sich ,n der Gegenwart, vielfach sogar, was Farbe und Webart anlangt, im schottischen Hochland und bei den Hirten der römischen Kampagna erhalten. Hosen wurden, wie bei den Schotten, anscheinend selten getragen; bis jetzt hat sich nur ein Exemplar ge» funden, bei dem das Vorderteil doppelt, der Boden vierfach ist. An den Füßen trug man Sandalen auS Rindleder, die Haarseite des Felle» dem Fuße zugekehrt; sie waren hübsch gemustert, durchbrochen und durch Kerbschnitt verziert. Darunter befanden sich Fußlappen in schmal rechteckiger Form, die man häufig irrtümlicherweise noch für Gamaschen hält; diese Fußlappen gingen von der Ferse an der Fußsohle entlang zu den Zehen und von da herauf nach dem Spann; an einige schloß sich dann nach oben eine Verlängerung, die in der Art moderner Touristengamoschen um die Waden gewickelt und unterhalb de» Knies befestigt wurden. Auf dem Körper trug man eine Art Leibrock, in der älteren Zeit ohne Kragen und Bermel , auf der einen Achsel geschlossen, über der anderen durch einen Dorn oder eine Fibel znsamniengehalten. AuS der VölkerwanderungSzeit stammt ein ähnliches Gewand, daS bereits mit einer An Stehkragen, kurzen Aermeln und niehreren großen Taschen versehen ist. DaS rechte Aernielloch ist daran leicht erkennbar, daß e» etwas weiter auf­geschlitzt ist als daS linke, damit der rechte Arm sich besser bewegen kann. Ueber diesen Leibrock wurde ein Plaid, da« in dem karierten Muster, den Fransen und der Form genau in dem schottischen Plaid erhalten ist, zun, Schutz gegen die Kälte mantelartig umgeworfen; den Kopf bedeckte eine Kapuze ähnlich der unserer Pelerinen. Alle Gewänder bestehen durchweg au» Wolle, nicht auS Leinen. Die gefundenen Reste lassen erkennen, daß damals eine ungeheure Mannigfaltigkeit in ver» schiedenen Stoff» und Webniustern geherrscht haben muß. B>S- weilen ist der Faden rechiS, der Einschlag linkS gedreht, um eine bessere Haltbarkeit zu erzielen. Am häufigsten begegnet man dem Drellmuster, das überhaupt zur Zeit der Römer als typisch germanisch gegolten haben muß; denn römrsche Germanenstamen. wre die der trauernden Germania , lassen deutlich dieses Muster erkennen, eg. Astronomisches. MarSbedeckung. Daß der Mond Sterne bedeckt, deren Stellung zur Erde so ist. daß sie hinter den Mond bei dessen Laufe am Himmel treten, ist nicht allzu selten, wenn auch große oder helle Sterne verhältnismäßig selten durch die Mondscheibe unserem Auge entzogen werden. Aeußerst selten dagegen tritt einer der großen Planeten hinter die Mondscheibe. Wenn die Planeten des Sonnen- systems alle in derselben Ebene laufen würden, so könnten wir bei jedem Umlaute solche Bedeckungen erleben. Das ist aber nicht der Fall; alle Planeren laufen in Bahnen, deren Ebenen ein wenig gegeneinander geneigt sind, so daß drei Körper immer nur in veiondere» Fällen in einer geraden Linie stehen. Solch seltener Fall tritt nun am 13. April ein. Da geht der Mond vor dem Planeten Mars vorüber. Für Berlin ist die Zeit der Bedeckung von 11 Uhr 35 Min. bis 11 Uhr Min. Bei der Beobachtung leistet ein Opernglas gute Dienste. Die Bedeutung solcher Bedeckungen ist für die Astronomie nickt unerheblich, weil sich daraus vorzügliche Kon- trolle» für die Himmelsörtcr beider Körper zu bestimmten Zeiten ergeben._ Verantw. Redakteur: Richard Barth . Verlin. Druck n. Verlag: BorwariSBuchdruckerei u.BerlagSanuati Paul Singer LiEo..BerlinLAl