GetotettverSen hieß eS, alles andere galt als Feigheit. Und diesemNaturgesetze lange vergangener Tage gehorchte er.Er war ja auch älter als die Tage, die er selbst gesehen hatte.Er war ja nur ein Glied, das die Gegenwart mit der Vergangen-heit verband, und die Ewigkeit ging durch ihn hindurch in die Zu-kunft. Wohl satz er als braunhaariger, zottiger Hund an JohnThorntens Feuer, aber hinter ihm standen die Schatten allermöglichen Hunde, ja sogar die von Halbwölfen und Wölfen; sielebten mit ihm und beeinflußten ihn, lehrten ihn Dinge und Lauteverstehen, die er nie gekannt hatte; sie legten sich mit ihm zurRuhe und lebten weiter in seinen Träumen.So gebieterisch rief die Stimme seiner wilden Vorfahren, daßer manchmal die Menschen ganz vergaß. Ties aus dem Waldeklangen ihre Rufe, und wenn er sie horte, so überlief ihn ein ge-heimnisvoller Schauder, und die Versuchung kam über ihn, alles imStiche zu lassen und ihnen zu folgen, einerlei wohin. Aber sobalddie Stille des Waldes ihn umfing, erwachte seine Liebe zu JohnThornten wieder und führte ihn zurück.Thornten allein hielt ihn; alle anderen Menschen galten ihmnichts. Ob Reisende, die vorbeikamen, ihn lobten und streichelten,es war ihm gleich. Wurde einer einmal gar zu lebhaft dabei, dannstand er ruhig auf und ging davon. Als Thorntens Freunde Hansund Peter ankamen.wollte Buck erst nichts mit ihnen zu tun haben,bis er merkte, daß sie seinem Herrn nahestanden; dann duldete eres, daß fie ihn klopften, aber er tat immer, als ob er ihnen eineGnade erwies. Sie waren von derselben Art wie Thornten, ein-fach und gut, und ehe noch ihr Floß in Dawson angekommen war,wußten Menschen und Hund, was sie voneinander zu halten hatten,und die Männer versuchten nicht mehr, Buck zu behandeln wie ihreanderen Hunde.(Fortsetzung folgt.)]HUerband feigenblatter.Botanische Seltsamkeiten in Galerien und Museen.Im Gegensatz zu Linns, Humboldt, Darwin und anderentüchtigen Botanikern ist dem Künstler wie dem Kunstfreund leidereine eigene Spezies„Feigenblatt" bekannt, die er in zwei Familieneinteilt. Die eine allgemein bekannte findet sicki in Taufenden vonExemplaren an jedem Feigenbaum, Ficus carica L., ist dunkel-schmutzgrau, hat eine dem Weinblatt ähnliche fiinflappigeForm und kontrastiert in, sonnigen Süden auf wundervolle Art mitdem samtschimmernden Geblätter der Olivenhaine und dem giftgrünenFleischblatt der Opuntien. Die zweite Familie wächst seltsamerweiseweder auf Bäumen noch aus Sträuchern; man entdeckt stets nur eineinzelnes Exemplar und ist überrascht, es gerade an einem Ort zufinden, wo es kein vernünftiger Mensch gesucht haben würde: es isteine Schmarotzerpflanze, die sich in allen möglichen Formen anKunstwerken aller Art ansetzt. an Drucke, Statuen, Bilder,Mosaiken usw. in Gestalt von Lcndengurt mit Pompons,Hemdenzipfel, Gürtelende, Schild oder Stola, Gewandfalten, amhäufigsten wohl in Form eines Feigen-(Familie I) oder Weinblattes.ES spielt gewöhnlich dem Kiinstler den Schabernack, einen Teilseiner Arbeit, auf den er doch ebenso viel Fleiß und Beobachtungverwendete, Wienaus die anderen, einfach zu verdecken, ist infolge»dessen nicht sehr beliebt, läßt fich aber doch trotz aller Anstrengungnicht völlig ausrotten.Nach dem alten Schneiderspruch:Das erste GewandSchuf GotteS Handreicht sein Stammbaum eigentlich direkt bis in? Paradies, für dieKunst wurde es aber doch erst später geschaffen, so etwa im 16. Jahr-hundert; die ersten Formen des Feigenblattes waren komplette Hosenund Röcke. Nach dem glorreichen Pontifikat Julius II., dem dieKunstwelt aller Zeiten danken wird, tauchten die Nuditätenschnüfflerauf und fanden an den Krinstwerken der zu neuem Leben erwachtengriechisch-römischen Antike und an vielen Werken der neucrstandenenRenaissance so manches, was nicht vor aller Welt zu tage tretendürfe, und es begann das Zeitalter deS Feigenblattes, das man biö-her selbst in den Gemächern der Päpste nicht kannte. Der famoseGras Pomfili ließ all seinen Statuen, die sich heidnischer Nacktheiterfreuten, richtige Beinkleider anfertigen. Die griechischenGöltinen bekamen ganze Gclvänder an, und heute nochträgt die Venus des Praxiteles im vatikanischen MusesPio Clementino(Nr. 574), die sogenannte kindische Aphrodite, einGewand von Blech, da? alle?, alles zudeckt. Die Wandgemälde bekamenUeberinalungen, und seit jener Zeit grassiert diele Schmarotzer-pflanze, vor der kein Kunstwerk sicher ist; selbst heute nicht.Lederers„Fechter" vor der Universität in Breslau, eine der trcff-lichsten Gestalten, wüßte davon ein Liedchen zu singen, wenn ihmStimme gegeben Iväre, wie Mozarts steinernem Gaste; so bleibt ereben ruhig auf seinem Postainent stehen und staunt mir, warumman sich einmal über ihn entrüsten konnte.Da das seltsame Gewächs an kein Mma gebunden ist, gedeihteS überall. Selbst bei uns, im Lande der Denker und Dichter,kommt eS vor, daß böse Winde Samensporen auf dieses oder jenesKunstwerk wehen. Im allgemeinen kann sich aber die Intelligenzhierzulande nicht zu dem Gedanken bekennen, daß der menschlicheKörper Blätter treibt, und verlangt, trotz mancher dunkler Wider-sprücke, energisch die Behandlung der Kunstwerke von diesem Gesichts-punkte aus.Daß unsere Nachbarn jenseits der Vogesen ebenso denken undsich ihre Freude an keinem Punkte eines Kunstwerkes verkümmernlassen, das braucht man wohl nur nebenbei zu erwähnen.Interessant wird das Studium der Familie„Feigenblatt" inihrem eigenen Gebnrtslande. An jenen klassischen Stätten der Kunst,wo die klimatischen Verhältnisse den Menschen in der Absolvierungseiner Alltäglichkeit etwas natürlicher erscheinen lassen, macht mansich merkwürdigerweise keine Gedanken über Widernatürlichkeit in derKunst und es herrscht in der Feigenblattindustrie ein wilder Eklekti-zismus, der dem Gegner von'Pflanzenkulturen am menschlichenKörper, bisweilen ein herzhaftes Gelächter abnöttgt— wenn ersonst Sinn für Humor hat.Fern im Süden das sonnengesegnete Sizilien mit seinenprächtigen Bewohnern ist von des Gedankens Blässe noch nichtunnütz angekränkelt. Bis aus den Adam in den Mosaiken derKathedrale von Monreale, der in seiner völligen Geschlechtslosigkeitunmöglich als Menschenvater gedacht werden kann, erfreut sich dieKunst einer erquickenden Kostümbediirfnislosigkeit, die auch insofernauf das Kunstgewerbe hinübergreift, als es üblich ist. für dasKonterfei einer repräsentablen Vertreterin des schönen Geschlechtseine Toilette zu wählen, die nichts Ungesehenes übrig läßt.In den Photographenkästen von Catania, Siracusa und selbst vonPalermo kann man ergötzliche Beweise dafür sehen. Wie könnteauch ein Völkchen, das selbst soviel Freude an unverhüllter Natür-lichkeit empfindet, sich seine Kunst durch Unsinnigkeiten verleidenlassen?Auch Neapel ist skrupellos.Rom aber hat einen schwierigen Stand. Wie soll sich dieMetropole der katholischen Christenheit, die ehemalige Haupt«stätte der heidnischen, lebensfreudigen, griechisch- römischenKullur, die heute noch den größten' Teil der kostbaren altenKunstwerke birgt, zu dieser Frage stellen? Waren doch so-gar die christlichen Renaissancekünstler so eigenwillige Köpfeund erfreuten fich unter kunstverständigen Päpsten so freierBahn, daß die spätere Zeit in puritanischen Anfällen nachKorrekturen schrie. Michelangelos Christus, den sich der Künstler alsden aus dem Grabe Auferstehenden dachte und konsequenterweiseohne Bekleidung schuf, konnte erst nach Anlegung eines Bronze-schurzes in der Kirche Santa Maria Sopra Minerva aufgestelltwerden: für den rechten Fuß erhielt er übrigens nach-träglich noch einen Bronzeschuh zum Schutz gegen fromme, ver-nichtende Küsse. Eine höchst merkwürdige kostümliche Ergänzungdieser Marmorfigur: Schurz und einen Stiefel. Auch derGipsabguß in der durch Sienkiewicz bekannter gewordenenkleinen„Qiuo vaclio-Kapelle" in der Via Appia draußen, trögt die»selbe Dekoration.%In der Sixtinischen Kapelle, in der der icweilig neuerwähltePapst die erste Messe lieft, ist das große Altarfresko, das jüngsteGericht, das Schmerzenskind MchelangcloS, weil er mit Unlust andie Arbeit ging, auch das Schmerzenskind der späteren Zeit ge-blieben, weil der Künstler auf dem etwa 260 Quadratmeter großenBilde die Kostümfrage kurzerband dabin erledigt glaubte, daß erannahm, zur Zeit des jüngsten Gerichtes würden Herren- undDamenschneider ihre Tätigkeit bereits eingestellt haben. Spätergelangten an alle Beteiliqten deS jüngsten Gerichts je nach demmutmaßlichen Bedarf Kostüme zur Verteilung, die, leider nichtimmer geschickt aufgetragen. daS, was sie vertuichen sollten, nur nocherhöhter Aufmerksamkeit überlieferten— außer Betracht bleibt berdieser Korrektur die Barbarei am Kunstwerk, gegen die sich derKünstler selbst in einer Weise gewehrt haben würde, daß den Puri-tanern der Antrag im Munde stecken geblieben wäre.Die unschätzbaren Skulpturensammlungen des Vatikans find,wie das eigentlich kaum anders zu erwarten ist, unter gütiger Bei-Hilfe der ivunderlichsten Blattformationen jeglicher Männlichkeit be-raubt und keusch und züchtig geworden. Einige Blätter sind stetszur Seite geschoben, wahrscheinlich nur, um keinen Streit aufkommenzu lassen ähnlich dem:„Knabe oder Mädchen von Anzio". DaSumPlacierte Fcigcnbatt erinnerte mich stets an eine Knabenstatueim Jardin du Luxemburg. Der Künstler hatte dem Kleinen dezenter-weise einen Schurz mit auf den Weg gegeben, der aber indessenunter's Kinn gerutscht war. Diese Naivität wirft allerdings andersals die Feigenblätter im Vatikan. Die Frauengestalten sind abervon einer unverrückbaren Znchtigkeit; fie sind völlig vcrsittlicht, wiebereits erwähnt, unter reichlicher Verwendung von Blech.Im Lateran, der zlvar ebenfalls eine päpstliche Sammlung ist,aber in einem ganz anderen Stadtteil liegt, schien man etwas welt-licher sein zu wollen; die Verhüllung ist nicht so gründlich erfolgt.wie im Vatikan. Daß»tan aber der ruhenden Attis eine Kleinigkeit in den Schoß legte, war wirklich überflüssig, und Neider sie nichtso gut. wie die Badekappe, die eine sonst unbekleidete Daphne inBinz erhielt.Das vorgehängte Feigenblatt genügt der Galerie Colonna nicht;eS muß sogar alles fest geNebt sein, damit Verschiebungen nicht mehrstattfinden können. Und radikal mit tollster Konsequenz sind in derGalerie Daria Männlein nnd Weiblein bis zu den kleinsten Puttendem puritanischeu Element zum Opfer gefallen. Eine Gruppe(imzweiten Flügel) stellt eine Neckerei zwischen einem ganz kleinenJungen und einem so etwa fünfjährigen Mädchen dar, ein allev»