Nnterhaltimgsblatt des vorwärts Nr. 77. Donnerstag� den 21 April. 1910 rnachdru« verbotest 15] Die Hrcna* Roman vonVicenteBlasco Jbanez. _________ cv r: oa____ Autorisierte Uebersetzung von Julio Brouta. Es war an einem Frohnleichnamstag. Gallardo er- blickte ein hochgewachsenes, schlankes und zugleich dralles Mlädchen von jugendlicher Schönheit und Frische. Das zart- blasse Gesicht wurde beim Anblick des Stierfechters jählings rot, und die großen dunklen Augen blitzten zwischen den langen Wimpern auf. Donnerwetter, der nette Käfer kennt mich," sagte sich Gallardo in seinem Dünkel.Muß mich wahrscheinlich in der Arena gesehen haben." Er folgte ihr und ihrer Tante, und als er erfuhr, daß es Carmen, seine Jugendgefährtin war, konnte er sich nicht fassen vor Staunen, daß die frühere schwarze Eidechse sich so wunderbar umgestaltet hatte. Er machte ihr nun fleißig den Hof: die Nachbarn unter- hielten sich über die kommende Hochzeit und sahen in ihr eine neue Ehre für das Viertel. Ich bin einmal so," sagte gnädig Gallardo zu seinen Verehrern.Es fällt mir nicht ein, anderen Toreros nach- zuahmen, die sich mit vornehmen Damen verheiraten und dann nicht mehr mit Ihresgleichen verkehren wollen. Ich nehme ein Mädchen meines Standes und halte zu den Meinen." Die Freunde waren begeistert und sangen das Lob der Braut. Ein herrliches Weibl Welch ein Busen, welch...l Der Stierfechter machte eine böse Miene. Darin verstand er keinen Spaß. Abends, wenn er vor ihrem Fenstergitter stand und mit ihr plauderte, indem er zwischen den Blumentöpfen ihr maurisches Gesicht bewunderte, näherte sich ihm der Kellner einer nahen Kneipe mit einem großen Präsentierteller, aus dem eine Anzahl hoher, schmaler, mit Manzanillawein ge- füllter Kelche stand. Es war der Sendbote, der herankam, umdie Platzmicte zu erheben", ein alter Brauch in Sevilla gegenüber Verliebten, die durch das Gitter sprechen. Der Torero nahm ein Glas, bot seiner Braut ein an- deres an und sagte zum Kellner:Sage den Herren, daß ich mich schön bedanke und daß ich später noch vorspreche. Sage dem Montanes, daß ich alles bezahlen werde." Wenn er lange genug Süßholz geraspelt, betrat er die Weinstube, wo ihn diejenigen, die ihm den Wink gegeben, erwarteten. Es waren meist Freunde und Anhänger, ver- mischt mit Unbekannten, die einmal auf Kosten des Toreros trinken wollten. Als er von der ersten Gastreise, die er als bestallter Matador unternommen, zurückkam, verbrachte er die Winter- abende vor dem Gitter Carmens, gehüllt in seinen maleri - fchen Radmantel von grünlichem, mit schwarzseidenen Sticke- reien bedecktem Tuch. Man hat mir gesagt, daß Du stark trinkst," seufzte Carmen, indem sie die Stirn gegen das Eisengitter drückte. Dummer Klatsch! Wenn ein Freund mich zu einem Glas einlädt, kann ichs doch nicht abschlagen und muß mich nachher revanchieren. Bedenke, Schatz, ein Torero ist... ein Torero, und man kann nicht von ihm fordern, daß er lebe wie ein Karmelitermönch." Man hat mir gesagt, daß Du mit verrufenen Weibern verkehrst." Alles Lügen.... Das war früher, als ich Dich noch nicht kannte.... Teufel noch mal. ich möchte den Hunds - sott kennen, der Dir solche Dinge hinterbringt." Und wann ist die Hochzeit?" fuhr sie fort, indem sie mit dieser Frage die Entrüstung des Freiers unterbrach. Sobald unser Haus fertig ist. Wollte Gott , es könnte schon morgen sein. Der Spitzbube von Schwager wird nie fertig. Offenbar geht es ihm gut dabei, so daß er keine Eile hat." Ich werde in alles Ordnung bringen, Juanillo, wenn wir einmal verheiratet sind. Du wirst sehen, wie dann alles nach der Schnur geht. Ich bin sicher, daß mich Deine Mutter gern haben wird." Und so ging es weiter, in der Erwartung jener Hochzeit, von der ganz Sevilla sprach. Der Onkel und die Tante Carmens und die Sennora Angustias verabredeten die An» gelegenheit, so oft sie zusammenkamen, aber trotzdem betrat der Torero das Haus seiner Verlobten nur selten, als habe man es ihm verboten. Die Beiden sahen sich lieber, der Ueberlieferung getreu, nachts am Fenstergitter. Der Winter ging vorüber. Gallardo ritt oft hinaus auf die Jagd nach den Gehegen von reichen Herren, die ihn duzten und in gönnerhaftem Ton zu ihm redeten. Es hieß, durch beständige Leibesllbung seine Gelenkigkeit erhalten, für den Augenblick, wo die Corridas wieder einsetzen würden. Er fürchtete immer, seine Kraft und Behendigkeit einrosten zu lassen. Der mündliche Verkünder seines Ruhmes war Don Jose, ein Herr, der als fein Verwalter fungierte und alle Kontrakte mit den Zirkusunternehmern abschloß. Er lebte von seinen Renten und hatte sonst keine Beschäftigung, als von Stieren und Stierfechtern zu reden. Für ihn waren die Stiergefechte das einzig Interessante auf der Welt, und er teilte die Menschheit in zwei Klassen ein: in die der Aus- erwählten, die Stierzirkusse besitzen, und in die jener trau- rigen Nationen, wo es weder Sonne noch Frohsinn noch guten Manzanilla gibt, dessen ungeachtet sie sich mächtig und glück» lich wähnen, wo sie doch nicht einmal eine einfache Novillada geschaut haben! Er legte in seine Liebhaberei die Energie eines Kriegers und den Glauben eines Inquisitors. Dick und fett, noch jung, kahlköpfig und blondbärtig, war dieser Familienvater, der im gewöhnlichen Leben einen lustigen und etwas spötti» schen Charakter hatte, grimmig und unnachgiebig, wenn er im Stierzirkus saß und die neben ihm Sitzenden seine An- sichten nicht teilten. Er war Kavallerieoffizier gewesen, mehr aus Liebhaberei zu den Pferden als aus einem anderen Grunde. Seine Wohlbeleibtheit und seine Begeisterung für die Corridas hatten ihn veranlaßt, aus dem Dienst zu treten, und er verbrachte jahraus jahrein den Sommer, indem er Stiergefechten beiwohnte, und den Winter, indem er von ihnen sprach. Sein innigster Wunsch war, der Führer, der Ratgeber und der Verwalter eines Espadas zu werden. Als er auf diesen Gedanken kam, hatten bereits alle Maestros den ihrigen, und so war für ihn das Auftauchen Gallardos ein wahres Glück. Der geringste Zweifel an seinen Vor- zügen konnte ihn aufbringen und geradezu unangenehm werden lassen. Unter seinen glorreichsten Kriegstaten rechnete er auch die, zwei schlechte Aficionados in einem Cafö mit Stockschlägen traktiert zu haben, weil sie seinen Matador nicht gebührend zu würdigen wußten. Das gedruckte Papier schien ihm ungenügend zur Ver» breitung von Gallardos Ruhm, und im Winter pflegte er vormittags sich an einer sonnigen Ecke der Calle de las Sierpes aufzustellen, wo seine Freunde vorüberkommen mußten. Ach was, es gibt nur einen Mann!" sagte er mit lauter Stimme vor sich hin, als sähe er die Herankommenden nicht. Der erste Mann der Welt! Und wer das Gegenteil sagt, hat's mit mir zu tun... Ich sag's noch einmal:'s ist der Einzige." Wen zum Teufel meinst Du?" fragten die Freunde mit leisem Spott, als verständen sie nicht. Wen ich meine? Juan, natürlich." Welchen Juan?" Und er antwortete mit einer Gebärde des Erstaunens und der Entrüstung: Wie könnt Ihr noch fragen? Als ob es viele Juans gäbe. Ihr wißt es doch: Juan Gallardo!" Man sollte meinen," sagten einige,daß Ihr zusammen schlaft. Du und er... Bist Du's vielleicht, den er jetzt hei- roten soll?" Don Jose brummte grimmig in den Bart hinein. Wenn er aber sah, daß noch andere Bekannte herankamen, vergaß er die Spötter und wiederholte unentwegt: «Ich sag Euch, es gibt nur einen Mann. Neben ihm