da» Studium endlich der Werke von Lafsalle und Marx führen Jacoby vorwärts auf der Bahn der sozialistischen Erkenntnis. und nun verdichtet sich sein Glauben und Urteilen und Wollen zu dem sozialphilosophischen Werke Die Idee der Entwich- l u n g, das zuerst 1376 erschien und später, unter dem Sozialisten- gesetz 1887, in Zürich bei Schabelitz abermals gedruckt wurde. Es ist ein glaubensfreudiges Verkünderbuch, aus der Fülle ernst- erworbener Lebensanschauung ununterbrochen strömend. Unzuläng- lich und irreführend ist die Frage: warum? Zur Erkenntnis Hilst nur die Frage: wie? Denn fie zeigt alle? Geschehen in seinen verzweigten Zusammenhängen und führt zu einem Ziele und zu einem Ideale,.und dieses Ziel, welches eine vollendete Schönheit in sich schließt, ist von einer ganz spezifischen Bedeutung, nämlich so geartet, daß es nicht der Emzelmensch, wohl aber erne höhere menschliche Organisation, die organisierte Menschheit, zu erreichen und zu vollführen gezwungen ist". DieS Buch, das als unveränderte Wiedergabe einer stenogra- phisch aufgenommenen Rede des Dichters hohen persönlichen Wert hat, ist ein Dokument der Zeit, in der das sozialistische Denken die letzten großen gesellschaftlichen Aufgaben tatnahe herangerückt fühlte. Das Auge spähte nun aus nach den Menschen, denen die Tat anver- traut war, und im Proletarier stand der Besteier und Erlöser in der Zeit. Jacobys Menschenliebe ist feierlichen GlückeS voll, wenn fie im Arbeiter die Spuren des vorausgeahnten neuen menschlichen Werdens erschaut. Unbewußt bereitet die Wandlung sich vor, plötzlich wird fie bewußte Kraft. Bon dieser Sehnsucht nach edler menschlicher Schönheit, die mit der neuen Zeit kommen wird, ist Jacobys hoch- gestimmte indisch-mythische Dichtung Cunita erfüllt, die im Be- ginn der achtziger Jahre drüben in den Vereinigten Staaten ent- stand, wohin den Dichter die elenden politischen Verhältnisse Deutsch lands stieben. Und alles, waS in Leopold Jacobys Denken und Fühlen sonnig war, sstählt abgeklärt golden aus seinem letzten Buche Deutsche Lieder aus Italien, das 1892 erschien als eine Frucht der arbeitsschweren, bis zum körperlichen Zusammenbruch durchkämpften Jahre in Mailand , wo der Dichter sich eine Stellung als akademischer Lehrer der Literatur und deutschen Sprache erobert hatte. Nach dem Schlaganfall, der ihn im Frühjahr 1892 aus dem Wege zur Akademie staf, hat er noch drei Jahre in Zürich gelebt, von Freundesfürsorge umhegt, und dort schloß er am 29. Dezember 189b die Augen: voll stoh ausdauernden Zukunftsalaubens auch in den Jahren, als die Lebenskraft versagte. Das starksreudige Wort des sterbenden Greises aus Eunita paßt auf ihn: Aus der Nacht der Zukunft bricht hell Ein Lichtquell l Ich nun geh in den Tod, Doch auf Erden kommt eine neue Zeit Und die Wende der Not Mit Notwendigkeit! Daß Leopold Jacoby in den achtziger Jahren schnell Fühlung fand zu jüngst-deulschen Literaturrevoluttonären, namentlich zu K a r l Henckell, entsprach nicht etwa nur seiner gesunden Art, die ge- wannen war, wo menschliche Kraft fich frisch für ideale Ziele ein- setzte, hier führte in der Tat der gleiche Kampf zusammen, der Kampf gegen die jämmerliche Epigonendichtung und die hervorbrechende Begeisterung für das sozialistische Ideal. Jacobys Weinphanlafien Von 1869 sind viel mehr, als der Titel vermuten läßt, sind etwas anderes als die damals zeitüblichen Schenkenbücher, wenn'S auch an Trinlfingerei durchaus nicht darin fehlt. Die Form ist mir Köder, um den Philister heranzulocken. Sie find ein Spottbuch wider allen Zeit- trübfinn, und in einem lang ausgesponnenen Gedicht, dem be- deutendsten des Buches, in der deutschen Makame»Das bemooste Haupt", gehen fie mit offenem Visier zu energischem Angriff vor wider den süßlichen, witzlosen Singsang, wider eine Poesie, in der »sich Blödsinn und Ohnmacht die Hände reichen". Das Gedicht preist die von Rückert geliebte orientalische Makame wegen der»Freiheit der Form": Denn die Freiheit der Form ist ihre Stärke Und damit vollbringt fie Wunderwerke. So hat also die Makame bei Jacoby, der fie später in Es werde Licht I und in Cunita frei verwendet hat, nicht den Sinn einer äußer- lichen Formliebhaberei, sie kehrt sich mit geradezu rebellischer Abficht gegen die leere Formdichterei des Epigonentums. Auch in dem Werke»Idee der Entwicklung" kam Jacoby auf den Verfall von Kunst und Literatur zu sprechen. In der zweiten Auflage des Werkes, zwölf Jahre später— 1887—, verschärfte er sein Wort:»eine ideenlose Niedlichkeitspoesie mit dem charakteristischen Wahlspruch: Politik verdirbt den Charakter l feien heute ihre Triumphe". Dem aber fügte er die Bemerkung bei:»Doch bereits ist eine jüngere Dichtergeneration ausgestiegen, welche aus innerem Sturm und Drang heraus den Kampf gegen die Mode, gegen den glänzenden Moder, aufzunehmen beginnt. Ein tiefer Zug dichterischen Fllhlens hat die begabtesten und besten aus der Schar instinktiv in die Richtung zu dem Ziele geleitet, in welchem gegen- wärtig allein und sters deutlicher erkennbar ein Ideal durchleuchtet." Er meinte den Sozialismus. Wie viel Glück muß ihm in jener von höchsten Hoffnungen ge- spannten Zeit zugeströmt sein aus der Erkenntnis: wie sehr neue und immer neue Kräfte dem Sozialismus zum Besten dienten I Seine Sehnsucht hat einen Spruch geschrieben und dem Werdegeist in den Mund gelegt. Der ruft ihn der Elektrizität über die Gegenwart hin- weg zu, aber mahnen soll er alle Kräfte, die das Leben unserer Zeiten gestalten, auch die Kräfte de» Menschen selbst: Dies soll dein Wahrspruch sein: Machtvoll, still und rein Sollst du dem Mensch er Dienste weih'» Und ihn vom Arbeitsfluch befrei'nl _ Franz D i e d e r i ch. Der Sinfluß der Kultur auf die Yogelwelt, Die Tierwelt unserer Erde ist in ihrer Zusammensetzung und ihrem Vorkommen einer steten Veränderung unterworfen, die nicht zum wenigsten durch den Menschen hervorgerufen wird. Der Ein. fluß des Menschen auf die ihn umgebende Tierwelt macht sich schon in sehr alten Zeiten bemerkbar. Bereits der Steinzeitmensch ver. machst es trotz seiner primitiven Waffen, Steinbeil und Lanze. weil zur Ausrottung der größeren Tiere wie Mammut, Riesen- Hirsch, Höhlenbär, die ihm willkommene und lohnende Jagdobjekte waren, beizutragen. Der Einfluß des Menschen auf die leicht- beschwingst Welt der Vögel macht sich erst viel später bemerkbar. Erst als aus den nomadisierenden Jägerbölkern setzhafte Ackerbauer wurden, als später Landmann und Mönch begannen, weite Strecken Urwaldes niederzulegen, um Land zum Anbau des Brotkornes zu gewinnen, werden Veränderungen wahrnehmbar. Die Vögel des Waldes wurden zurückgedrängt resp. vermindert, und Vögel der Steppe, Rebhuhn, Wachtel, Trappe, Lerchen und Ammern bevölker- ten, aus Südosten eindringend, die zu Feldern(künstlichen Steppen) umgewandelten Waldgebiete. Große Veränderungen brachte tmS letzte Jahrhundert der Vogelwelt. Die Reste des Urwaldes, der ehedem von den Alpen bis zur Nord- und Ostsee ganz Mittel, und Westeuropa bedeckte, unsere jetzigen Waldbestände, werden nach ganz bestimmten, nur das Interesse des Besitzers wahrenden Ge. sichtspunkten bewirtschaftet. Auf dem Felde sucht die rationelle Landwirtschaft jeden Fußbreit Acker auszunutzen und duldet keine Brachäcker mehr, die den Feldvögeln ungestörte Brutplätze bieten könnten. Gebüsche und Hecken werden als lästig ausgerodet, und sogar die ländlichen Anwesen werden statt mit lebendem Buschwerk mit Drahtzäunen umgeben, wodurch den Vögeln natürlich die sicheren Brutplätze genommen" werden. Hierzu kommt das fort- währende Pflügen, Hacken, Mähen und Bearbeiten des Ackers, das unzählige Vogelbruten vernichtet. Alle diese und viele andere llm- stände vereinen fich zu einem ernsten, das Dasein der Vögel arg gefährdenden Faktor. Die durch die menschliche Kultur erzeugten Veränderungen in der Vogelwelt erfolgen demnach in mehr indirekstr Weise. Direkt schädigend, vielleicht durch Jagd, kann der Mensch nur auf den Be- stand weniger Vogelarten wirken, da ja den Vögeln von der Natur die Gabe des Fluges als treffliches Mittel zur Behauptung ihrer Existenz verliehen worden ist. Meist nur solche Vögel, denen das Flugvermögen fehlt, find der Jagdlust des Menschen zum Opfer ge- fallen. Zwei Beispiele, wenn auch nicht aus der heimischen Bogel « weit, zeigen uns das deutlich. Ilm den 60. Grad nördl. Breite, an den Küsten von Labrador, Grönland , Norwegen und auf und um Island lebte vor hundert Jahren der Riesenalk(�Ico impennis), auch Brillenali genannt. Das Leben dieses Vogels war dem Wasser angepaßt, seine Flugorgane verkümmert. Das Fleisch des Riesenalken war wegen seines reichen Fettgehaltes sehr begehrt, und weil dazu die Jagd auf diesen Vogel durch seine unbeholfene Organisation sehr leicht war, wurde ihm von den Bewohnern jener nördlichen Breiten eifrig nachgestellt. Der Alk wurde an den Küsten und Inseln aufgesucht und erschlagen. Durch diese sinnlose Raubjagd wurde der Riesenalk gänzlich ausgerottet. Die letzten zwei wurden von einer Jagdgesellschaft im Jahre 1844 auf der Felsen- insel Eldey bei Kap Reikjanes erlegt. Das zweite Beispiel bietet der Kiwi(Apteryx) von Neuseeland . Auch dieser Vogel befitzt rudimentäre Flugwerkzeuge, die fast nur am Skelett erkennbar sind. Ihm wird eifrig von den Eingeborenen und noch eifriger von den Weißen nachgestellt, so daß er, zumal der Kiwi sonst nir- gends vorkommt, beinahe ausgerottet ist. Ein Beispiel für die Verminderung einer Vogelart durch die Kultur bietet uns unser Storch. Früher beherbergte jedes Dorf Norddeutschlands eine ganze Anzahl Storchpaare. Aber seit die Dächer der Dorfhäuser und Scheunen statt mit Stroh und Schilf mit Ziegel und Schiefer gedeckt werden, vermindert sich ihre Zahl auffällig. Auch die Tele�raphenleit. ingen scheinen Meister Lang- dein nicht zu behagen. So zieht sich denn der Storch mehr und mehr in abgelegene, weniger kultivierte Gegenden zurück. DaS wäre aus ästhetischen Gründen sehr zu bedauern! Unsere Wälder und Gärten beherbergten ehedem ein über. reiches Vogellcben. Aus jeder Hecke, aus jedem Baum schallten im Frühling die Weisen unserer gefiederten Sänger. Aus den Vogelheerden der alten Vogelsteller wurden Tausende von Vögeln für Küchenzwecke gefangen. Jetzt ist das anders geworden. In manchen Gegenden Deutschlands kann man schon eine Stunde lang wandern und wird höchstens einige Lerchen, Buchfinken oder ein paar Sperlinge finden. Auch die größeren Vögel, Raubvögel, Waffervögel werden immer seltener. Der Grund hierfür ist aber
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27 (29.4.1910) 83
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