eS. da» steife Kostüm der Ze>t von sich zu werfen und mit aufge- löstem Haar, in einem nach dem Muster einer griechischen Statue drapierten Musselingewand aufzutreten. Di« suggestive Gebärde, die Biegsamkeit des ganzen Körpers wird bei ihr zum Ausdruck einer dramatischen Handlung; sie erscheint zuerst in London in Pantomimen ihrer eigenen Erfindung, in denen sie mit wunder- barer Gewalt die ewigen Grundtriebe des Menschenherzens, hin- gebende Liebe, wilde Verzweiflung, heiße Verführung und stumme Seelenqual auszudrücken weiß. Neverre, der Reformator der Tanzkunst und eigentliche Er- neuerer der Pantomime, ist nur ihr Nachfolger, der aber diesction dramatique" zum Siege fuhrt. Der beginnende Klassizismus unter- stützt mit seinen antikisierenden Tendenzen die Herrschaft einer plastischen Ausdruckskunst des Körpers. Der dänische Ballettmeister Vincenze Galeotti trennt noch stärker als es Neverre getan, die Pantomime von; Ballett. Er ordnet nach dem Vorbild griechischer Bildwerke in rhythmisch-plastischer Gruppierung Männer, Frauen und Kinder zuiammen, die in edlen Stellungen und charakteristi- schem Ausdruck die Liebe darstellen oder den Krieg oder den Tod oder die Freundschaft. Die Mode derlebenden Bilder", der erstarrten Pantomime, beginnt. Während die Salle und nach ihr die Allard und die Guimard in dem stets wechselnden Fluß ihrer Stellungen und ihres Mienenspiels das reiche vielgestaltige Leben selbst festgehalten hatten, gibt nun die berühmte Lady H a- milton die plastiiche Pose. Ihre Wandlungen bieten nicht mehr ein« psychologisch fortschreitende Handlung, sondern nur noch jähe Uebergänge aus einer Rolle in die andere,schreckliche und rüh- rende Momente". In dem weißen faltenreichen Gewand einer antiken Statue, mit einfachem Bande gegürtet, durch den Shawl sich bald verhüllend, bald enthülleird, erscheint sie als keusche Vestalin und wandelt sich zur rasenden Bacchantin, zeigt als Galatea, als Iphigenie, als Medea , als Maria Magdalena Szenen der Sehnsucht, der Raserei, der Reue, der Schwärmerei, Goethe bewundert sie auf der italienischen Reise, Tischbein malt sie. Nach ihr tritt das Tänzerpaar Vigano zuerst in solchen öffentlichen Vorstellungen auf. In Deutschland bringt die große Schauspielerin Henriette H e n- del-Schütz diese Kunst der Pantomime zur höchsten Blüte; neben ihr wurde Bürger? geschiedene Gattin Elise viel gefeiert. Das Fieber der pantomimischen Posen aber drang überall hin und führte zu merkwürdigen Exzentrizitäten. So produzierte sich in Brighton eine Mrs. Hum�ries als schaumentstiegene Venus im Wasser und ein Herr von Seckendorfs trat ganz nackt als Apollo auf. Die EntWickelung der Pantomime im 19. Jahrhundert nimmt ihren Ausgang von der französischen Romantik, die den beliebtesten Pantomimenhelden unserer Tage, den P i e r r o t, schuf. Die Ka- barettS des Montmartre nahmen den Pierrot und damit auch die Pantomime wieder auf; so kam sie mit demUeberbrettl " zu unS nach Deutschland . Eine Uterarische Vertiefung der Pantomime haben verschiedene moderne Dichter versucht, Maeterlinck in seinen unheimlich phantastischen Spielen, Dehme ! in seinem tiefsinnig grandiosenLucifer", Hofmannsthal in seinen melancholisch-zarten Symbolen, Wedekind in seinen Grotesken, Bierbaum. Keiner hat die spezifischen Wirkungen der Pantomime so scharf herausge- arbeitet, wie es einige französische Schriftsteller Catulle Mendäs , Armand Silvestre , Paul Margueritte taten, deren geistreiche Sze- nerien der in der großen Tradition der alten Pantomime zum Meister herangereifte Severin genial und erschütternd ge- staltet hat._ Dr. P. L. Die SclbltbÜdmlTc der platteten. Der Streit um die Marskanäle, der in der letzten Zeit wieder »nit großer Heftigkeit entbrannt ist, hat überhaupt die Aufmerk- samkeit sowohl der Astronomen wie der Laien neuerdings der Frage der Oberslächengestaltung auf den Planeten zugewandt. Prof. Dr. Percival L o w e l l, der Direktor der Flaggstaff» Sternwarte in Arizona und neben Schiaparclli der bedeutendste lebende Marsforscher, hat Sonnabend abend in der Berliner Treptow -Sternwarte einen Vortrag über die von ihm erzielten Fortschritte in der Erforschung der Planetenoberfläche gehalten, die wegen der Resultate der Lowellschen Untersuchungen von höchstem Interesse sind. Der amerikanische Astronom ging bei seinen Untersuchungen von der Erwägung aus, daß die Photographie imstande sein müsse, Unsicherheiten optischer Wahrnehmungen zu beseitigen und gleichzeitig Erscheinungen festzuhalten, die das menschliche Auge infolge seiner begrenzten Kapazitäten nicht mehr zu beobachten vermag. Kleine Einzelheiten, so führte er aus, von denen man gar nicht geglaubt hätte, daß sie sich lange genug auf einem Fleck halten ließen, um auf die Platte zu wirken, sind unzweifelhaft auf der Photographie zu sehen, die dazu dienen sollte, die merkwürdigen Zeichen auf dem Planeten MarS zu erklären, der ja sozusagen unser nächster Nachbar im Weltenraum ist. Schiaparelli hat zuerst diese Zeichen wahrgenommen und sie Marskanäle*) genannt. *) Die Frage der Marskanäle ist keineswegs entschieden. Vor allem wird die Lowellsche Erklärung, daß sie künstlichen Ursprung? sind und von intelligenten Wesen herrühren, von anderen For» schern durchaus bestritten. Lerantw. Redakteur: Richard Barth , Berlin. Druck u. Verlag: Die beim MarS erzielten günstigen Resultate der planetari. schen Photographie gaben Anlaß, das Verfahren auch bei anderen Planeten anzuwenden, wobei nicht minder überraschende Resultate erzielt worden sind. So gelang es. die schwachen Fransen der Aequatorialstreifen des Jupiter photographisch zu fixieren und beim Saturn haben sich noch schwächere und flüchfigere Details auf der photographischen Platte bemerkbar gemacht. Die älteren Methoden der Himmelsphotographie, die so wunderschöne Bilder von Sternen und Nebeln gaben, waren allerdings nicht zu brauchen. Ihre Unzulänglichkeit erklärt sich daraus, daß das ganze Planeten- bild sich auf einen Raum konzentrierte, der die Größe eines Steck- nadelkopfes hatte. Auch das Spiegelteleskop kann nicht mit Erfolg benutzt- werden; denn dabei wird jeder Fehler des Instruments oder jede Unruhe der Luft dreimal mehr vergrößert als bei einer Linse. Das erzielte Bild mag imposant aussehen, aber, was leicht der- ständlich ist, alle feineren Einzelheiten gehen dabei verloren. Die Aufzeichnungen der Details sind aber gerade für die Wissenschast von Wichtigkeit. Wer mit Erfolg die Marskanäle photographieren will, muß sie erst gesehen haben, um beurteilen zu können, wann der günstigste Augenblick zur Aufnahme gekommen ist. Es ist aber weder die Absicht noch der Zweck der von Lowell verbesserten Pia- netenphotographie, das Auge entbehrlich zu machen. Die Unter- suchungen der Planeten werden auch in der Zukunft in letzter Linie auf der Kraft der Netzhaut beruhen müssen, wobei das menschliche Gehirn nützliche Hilfe leisten wird. Es ist aber nahezu unmöglich, das Auge in der kurzen, zur Verfügung stehenden Zeit auf eine an Details reiche Scheibe genau einzustellen. Die Platte hat alle ihre Teile dazu gleichzeitig bereit. Auch Licht und Schatten trennt die Photographie deutlicher; freilich übertreibt sie die Kontraste im Vergleich zum Auge. Das ist aber kein Nachteil. Lowell ist es gelungen, im letzten Herbst das Auftreten de» ersten Winterfrostes in den antarktischen Regionen des MarS zu photographieren, eine Erscheinung, die beinahe in demselben Mo- mente, in dem sie vor sich ging, auf der Flaggstaff-Stcrnwarte bemerkt und aufgezeichnet wurde. Sie wurde zuerst mit dem Auge entdeckt und dann sogleich photographiert. Man ist also imstande, das Wetter auf unserem Nachbargestirn aufzuzeichnen. Das staunenswerteste Resultat der planetarischen Photographie ist der Nachweis der Bildung neuer Marskanäle. Schiaparelli bezeichnete mit diesem Ausdruck jene merkwürdigen Linien, die wie ein geometrisches Netzwerk die ganze Oberfläche de? Planeten überzieht. Es sind darunter aber nickt Kanäle, wie etwa der Suez- oder Panamakanal zu verstehen, die einen künstlichen Graben bilden, sondern es handelt sich dabei um künstliche Frucktbarkeits- streifen auf dem Lande, denen daS Wasser von den Polen auf irgend welchem mechanischen Wege zugeführt wird. Der Beweis für ihren künstlichen Charakter liegt in der Tatsache,� daß sie sich gerade dann in der Richtung vom Pol zum Marsäquator ent- wickeln, wenn der Schnee in der Polarregion zu schmelzen be- gönnen hat. Denn auf einem so ebenen Körper, wie sie die MarS- oberfläche darstellt, könnte daS Wasser nickt diesen Lauf zum Aequator hin nehmen, wenn es nickt absichtlich dorthin geleitet würde. Womit die Bewegung der ungeheueren Wassermassen er- zielt wird, wissen wir nicht. Wir sehen nur die befruchtende Wir- kung in der Entstehung einer Vegetation. Wir kennen auch nicht die Organismen, die diese Arbeit leisten, und eS ist auch wohl kaum anzunehmen, daß sie Aehnlichkeit mit Menschen haben. Als am 30. September 1909 die östliche Region der großen Syrte auf dem Mars nach ihrer periodischen Unsichtbarkeit von wenigen Wochen, die in der ungleichen Drehung von Erde und Mars ihre Ursache hat, wieder in Sicht kam, wurden zwei große Kanäle bemerkt, die von der Syrte nach Südosten zogen, und zwar durch Gebiete, in denen vorher keine.Kanäle beobachtet worden waren. Das Aussehen dieser Kanäle, die Art ihrer Erscheinung und der Weg, auf dem sie und ihre Ncbenzweige in das Hauptkanalsystem einmünden, als ob sie immer ein Teil davon gewesen wären, macht eS zur Gewißheit, daß sie nicht die Folge irgend einer Katastrophe auf dem Planeten sein können, sondern ihren Ursprung in der gleichen künstlichen Unterstützung der Natur finden, der die älteren Kanäle den ihrigen verdanken. Mir sind also gerade Zeugen de? bemerkenswerten Vorgangs von der Entstehung eines Kanals ge- worden So haben sich also diese Photographien fähig erwiesen. Einzel- heiten getreu aufzuzeichnen, die noch bestehen werden, wenn d»e, die sie aufgenommen haben, längst dahingegangen sein werden. Sie werden eine feste Grundlage bilden für daS, was man in der Zukunft auf der Oberfläche des Planeten sehen wird und den Nach- weis späterer Veränderungen außerordentlich erleichtern. Die Photographien stellen so eine Selbstbiographie der Planeten dar, ihre Geschickte, die vom Licht geschrieben wurde; und in ihrer großen historischen Bildersammlung, wo die Vergangenheit der Planeten in ewiger Jugend für immer fortleben wird, werden die Astronomen der Zukunft die früheren Stufen des großen kosmischen Drama? vom Werden und Vergehen der Planetenwelt zu sehen bekommen. das sich langsam, aber sicher im Laufe der Jahrtausende ent. wickelt. Vorwärts Buchdruckerer u.PerlagianitattPaul'srnger öcCo., Berlin 8W.