'~=" Sein Zimmer war zu einem Versammlungsort geworden. wo im Laufe des Tages die hauptsächlichsten Aficionados vor- sprachen. Der Tabakrauch vermischte sich mit dem Dunst des Jodoforms und anderer starken Gerüche. Auf den Tischen standen durcheinander zwischen Arzneien, Verbänden und Instrumenten verschiedene Flaschen Wein, aus denen den Be- suchern angeboten wurde. Es hat nichts zu bedeuten." riefen die Freunde, die dem Stierfechter Mut machen wollten.In ein paar Monaten kannst Du wieder fechten. Du bist in guten Händen. Doktor Ruiz kann Wunder tun." Der Arzt war ebenfalls voller Zuversicht.Ter ist bald wieder auf den Beinen, sag' ich Euch. Seht ihn an, wie er pafst. Ein Kranker, der raucht!..." Der Doktor, der Verwalter und einige Mitglieder der Cuadrilla blieben bis zu vorgeschrittenen Nachtstunden bei dem Verwundeten. Wenn Potage kam, hielt er sich gewöhn- lich in der Nähe eines Tisches auf, um die Flaschen im Be- reich seiner Arme zu haben. Die Unterhaltung zwischen Ruiz, Don Jos6 und dem Nacional drehte sich stets um die Stiere. Es war unmöglich, mit dem Verwalter zusammen zu sein und über etwas anderes zu reden. Sie besprachen die Fehler sämtlicher Matadore, erörterten ihre guten Eigenschaften und die Honorare, die sie bekamen, während ihnen der Kranke in gezwungener Unbe- weglichkeit zuhörte, oder, durch das Geflüster der Unter- Haltung eingeschläfert, in eine Art Traumzustand verfiel. lFortsetzung folgt.)) (Naqdrull tci&otes.) 2] öilfil* Die Geschichte einer Liebe. Von Johan Skjoldborg. Berechtigte Uebersetzung aus dem Dänischln von Laura Heidt. So wird das Weidenhäuschen geliebt von zehn Kindern. Sie tragen es in ihrem Herzen. Und wenn sie, selbst erwachsen, heim- kehren, dann eilen sie den Berg hinan, als ginge es zum Stell- dichein, nur, um so bald wie möglich die Schornsteinspitze vor Augen zu haben. An jedem ersten Novembertag sitzen Jakob und Dorte im Wewenhäuschen und warten auf das Kommen der Kinder, die auf all den verschiedenen Fußsteigen eintreffen. Für diese Familie ist dieser Tag der jährliche Festtag geworden. Lange vorher schon gelten ihm alle Gedanken und alle Worte. Jakob und Dorte sprechen von nichts anderem in der ganzen Welt als von den Mndern: ob sie sich gut führen und wie sich ihr Leben überhaupt gestaltet. Jakob, der Weidenhäusler, versäumt niemals seine Arbeit. Selbst wenn ihm so elend zu Mute ist, daß er morgens auf dem Fußsteig wie ein krankes Pferd zwischen den Strängen hin und her schwankr, aus seinen Posten verfügt er sich trotzdem. Am 1. No- vember jedoch bleibt er zu Hause. Er schützt Krankheit vor, oder er findet seinem Arbeitgeber gegenüber irgend einen anderen Vorwand; deun er sieht wohl ein, däß er unmöglich den wahren Grund an- geben kann. Seinen Tagelohn verlieren, unr zu Hause mit seinen Kindern zusammen zu sein, das ist eine Weichherzigkeit, die ein Mann in Jakobs Stellung nicht verantworten kann. Er versucht es auch gar nicht. Er weiß gut, daß es nicht stattfinden darf, er kann nur einfach nicht widerstehen. Wenn Jakob eines Abends kurz vor dem I. November seine Arbeit verläßt, geht er zum Höker und macht dort größere Einkäufe an Kaffee, Zucker, Zwieback und Kringeln. Und dann kauft er auch einen Viertel Liter alten Rum. Das Ungewöhnte dieses seltenen Getränks erhöht die Festlichkeit des Tages; sein Duft und die schöne dunkelbraune Farbe hebt den Mut. Aber er begreift gut, daß er hier die Wege der Ueppigkeit und des Luxus wandelt; daher steckt er auch heimlich die Flasche in die Tasche, damit niemand sie zu sehen bekommt. Er wt ganz verschämt aber es ist nun einmal Sitte geworden, daß er am 1. November zu seinem Kaffee ein Gläschen alten Rum genießt. Und vor allen Dingen will er nicht, daß von dem Glanz dieses Tages auch nur ein Titelchen ver- loren geht. An diesem ersten Novcmbertag funkelt DorteZ Ofen stärker als an irgend einem anderen Tage des Jahres. Die beiden bäum- wollenen Vorhänge vor dem Alkovenbett hängen frischgewaschcn in frischen, steifen Falten. Tag für Tag, wenn die Zeit heranrückt, ordnet und putzt sie an allem herum, damit alles in bester Ordnung ist. Schon lange vor- her sind sich die beiden Alten gegenseitig behilflich, die alte Hütte auszubessern, zu verkleben und zu tünchen und das Dach zu flicken, wo imnier es not tut. So sorgfältig wie niöglich richten sie alles her und verschönern alles, damit den Kindern auch in Zukunft noch das alte Weidcnhäuschen gefällt. Jakob und Dorte find am 1. November in aller Frühe auf den Beinen. ES gibt nichts zu tun, aber sie können nicht schlafen. Jakob hat sich rasiert und sich das erste Gläschen Rum genehmigt, er geht jetzt hinaus, um noch einmal nachzusehen, ob auch alles so ist, wie es sein soll; er gehl wieder hinein, und er und Dorte unterhalten sich darüber, welch ein Glück es ist, daß das Wetter fich heute so gut anläßt. Fast den ganzen Vormittag sind sie allein. Sie blicken zum Fenster hinaus und auf die alte Uhr. Nun dauert's nicht mehr lange, dann kommen sie", sagt Jakob einmal ums andere. Sie gehen wohl auch hinaus bis an den Hausgiebel und spähen sehnsüchtig die Fußsteige hinunter. Der erste, der da kommt, ist Peter. Seine Hosen stecken in ein Paar langen, funkelnagelneuen Schaftstiefeln, die Narben des LederS sind noch deutlich sichtbar. Peter ist schon rundrückig. Er stolpert über den Fußboden wie ein alter Mann und setzt sich,.als sei er sehr müde. Und doch ist er nur neunzehn Jahre alt. Aber er hat von jeher zu schwer gearbeitet; seit zwei Jahren verrichtet er schon ganze KnechtSarbeit. Peter will nämlich Geld haben, viel Geld. Naa," sagt der Vater uud steckt sich, belebt durch des Sohnes Ankunft, ein frisches Stück Kautabak in den Mund.Naa, Peter, Du hast Dir wohl ein Paar. Stulpstiefel zugelegt?" Jakob beäugt scharf die neuen Stiefel und befühlt das Leder. P ti", Jakob Weidenhäusler spuckt einen Strahl in weitem Bogen aus,die sind wann und gut I" Peter zieht die Strippen hoch, und seine Augen folgen der feinen. roten Saffiankante, die der Schuster als Abschluß oben angebracht hat.Aber sie waren auch teuer," seufzt er. Ach, das kannst Du Dir schon erlauben, mein Bester. Bei dem Lohn, den Ihr heutzutage kriegt P ti I" Peter murmelt:Na. na." Du bleibst wohl auf Deinem Platz, Peter .Ja." Das ist recht; das Hab' ich gern I* Ach was, Dreck 1* Peter blickt unentwegt vor sich nieder und ist so merkwürdig schweigsam und verdrossen. Die Mutter bemerkt es.Dir ist doch nichts?" fragt sie. Ach nein, nichts weiter." Du bist doch nicht etwa krank?" Es zittert wie Angst in ihrer StimmeZ Nein, aber eS fehlen mir in der Kaffe noch zehn Kronen an dreihundert." Die Mutter schlägt eine laute Lache auf.Du bleibst Dir doch immer gleich, ha, ha, ha I" Jakob Weidenhäusler aber lächelt vor fich hin, voll heimlichen Stolzes und auch darüber, daß dies der Grund der Ver- stimmung war. Peter verzieht keine Miene. Er legt da? Geld ans den Tisch und zählt. Die Eltern rücken zusammen und Helsen ihm; sie lassen die Banknoten und das Silbergeld immer wieder durch die groben, knochigen Finger gehen. Es wird aber nicht anders, die zehn Kronen fehlen. Das ist ärgerlich," sagt Peter.Es ist nur, weil ich die Stiefel kaufte. Das war dumm!" Er sitzt und starrt das Geld an, das geordnet vor ihm auf dem Tische liegt. Und als könne er den Gedanken nicht loswerden, fragt er den Vater:Kannst Du mir nicht die zehn Kronen leihen?' He, nein, das kann ich nicht, Peter, ich schulde noch dem Höker." DaS ist doch deS Teufels!" Nach einer Weile fragt der Vater:Wozu sparst Du denn nun eigentlich das Geld, Peter?" Ich will ein Geschäft haben." Jakob scheuert sich den Ellenbogen vor lauter Vergnügen. Soo, Du willst ein Geschäft haben?" Jawohl, damit verdient man am meisten Geld." Die Eltern blickten fich verstohlen an. Ich will Viehhändler werden, so wie Anders Vabbesgaard." Das aber scheint dem Alten bedenUich. Der bloße Gedanke macht ihn schwindeln. Also selbst der solide und besonnene Peter konnte ihnen Grund zu Besorgnissen geben. Der vergnügte und lebhafte Schimmer verschwindet aus Jakob Weidenhäuslers Antlitz das wieder den gewohnten kummervollen Ausdruck annimmt. Dann sagt er:Du wirst doch wohl ein ehr- licher und treuer Knecht bleiben in Deinen Stellungen, damit wir Freude an Dir haben können l" Ein Geschäft will ich haben," nickt Peter energisch. Die Mutter fürchtet ebenfalls, daß seine Gedanken zu vermeffen sind, daher fügt sie hinzu:Es ist wohl am besten, Du bleibst mit den Füßen aus der Erde und vergißt nicht, wo Du bist." In diesem Augenblick kommt Jens, ein seit einem Jahre kon- firmierter Knirps, zur Tür hereingestürmt. Er ist sommersprossig mit dicken Lippen und hat ein Paar entsetzlich große Ohren, die vielleicht heute noch größer als gewöhnlich aussehen, da er ganz kurz geschoren ist. Seine Augen sprühen vor Lebenslust. Jens schwingt ein blaues Taschentuch.Huh I" sagt er und wirft es mitten auf den Tisch. Der Vater sieht ihn verwundert an.»WaS hast Du denn da?"