an Mc Heilige Jungfrau, und in seinem stammen Egoismus ließ er es sich angelegen sein, gut mit ihr zu stehen, im Hin- blick auf zukünftige Gefahren; aber er dachte mit Unbehagen an die Scherze und Spöttereien semer Freunde, die sich in den Kaffeehäusern und Klubs der Sierpesstraße vereinigten. Sie werden mich furchtbar aufziehen, wenn sie von der Sache Wind bekommen," so sagte er sich.Man muß mit jedermami zu leben wissen." Am Abend von Gründonnerstag ging er mit seiner Frau in den Dom, um dem Miserere beizuwohnen. Der Tempel mit seinen unsinnig hohen gotischen Bogen war ohne andere Beleuchtung, als die. welche einige rötlich brennende, an den Pfeilern steckende Kerzen kärglich spendeten, gerade genug, damit man nicht im Dunkeln zu tappen brauchte. In der Höhe des Chores leuchtete aus der Dunkelheit ein rotes Sternbild, die Lichter für die Musik und die Sänger. Das Miserere von Esclava entsandte seine heiteren italienischen Melodien in diese beklemmende, aus Schatten und Geheimnis gewobene Atmosphäre. Es war ein andalusisches Miserere. tändelnd und graziös, wie der Flügelschlag eines Paradies- Vogels, mit Romanzen, die wie Liebesserenaden anmuteten, und mit Chören, die Rundgesängen lustiger Zecher glichen; es war der Ausdruck des Wonnegefühls, in einem so süßm Land zu leben, das den Tod vergessen macht und über die düsteren Momente der Passionsgeschichte hinweghuscht... lgortsetzung. lNaqdru« pcrvote».! 6] öäl*«!# Die Geschichte einer Liebe. Von Johan Skjoldborg. Berechtigte Uebersetzung auS dem Dänischen von Laura Heidt. : 3. Sara und Boel stehen im Brauhause und scheuern Milcheimer. Es geht ihnen von der Hand, als sei es ein Spiel. Die großen Eimer kreisen in ihren Händen so leicht, als flögen sie von selber. Und die Muskeln spielen in den nackten Armen, die unter der Arbeit ewig Platz und Stellung in der Luft wechseln. Boels Arme sind die dickeren und trockneren, die älteren; die Ellenbogen haben eine verhärtete Haut. Saras Arme dagegen sind weich und rundlich, mit einer dunklen Falte im Gelenk, wenn sie sich beugt. Und dann ist die Haut leuchtendweiß und zart. Aber gleich flink brauchen die beiden ihre Hände, und das Rasseln der Eimer auf der Steindiele schallt durch den großen Raum. Dazwischen wird hin und wieder ein Wort gesprochen. Glaubst Du denn wirklich, daß Du mir einreden kannst," Boel schwingt den Eimer, dessen blanke Rundung im Licht funkelt Du habest noch nie eine Mannsperson geküßt?" Es ist wahr!" Sara nickt energisch. Ba hl" Boel dehnt den Laut aufs äußerste, und ihr schallendes Gelächter vermischt sich mit dem Geräusch der Blech- eimer. Sara läßt die Arme sinken; an den runden Ellenbogen bilden sich kleine Grübchen. Sie richtet den Blick groß und voll aus Boel und sagt:Ja, beim Himmel, eS ist so!" Dann ist es wahrhaftig Zeit, daß Du es probierst, meine Beste!" Boel lacht abermals; ihr Mund ist unglaublich groß und heißhungrig. Wiederum bewegen sich die nackten Arme und wechseln ständig Platz und Stellung in der Luft. Der Wiesenhofbauer schleicht auf seinen Pantoffeln durch daS Brauhaus. Er steht still und richtet in liebevollem Ton ein paar freundliche Worte an die Mädchen. Seine Augen werden ganz klein. loenn er Sara betrcchtet, die über die nasse Steindiele trippelt; ihre Fußgelenke sind geschmeidig und fest gebaut. Nachdem er sich entfernt hat, bemerkt Boel:Du kannst glauben, den Alten juckt der Gaumen,,,!" Aber Sara bückt sich schweigend; sie fühlt sich unangenehm be- rührt durch solche Andeutungen. Während sie so dasteht in ihrem strammen, um die Hüften schließenden baumwollenen Kleide kommt Sören vorbei, der Groß- knecht, und versetzt ihr in aller Geschwindigkeit einen Schlag hinten drauf. Raa," sagt Boel, und Sören trifft ein vernichtender Strahl ihrer schwarzen Augen,willst Du Dich schicken!" Und während sie den Eimer schwingt, daß der eiserne Boden- reifen surrt, wendet sie sich an Sara: Du bist wohl nicht so unschuldig, wie Du mich glauben machen willst: auf alle Fälle verstehst Du es gut. Dich einzuschmeicheln und lecker zu machen!" Wie kannst Du nur so etwas sagen. Boel!" antwortet Sara vorwurfsvoll, indem sie mit dem Handrücken den dunkelroten Haar- Wust aus der Stirn streicht. Oh Du verstehst gut genug zu schmeicheln; aber ich rate Dir nur.'uj Seien in Ruh; Du hast mit ihm doch noch keine Kinder wenigstens bis jetzt nicht!" Ach!" Sara ist ganz ärgerlich und macht eine Bewegung, als schüttle sie etwas ab. Ja, ja, meine Gute, Deine Zeft kommt auch noch! Die Mannsleute sind übrigens ein Pack, alle miteinander; aber man kann sie ja trotz alledem nicht in Ruhe lassen!" Gleich darauf stößt Boel einige gurgelnde Töne hervor; eS soll wahrscheinlich irgendeine Melodie vorstellen. In dem Raum, in dem sich täglich die Leute aufhalten und der wie eine behagliche Bauernstube eingerichtet ist, wird zu Mittag gegessen. Man ißt gut auf dem Wiesenhofe. Wei den anderen Mahlzeiten wird Niels, dem Bauern, dieser oder jener gute Bissen ins Schlafzimmer hineingebracht, aber die Mittags- mahlzeit wird, wie es der Brauch ist, mit den Leuten gemeinschast- lich eingenommen. Sie sitzen alle vergnügt vor der dampfenden Kohlsuppe mit warmem Speck und Schafsfleisch und lassen sich das gute Essen wohl schmecken. Die Bäuerin ist draußen, und Boel läßt ihr Mund- werk lausen. Ja, Ihr habts schlimm, Ihr armen Mannsleute! Nun könnt Ihr ins Bett kriechen mit einem vollen Bauch und ein paar Stun- den schnarchen, während wir Frauenzimmer Eure schmutzigen Teller reinmachen können." Die Knechte sehen sich an und lachen. Da ist keiner, der eS fo recht mit ihr aufzunehmen wagt; aber zuhören mögen sie ihr gerne, wenn sie, so wie jetzt, in Stimmung ist. Ja, Du bist ein klein wackres Mädel, Boel!" lacht Sören, der Großknecht, um sie zu reizen. Das haben schon viele gesagt; denn Ihr seid alle einander gleich. Wo Du Dich wohl gestern abend aufgehalten hast, bester Söven; mir scheint. Du siehst so mitgenommen aus heute!" Ha, ha, ha!" lacht der Wiesenhofbauer und nagt an einem Knochen. Aber Anders, der Sohn, blickt zu Sara hinüber, die so merk-> würdig fremd dasitzt und auf ihren Teller starrt. Hör mal. Kleine," sie wendet sich an Saramöchtest Du mir ein Stück Brot reichen!" Sie beißt mit ihren scharfen Zähnen eine dicke Rinde durch. Du kannst famos beißen, Boel," bewerft Anders. Ja, ich habe nicht solch Kauwerkzeug wie Du. Ich brauch Gott sei Dank mein Essen nicht in mich reinzulutschen." In solcher Tonart geht es weiter. Der Großknecht sucht sich ein besonderes Stück Schafsfleisch aus. Du willst wohl Lammfleisch haben, mein Freund? Das wollt Ihr alle, Ihr sauberen Burschen!" Sie rülpst laut.Und unser Alter da am Tischende ist auch kein Kostverächter!" Du führst eine etwas freie Rede, Boel!" Das kommt daher, Wiesenhofbauer, daß ich ein gutes Ge- wissen habe." Boel rülpst abermals, daß es im ganzen Zimmer zu hören ist.Ich weiß nicht, wie es D i r damit geht!" Der Wiesenhofbauer lacht und wischt sich das Fett aus den Mundwinkeln. Man hört die Frau kommen. Nun wird man den Schnabel halten müssen. Und dann setzt Euch mal ordentlich hin, Kinder, denn nun kommt Mutter!" Nicht wahr, mein Lämmchen?" fügt sie hinzu und streichelt Sara liebkosend die Wange. Aber Sara stößt sie fort. Die Bäuerin Maren setzt sich hoch und breit, und eS wird stille im Lager. Die Männer schielen allesamt hinüber nach Sara. Sie können die Augen nicht von ihr wenden; denn sie fitzt gerade im Licht so ftifch und jung. Das ausgeschnittene baumwollene Kleid umschließt dicht ihre festen Schultern. Ihre Zähne schimmern hinter der kurzen Oberlippe. Sie hat die zarte Haut der Sommersprossigen; das rötliche Haar liegt in goldigem Glanz auf ihrer Stirn. Und wenn sie ihre großen blauen Augen mit dem Ausdruck der er- staunten Unschuld aufschlägt, die zum ersten Male in die Welk hinausblickt dann fühlt sich alles zu ihr hingezogen. Sie merkt es nun selber. Halb verschämt antwortet sie der Bäuerin auf eine Frage, und ihre Stimme klingt wie ein silbernes Glöckchen neben der rauhen, geborstenen Stimme Boels. Als sie vom Essen aufstehen, betrachtet Anders sie mit heißen, begehrlichen Blicken. Und Sara geht in ihre Kammer hinein, um einen Augenblick allein zu sein. Sie öffnet das Fenster, damit der kühlende Wind hinein» dringen kann, und steht ans Fensterbrett gelehnt da, als ob sie träume. Wie erwachend fährt sie zusammen, springt zurück, macht sich vor dem Spiegel zurecht und begibt sich eilig an die Arbeit. Am Nachmittag kommen ein paar junge Freunde aus der Fa- milie des Wiesenhofbauern. Sara entdeckt, daß Anders draußen im Hofe steht und sich mit dem einen jungen Mädchen unterhält. Wenn sie sich ganz hinauslehnt aus dem Fenster des Brauhauses, kann sie sie sehen. Das Mädchen ist fein gekleidet; sie steht mit über der Brust gefalteten Händen und wiegt sich in den Hüften, und dann und wann beugt sie sich vornüber und schlägt einen Bogen mit der Zehenspitze. jSara sieht es ihrem Rücken an, daß sie lacht. Anders spricht, und Sara weiß, was er sagt, weiß auch, wie weich die Worte diesem Munde entströmen können., .(Fortsetzung folgt.))