vnrd geflickt und erneuert, da wird versucht und probiert, da schaltetund waltet jede Generation nach Belieben; da fie aber nicht eigen-kräftig im Willen ist, borgt sie von vergangenen Stilen, auf denLehrstühlen wird das Heil einer besonderen Stilepoche gepredigt undflugs beginnt die jeweilige Mode, die alle zehn Jahre womöglichwechselt. AuS diesem Wirrwarr herauszukommen, das ist die Ten-denz der neuen Baukunst, die sich ihrer sozialen Bedeutung wiederbewußt wird.Freilich ist das, das dürfen wir uns nicht verhehlen, eineschwierige Aufgabe; so kompliziert, daß eS des einmütigen Zu-fammenwirkens aller beteiligten Faktoren bedarf. Der Architektunterer Tage ist so sehr überbürdet mit Anforderungen der der-schiedensten Art, die ihm anscheinend ganz fernliegen, daß er kaumnoch dazu kommt, dem eigentlich Baukünstlerischen zu genügen. Ermutz ein ganz starkes Talent sein, um sich durch diesen Wirrwarrhindurchzufinden. Er soll den Bedürfnissen der Besitzer, der Mietergenügen, er muß die Vorschriften der Baupolizei, die oft ganz un-sinnig sind, erfüllen, er soll dem Unternehmer die Rentabilitätsichern und so fort und noch viel mehr. Was Wunder, wenn seineschöpferische Kraft erlahmt und er froh ist, diesen praktischen An-forderungen gerecht zu werden. Sein ganzes Schmuckbedürfniskonzentriert sich schließlich auf die Außenerscheinung und so wird erFassadenarchitekt. Hier geht er mit dem Unternehmer zusammen,der möglichst die protzige Fassade als Anlockung gebraucht. Daherkommt es, daß»msere Mietshäuser so unlogisch die Scheinpracht derPaläste nachahmen und eine Straße fast eine Repetition aller mög-lichen Stile darstellt, in der jedes Haus seine Einzelbestimmungbetont und möglichst wenig Rückficht auf den Nachbar nimmt, da jaseine Bestimmung, sein Bestreben ist, sich herauszuheben aus derUmgebung.Dem gegenüber betont der moderne Städtebau die Rücksicht aufdie Gesamtwirküng. In jeder Beziehung. Wir beginnen andersdarüber zu denken, wie eine Straße aussehen muß, wie ein Platzsich einfügen soll, wie Gebäude und Anlagen abwechseln müssen,kurz, wie eine Stadt aussehen mutz, um würdig sich im einzelnenwie als Ganzes zu repräsentieren.Diese Ideen find erst jetzt uns geläufig geworden. Wir be-ginnen ihnen zu folgen. Das Gewissen der Architekten ist erwacht.Wir ahnen wieder die Ziele einer großen Baukunst. UnS schwebtdas Ideal einer modernen Baukunst vor, die, ganz und gar er-wachsen aus den Bedürfnissen der Gegenwart, diesen genügt undder dann noch die Steigerung zu jener künstlerischen Erscheinung ge-lmgt, die das Kennzeichen jeder echten, starken Epoche war. Damiterst schaffen wir eine Architektur, die dem Geist der großen Ver-gangenheiten ebenbürtig sein kann.Dieses große Ziel liegt solchem Unternehmen, wie eS dieStädtebau« Ausstellung darstellt, zugrunde. Hier befindet sich nochalles im Werden. Es gilt erst, diese allgemeine Anschauung zuwecken und zu ihr zu erziehen, auf da? öffentliche Gewisien ein-zuwirken. Die Ausstellung bietet vielleicht dem Fachmann und dem,der sich überhaupt mit solchen Fragen beschäftigt, nichts Neues. Eshandelt sich vorerst auch nicht darum. Es handelt sich wesentlicheinmal um Propaganda für diese neue, sozialere Anschauung.Diese Anschauung gipfelt darin, daß eine Stadt nicht nur einKomplex von Mietshäusern und offiziellen Gebäuden ist, sondern einSymbol. Tin immer gegenwärtiges Symbol eines starken Gemein-samkeitSgefühls, ein Denkmal der tättgen Kräfte der rastlos arbeitendenGegenwart.In der Tot, was könnte lockender fein als die Aufgabe, einGemeinwesen so zu schaffen, daß alle Menschen, die in ihm arbeitenund leben menschenwürdig wohnen, daß fie ihre Stadt nicht hassen,sondern lieben, da sie ihnen die Grundbedingungen einer schönenExistenz bietet. In diesem Sinne wird die Architektur erst wieder zudem, was fie in den großen Epochen der Vergangenheit war: dieMutter aller Künste und die BeHüterin des Lebens. Denn erst auf diesemFundament erwachsen die anderen Künste wie aus natürlichem Boden undman kann sagen, die Zielunsicherheit aller anderen Künste rührtdaher, weil fie sich loslösten von dem Zusammenhang mit der Bau-kunst. Sie mußten sich aber loslösen, weil die Baukunst verwilderteund aus einer Kunst, die im Leben einer umfassenden Gemeinsamkeitwurzelt, zu einem Spekulationsobjekt wurde.Wir begrüßen also diese neue Entwickelung, weil wir in ihr dieMöglichkeiten einer besseren Zukunft ahnen. Aber wir müssen unsbewußt sein, daß diese nur dann kommen wird, wenn aus den Vor-schlügen und Entwürfen, aus den Ideen und Versuchen Tatenwerden. Dazu bedarf eS der rastlosen, unermüdlichen Mitarbeitaller, und in diesem Sinne sei die Städtebauausstellung eineStation auf einem langen Wege, den wir gehen müssen, ein Do-kument eines neuen, starken Gemeinsamkeitswillens. iL. E. W.Gleislose Bahnen*Zu den vielen Projekten, die eine Lösung der Verkehrsfragenin Groß-Berlin herbeiführen sollen, ist nach Mitteilungen in denTageszeitungen in letzter Zeit ein neues hinzugekommen. DieWerkehrsdeputationen von Schöneberg und Charlottenburg sollenmiteinander über den Bau einer gleislosen elektrischenBahn zwischen Bahnhof EberSstraße und Zoologischer Garten ver-Handels. Die Bezeichnung„gleislose Bahn" ist nicht glücklich ge»wählk, da mit de« Begriff einer Bahn immer auch die Vor«stellung von Gleisen verknüpft ist. Viel besser bezeichnet das Wesendieses neueren Verkehrsmittels der Ausdruck elektrischeOmnibusse mit Oberleitung. Man kommt mit diesenOmnibussen, wie so oft in der Technik, auf Vorschläge zurück, diezu Beginn einer technischen Epoche gemacht wurden, wegen dermangelhaften technischen Hilfsmittel aber nicht durchgeführt wex»den konnten.Schon bevor man Eisenbahnen in unserem heutigen Sinnemit ihrem eigenen Schienenweg baute, war man der Ansicht, daßjder auf der Landstraße ohne Schienen dahinrollende Dampf-wagen das gegebene und einzig mögliche Verkehrsmittel sei. ZunrGluck für die EntWickelung des Verkehrs hat man bald diesen!Gedanken aufgegeben und die Vorzüge der Gleise erkannt. Inden letzten Jahrzehnten ist aber dieser ursprüngliche Gedanksdurch die Automobile, die heute auf allen Landstraßen zu findensind, wieder aufgenzmmen und in die Praxis umgesetzt. Es gibtoft Strecken zwischen benachbarten Gemeinden usw., für die dieAnlage einer elektrischen Schienenbahn auS finanziellen Gründenoder aus bestimmten Eigenhelten des Verkehrs vollkommen un-durchführbar ist, die aber trotzdem ein moderneres und zwcckmäßi-«eres Verkehrsmittel als den Pferdeomnibus sehr gut vertragenkönnen. Hier setzt das Automobil in Gestalt des Autoomnibussesein und befriedigt diese» Bedürfnis in einfacher Weile.Die bayerische Post läßt z. B. im Sommer zwischen viel be*suchten Ausflugsorten, wie zwischen Berchtesgaden und demKönigsee, Autoomnibusse verkehren, die sich vorzüglich rentierenund den Massenverkehr leicht bewältigen können. Dem Auto»omnibus, der durch Verbrennungsmotoren angetrieben wird,haften aber eine Reihe von Mängeln an. Vor allem sind jedemBerliner die angenehmen Düfte und der Lärm bekannt, den dieseUngetüme verursachen, Nachteile, die sich wohl vermindern, abersich nie ganz beseitigen lassen. Sie haben aber auch noch innereNachteile, die nicht sofort zu erkennen sind. Sie sind z. B. nochziemlich teuer im Betrieb, da sie, abgesehen von den Brennstoff-kosten, infolge ihres großen durch die Motoren bedingten Ge-wlchtes, große Ausgaben für die Gummibereifung verursachen.Die Explosionsmotoren lassen sich ferner nicht überlasten und sinddaher Steigungen sowie schwierigen Betriebsverhältnissen nicht gutgewachsen.Die Dampfmaschine ist in dieser Beziehung viel besser als derExplosionsmotor.. Man hat daher auch versucht, moderne auto-mobile Dampfwagen, deren bester Vertreter der Serpollet»wagen sein dürfte, zu bauen. Die Komplizierung, die durch denKessel, durch das'Mitführen von Wasser und Brennstoff entsteht.ist jedoch so groß, daß diese Wagen auch heute keinen Erfolg habenkönnen.Es ist unzweifelhaft, daß die idealste Lösung der Frage derdurch Elektromotoren betriebene OmnibuS, das Elektro-mobil, ist. Der Elektromotor kann sich wie keine zweite Arbeits-Maschine den jeweiligen Verhältnissen anpassen, er arbeitet ge-räusch- und geruchlos und ist auch im Betrieb billig, vorausgesetzt»daß man sich die erforderliche Elektrizität zweckmäßig beschaffenkann. Und darin liegt der wunde Punkt in der Verwendung desElektromobils. Man ist in der Regel gezwungen, die Strom-quelle in Gestalt von Akkumulatoren im Wagen mit sich zu führen.Durch diese Akkumulatoren wird vor allem das„tote", nutzloseGewicht, das der Wagen befördern muß, stark erhöht, da der„leichte" Akkumulator trotz aller Erfindungen Edisons noch nichtexistiert. Es werden ferner die Vedienungskosten beträchtlich er-höht, die Betriebssicherheit vermindert und schließlich der Wir-kungskreis des Wagens sehr eingeschränkt, weil man nur eine be-stimmte Menge elektrischer Energie in der Batterie aufspeichernund mit sich führen kann. Das Elektromobil ist daher, wenn eseine Batterie mit sich führt, nur ein Stadtwagen, und auch hierist seine Rentabilität ziemlich fraglich.Ganz anders wird es jedoch, wenn den Elektromotoren einesElektromobils die elektrische Energie von außen, genau so wieeiner elektrischen Straßen- oder Vollbahn, durch Drähte zugeführtwird. Dieser Gedanke wurde wohl zuerst von Schiemann imJahre 1901 auf der gleislosen elektrischen Bielatalbahn inder sächsischen Schweiz in die Praxis umgesetzt.Die elektrischen Omnibusse durchfahren dort eine zum Teilgut chaussierte, zum Teil gepflasterte Straße mit einer Geschwin-digkeit von 12 Kilometern in der Stunde. Gleise oder Schienensind nicht vorhanden, so daß an der Straße nichts geändert wurde.Hingegen befindet sich über der Straße, genau wie bei einerStraßenbahn, ein Fahrdraht, der mittels einer Kontaktstange denStrom den Motoren zuführt. Ein zweiter Draht übernimmt dieRückleitung des Stromes zum Elektrizitätswerk, die sonst denSchienen zufällt. Die Drähte sind in einer Höhe von sechs Metergespannt, so daß der gewöhnliche Verkehr durch den elektrischenBetrieb gar nicht gestört wird. Nach demselben System vonSchiemann ist auch in den letzten Monaten eine gleislose„Elek-irische" zwischen dem italienischen Städtchen Pirano und demSeebad Portorose dem Verkehr übergeben. Der Verkehr, derin der Badesaison ziemlich lebhaft, aber doch nicht lebhaft genugist, um eine Dampfbahn rentabel zu machen, �wurde bis jetzt vonEselfuhrwerken und Pferdeomnibussen bewältigt. Die Anlageeiner Schienenbahn verbot sich auch durch die Enge der dem Meer�abgewonnenen Fahrstraße. Es wurde- jetzt eine Oberleitung ge-