streuung seiner Nichte veranstaltet. Wir werden hingehen; mich hat er auch eingeladen." Andern Tages ritten des Nachmittags der Maestro und sein Verwalter durch die Feriavorstadt, unter den erwartungs- vollen Blicken der Bewohner, die zu den Türen eilten und auf den Trottoirs zusammentraten. Sie gehen nach Tablada," sagten sie,zur Viehauslese." Der Verwalter, auf einer weißen, knochigen Stute, war auf ländliche Weise gekleidet: Kurze, steife Jacke, Tuchhosen mit gelben Gamaschen und darüber einen ledernen Schait, der die Schenkel bedeckte. Der Matador hatte zu dieser Fest» lichkeit die gewöhnliche kleidsame Tracht der alten Siier- fechter erwählt, aus einer Zeit, da moderne Sitten und Ge- bräuche ihre Kleidung noch nicht der der übrigen Sterblichen gleichgemacht hatten. Seinen Kopf bedeckte ein spitzer Samt- Hut mit gekräuselten Plüschfasern, der durch einen Riemen unter dem Kinn festgehalten wurde. Die kurze Jacke und die Weste waren von weinfarbigem Samt, mit Besätzen und Ver- zierungen von schwarzem Astrachanpelz: der Gürtel von roter Seide, die kurze, enganliegende Hose von dunklem Stoff modelte die muskulösen, schlanken Beine des Stierfechters; sie war mit schwarzen Schnallen an den Knien befestigt. Die beiden Reiter, über der Schulter die lanzenförmige Garrocha aus feinem und widerstandsfähigem Holze, deren Eisenspitze ein kleiner Tuchballen verhüllte, galoppierten durch die volkreiche Vorstadt, und ihr Erscheinen rief überall Beifallsbezeugungen hervor. Es leben die schmucken Burschen I Tie Frauen grüßten mit den Händen. Gott sei mit Euch, schöner Manul Viel Vergnügen, Herr Juan!" lFortseyutig folflt.Jj lNachdruck Bettoten.) Ss werde Lieht! Ein Maiblatt der Erinnerung zu Leopold JacobyS siebzigstem Geburtstage. Leopold Jacoby , der Dichter der sieghaft aufsteigenden prole- tarischen Zukunftsgläubigleit. hat ein Recht darauf, daß seiner gedacht wird, ivenn die herannahende Maifeier die Herzen und Köpfe der Arbeiter aller Länder sonnig warm macht. Wre Freilia- rath mit der Märzfeier in natürlicher Einheit zuiammengehöN,»o Leopold Jacoby mit der Maiseier. Denn sein Dichten ist eng ver« wachsen mit der Zeit, die aus dem großen lichten Gefühl unwider­stehlich wachsender Macht heraus endlich die Maifeier gebar. Es ist kein Zufall, daß gerade Jacobqs Gedichte in den letzten zwanzig Jahren immer wieder am ersten Mai zur Festweihe lebendig ge- macht wurden. Diesmal aber liegt ein besonderer Anlaß vor, dieses Dichters zu gedenken: wenn er noch lebte, wenn der Tod nicht allzu früh sein mühebeladenes Leben ausgelöscht hätte, so sähe er heute die Maifeier als ein Siebzigjähriger. Der Dank, der dem Lebenden am siebzigsten Geburtstage gewiß wäre, soll aber dem Toten nicht fehlen. Leopold Jacoby war ein Zeuge der bewegten Jahrzehnte, in denen Sozialismus und Darwinismus trotz Gegenwehr und Ver- gewaltigung im deutschen Geistesleben eine Macht wurden. Alter Plunder, Spießerkleinheit, Zielarmut, dos Halbe und ohnmöchng Schwache kleinbürgerlicher Kultur. wurde ausgeklopft und berannt und aufgesprengt. Ein mutiges Wagen reiste, das sich von großen Zielen leiten ließ, und von unten her wuchs dieser Bewegung die größte, entscheidende Kraft zu. Eine Massenbewegung, die um Be» steiung von Druck und Banden der alten angeerbten Autoritären rang, schuf den Boden, aus dem die Generalion von 1890 weiter« kämpfte, und daß die Kampffreude und Siegsicherheit und der schrankenlose Weitflug beglückter Gedanken und Hoffnungen jener Zeit der Pionierarbeit in Leopold Jacobys Schriften am Werke sind, das gibt ihnen nicht geringen geschichtlichen Wert. Die Literatur- geschichtschreibung weiß freilich von diesem Werte noch nichts. So hat sie also eine Ungerechtigkeit mehr aus ihrem dicken Schuldbuch zu tilgen. Die Sünde wiegt um so schwerer, als Jacoby nicht nur ein Denker war, der seine Gegenwan in geistigen Mühen mit« lebte; er war auch ein Dichter, der etwas Eigenes bedeutete, einer, der anders als der große Haufen der abseits tändelnden Poeten mit seiner schönheitsuchenden Kunst enge Fühlung mit den regen Kräften des Lebens seiner Zeit hielt. Aber er ging seinen Weg kühner, als die bürgerlichen Literatnraewaltigen vertragen konnten z er schlug sichauf der Menschheit linke Seile": nickt bloß zur d a r w i n i st i s ch e n Idee der Eniwickelung. sondern auch zur ozialistischen, und da hat ihn die Acht des Totschweigens getroffen, wie sie seinen Zeitgenoffen Johannes Wedde traf. Aber in der Arbeiterschaft Deutschlands hat Jacobys Name feit den siebziger Jahren lebendig geklungen Der Klang Hub an mit dem Buche: Es werde Lichtl Vom deutsch -französischen Kriege erhoffte nationale Begeisterung, deren Kurzsichtigkeit Schlachten- siege für kulturelle Großtaten hielt, jahrelang die Erlösung der deutschen Dichtkunst aus den Froschtünipeln armsesiger Seichtheit; in die sie nach dem kraftlosen Verhallen des Sturmjahres von 1848 geraten war. Diese Seichtheit der Literatur stellt sich in nicht geringem Grade als Seichtheit deS LesepublikumS dar, das die eckten Dichter, die damals schufen, nicht beachtete. Denn Dichter wie Hebbel und Keller gehören jener trüben Zeit nach 1843 an. Was aber nun Jacoby unmittelbar nach dem Kriege mit der mutig-srohen DichtungEs werde Licht" gab, das war allerdings ein Lickiblitz der deutschen Dichtung und wurde auch so von charaktervollen Männern wie dem greisen Hoffmann von Fallersleben empfunden; indes auf heiße bürgerliche Liebe konnte es nicht wohl rechnen, denn frischweg fegte eS mit dem Spottbesen in den Wust der gespreizten aufgedonnerten Seichtheit der herrschenden Spießergewalt hinein. Und mehr noch: mit herber Klage zeigte das Buch das soziale Elend ohne Schleier und mit jauchzendem Gesänge stimmte es die frohe Botschaft von der kommenden sozialistlichen Gesellschaft an. Der Lohn für diese Tat blieb nicht aus: das Spießertum wurde vom biSmärckrschen Regime gerächt. Aber das Sozialistengesetz brandmarkte sich selbst, als 1878 das inzwischen in zweiter Auflage erschienene Buch Jacobys als erstes aus die erste Liste verbotener Schriften gesetzt wurde. Doch das Ge'etz sollte nun einmal den erwachten Trotz der Maffen knicken. Da mußte einem Buche ein Schloß an den Mund gehängt werden, in dem unverblümt zur Moral der Rebellion auf« gereizt wurde: In trüben Tagen Ohne Zagen Aller Welt entgegenschlagen Und just das Allerkeckjte wagen. Der Lüge und der Heuchelei, Der trat ich kühn den Kopf entzwei, Oder ich reiße ihr mindestens munter D»e Maske von dem Geficht herunter. Du willst vertuschen, so will ich aufdecken, Du willst einlullen, ich will wecken. Ist es nicht hoch und hehr und schön und groß, Zu lehren Die da find niedrig und elend und blind und bloß? Ihnen die Augen aufzutun? So woll'n wir darin nicht rasten noch ruh'n. Und steb'n wir auch wie in der Wüste allein, Und ist auch der Ansang noch winzig und klein, Wir dürfen und wollen nicht mutlos sein. Lieber weinend gesät und lachend gemäht, Als feig abwarten, bis beides zu fpät; Und was winzig war. wächst ungeheuer. Aus Funken wird Feuer. Wt den konservativen AutorttätSmächten und ihrem Ber- gangenheitSkultus hatte Jacobys Dichtung nichts, gar nichts gemein. Alles war auf Gegenwart und Zukunft eingestellt. Die neue Ethik der Massen schoß in leuchtenden Strahlen auf: Die Treue gegen Viele. Und dann der Mahnruf, der ein früher Vorklang zum uns nun geläufig gewordenen Worte vom Jahrhundert des Kindes ist:Und ihr sollt vorwärt« dankbar sein." Als Jacoby die Dichtungen dieses Buches schrieb, hatte er weder Marx noch Lassalle gelesen. Er wollte die soziale Wirklichkeit aus eigener Kraft erkennen, von nichts als seiner Erfahrung, seiner gesunden Logik und seiner Humanität geleitet. Er hatte den Instinkt für das Richtige, wie ihn der Proletarier hat. Auch sein Leben war proletarisch hart gewesen. AuS der Hein- bürgerlichen Gedrücktheit eines jüdischen KantorhauseS in dem hinterpommerscken Fabrikstädtchen Lauenburg stammte er am 29. April 1840 war er geboren und unter harten Ent- behrungen, aus karge Stipendien und Selbsthilfe durch Privat« stunden angewiesen, mühte er sich ab, um den Besuch von Gymnasium in Danzig und Universität in Berlin zu ermöglichen. Als Student der Medizin gab er sich der zeitraubenden und anstrengenden Arbeit der parlamentarischen Berichterstattung hin: er stenographierte von 1862 an die Reden des preußischen Ab­geordnetendauses. Dann drängt ein paar Jahre lang das Jntereffe für Nalurwiffenschaften insbesondere für Zoologie die Medizin völlig beiseite und er wendet sich ihr erst wieder zu. als der Plan einer wissenschaftlichen Reise nach den Tropen ihn ernsthaft beschäftigt. Der Krieg von 1870 treibt ihn als Arzt zum deutschen Heere und unmittelbar vor dem Einzugstage erlebt er den Eindruck des revo- lutionär erregten Paris , das dem Ereignis der Komnmne entgegen» ging. Er selbst hat gesagt: durch das, waS er in jenen Urlaubstagen gesehen, sei er Sozialift geworden. Aber offene Augen hatte er schon vorher für gesellschaftliche Schwächen und Schäden: das 1869 erschienene erste VerSbuck JacobysWeinphantasien" zeugt davon; eS schlägt viele von den kritischen Tönen zuerst an, die dann inEs werde Licktl" gedanklich und dichterisch weitergereist aber« mals hörbar werden. Das blutig endende Ereignis der Pariser Kommune , die Teil« nähme an den Versammlungen der laffalleonischen Arbeiter« organisatton in Berlin , der wüste Hexensabbat der Gründer» Periode, der Anblick des proletarischen Elends, den ihm die Freund» schafr mit dem Berliner Augenarzte Hermann Joseph verschafft,