Irgend einer von den Zechbrüdern überschritt auch wohl Ke Straße und hielt keck das Glas unmittelbar unter die Federkaskade, um ihren Träger durch den köstlichen Duft des Weins noch stärker in Versuchung zu führen: jedoch der un- bestechliche Centurio wich zurück und drohte mit der Spitze seines Degens. Pflicht, nur Pflicht! Heuer sollte.es nicht wie in früheren Jahren zugehen, wo die Abteilungen kurz nach dem Ausmarsch in Unordnung geriet, einen sichtlich schwankenden Gang zeigte und den Tritt sehr mangelhaft hielt. Die Straßen verwandelten sich für den wackeren Krieger in einen wahrhaften Leidensweg. Unter dem Gewaffen ward ihm heiß, und schließlich wegen eines Schlucks Wein ging die Disziplin doch nicht gleich in die Brüche. So nahm er denn ein Glas an und dann ein anderes, in kurzer Zeit bestand seine Heeresfolge nur noch aus ungeordneten Reihen, und der Weg war mit Nachzüglern besät, die immer längere Stationen in den Kneipen machten. lSortsetzung folgt.i .(Naqdrua KttoWL) 7] Sara. Die Geschichte einer Liebe. von Johan Skjoldborg. Berechtigte Nebersetzung auS dem Dänischen von Laura Heidt. Sara beugt sich bor und zieht sich zurück, wenn sie fürchtet gesehen zu werden. Angespannt starrt sie. So sehr ist sie davon in Anspruch genommen, daß sie die Ankunft Boels nicht bemerkt hat, die sie schon lange beobachtet. Erst als Boel lacht, recht so ein lautes Gelächter erhebt, wacht Sara auf, wie durch eine unsanfte Berührung. Sie wird rot bis ganz hinab auf den Hals. Schweigend bückt sie sich tief auf ihre Arbeit herab. Es ist etwas Kränkendes für sie in der Art, wie Boel die Sache auffaßt etwas, das sie quält. Und einen Augenblick später hängt eine Träne an ihren Augenwimpern. Den ganzen Rest des Tages geht Sara umher mit unruhigem Blick; er ruht nicht auf einem bestimmten Gegenstand, sondern flackert bald hierhin, bald dorthin, wie ein Vogel hinter der Scheibe flattert. Abends steht sie in ihrer Kammer und starrt hinaus. Lange horcht sie auf das Brausen des Fjords, das der Wind ins Land hineinträgt. Draußen ist es ganz dunkel, so daß das singende Sausen wie von verborgenen Quellen draußen im Raum zu ihr hereinströmt Quellen aus der geheimnisvollen Weltentiefe. So lauscht sie dem Wellenschlage, der ewig auf und ab wogt, wie die Sehnsucht der Menschen. 4. Dann geschah eines Tages etwas, was Sara geradezu wunder- bar erschien. Er war am Vormittag. Nachts hatte es geschneit, und über- all auf Dächern und Gegenständen lag feiner Schnee wie weiße Daunen. Die� Pumpe sah ganz rauh aus. Und die große Ulme mitten im Hofe stand, behangen mit all dem Schnee, so vorsichtig da, als wage sie es nicht, ihre Ztveige zu rühren. Längs des nach Westen gelegenen Gebäudes hatten die Leute in früher Morgenstunde einen schmalen Gang getreten, und Thors Pfotenspurcn führten quer über den Hof; im übrigen aber lag der ganze Platz da in seiner schimmernden, kristallklaren Schneedecke. . Hoch und winterblau wölbte sich der Himmel über dem ver- schneiten Hofe, die Luft war rein, kühl und morgenfrisch. Weiß fiel das Sonnenlicht auf den Hofplatz und die glitzernden Dächer; nur in der Nähe der gen Osten liegenden Außengebäude schimmerte der Schnee bläulich im Schatten. Hinaus in diesen festlichen Wintertag tritt Sara mit einem Eimer Zentrifugenmilch für die Kälber Sie schüttelt sich vor Wohlbehagen. Sie streckt den geöffneten Mund vor, um so recht mit Genuß in vollen Zügen zu atmen. Ihre Augen verkleinern sich. Sie saugt Sonne und Schnee in ihre junge Seele ein. Und ihr Gesichtsausdruck wird dadurch strahlend. In ihrem leichten fußfreien Baumwollkleide eilt sie hinüber nach den Ställen. Dort sieht sie Anders stehen. Er kehrt ihr den Rücken zu und hat ihren leichten Schritt nicht vernommen. Da hat sie einen Einfall, der sie packt wie eine sündige Lust. Sie hält inne, ihr ganzes Gesicht wird zu einem einzigen großen Lächeln, und sie muß geradezu den Kopf ducken, um nicht laut auf- zulachen. Vorsichtig setzt sie den Eimer hin, greift in den Schnee, der jetzt die Spuren ihrer Finger zeigt, und formt einen Ball. den sie Anders in den Nacken wirft, gerade unter die Locken. Das Ganze vollzieht sich in einem Nu. Hastig ergreift sie den Eimer und läuft davon. Aber Anders folgt ihr auf Hacken und überschüttet sie mit einer ganzen Lage, daß der Schnee auf Stücken und Brust herab- rinnt. Uhl" ruft sie laut, aber trotzdem lachend, und fängt nun an, sich zu verteidigen. Sie hat das Glück, gerade Anders Ohr zu treffen, wo der Schneeball sich fest hineinbohrt in all die kleinen Oeffnungen und Gänge. Er schüttelt den Kopf und gräbt mit den Fingern vergebens; wie ein Schaf steht er da und gießt sich das Wasser aus den Ohren. Inzwischen überschüttet Sara ihn in aus- gelassener Weise, und ihr Lachen klingt durch die klare Luft. Nun aber bekommt Sara ebenfalls ihr Teil; Anders wird ganz eifrig. In ganz kurzen Zwischenräumen sendet er ihr Ball auf Ball. Und bald scheint ihm das noch nicht genug zu sein; er nähert sich ihr, füllt beide Hände mit Schnee und schüttet ihn auf Saras großen, dicken dunkelroten Haarknoten, so daß er in kleinen Streifen zwischen den lose aufgesteckten Locken liegen bleibt. Sie werden hitziger und immer hitziger, alle beide. Der Schnee schmilzt und läuft herab an der bloßen Haut. Den Milcheimer werfen sie um. Aber sie merken nichts anderes als ihr junges Blut, das rascher und rascher durch ihre Adern rollt, und immer lebhafter und klarer werden ihre Augen. Die Sonne lächelt ihnen zu, aber hinter dem Wohnstuben- fenster steht Maren, die Wiesenhofbäuerin, und verfolgt den Kampf mit strengen Mienen. Sara weicht mehr und mehr zurück. Schließlich wird sie in eine Türöffnung hineingedrängt. Hier schlingt Anders plötzlich den Arm um ihren Nacken. Sie lehnt sich zurück mit einem feinen Lächeln um den zarten Mund und blickt ihn fragend an mit ihren großen, unschuldigen Augen, Er zieht mit Gewalt ihren Kopf näher an sich heran. Und mit einem Male gibt sie nach, und zwei Paar Lippen schließen sich fest aufeinander. So stehen sie einen Augenblick, ganz versunken. Da rührt sich etwas in ihrer Nähe, und still gehen sie auS- einander, jeder nach seiner Seite. Sara geht umher wie im Traum. Sie bereitet das Essen, sie spricht mit den Luten, fragt und antwortet, sie fitzt mit bei Tisch und ißt, sie säubert das Geschirr> und erst als sie vor dem frisch- gescheuerten Tisch des Brauhauses steht und ihre Hände sich nicht mehr regen, wacht sie auf. Und sie begreift nicht, wie das alles zugegangen ist; sie weiß nicht, daß sie alle Arbeit verrichtet hat. Sie entsinnt sich nur einiger ferner, gemurmelter Worte, des Topfgeraffels und des Ge- räusches der Meffer und Gabeln. Aber eins weiß sie, ein Gefühl beherrscht alle anderen: zwei warme, weiche Lippen auf ihrem Mund. Ihr Gesichtsausdruck spiegelt diese Empfindung wider; er strahlt noch von dem Wunderbaren, das ihr geschehen ist. Plötzlich steht die Hausfrau vor ihr und starrt sie an mit ihrem scharfen, forschenden Blick. Aber Sara ist beute so merkwürdig stark; sie fühlt, es sitzt etwas in ihrer Brust, das sie verteidigt, und daher blickt sie frei- mutig auf. .Und Du schämst Dich nicht?" ruft die Wiesenhofbäuerin. »Warum sollte ich das?" Die Milch vergießen und mit den Mannsleuten dumme Possen treiben ja, das sind wirklich saubere Mädchen heutzutage!" Sara schüttelte leicht den Kopf und betrachtete die Bäuerin beinahe mit einem nachsichtigen Lächeln, weil diese nicht versteht, daß das, was Sara erlebt hat, etwas ganz anderes ist. Wieder schaut Mären sie an, als wollte sie sie in die Knie zwingen: »Du bist eine alberne Närrin, wie die anderen!" Aber es macht keinen Eindruck auf Sara. Das ist das Sonder- bare. Wäre das an einem anderen Tage geschehen, sie wäre dadurch zu Boden gedrückt worden. Aber es ist, als hätte dieser Kuß ihre Seele gereinigt, so daß kein giftiges Wort auf sie wirken kann. Und dann ist ihr auch, als sei alles andere in den Hintergrund getreten im Verhältnis zu diesem einen. Die Wiesenhofbäuerin verliert die Geduld:> »Wer sollte wohl glauben, daß eine, die so unschuldig auS- sieht, so frech sein könntet" Worauf sie zornig davongeht. Sara ist gar nicht niedergeschlagen; es verdrießt sie nicht ein- mal. Sie begreift selber nicht, daß sie ihrer Hausmutter gegen- über, vor der sie doch einen so großen Respekt hat, so sein kaM. Aber ihre Augen leuchten, und wenn jemand eine Ahnung hätte, welch ein Herrliches ihr, Sara, heute widerfahren ist, so würde niemand solch böse Worte gebrauchen. Thor öffnet die Tür mit der Schnauze und schlendert über den Fußboden auf der Suche nach einem guten Bissen. Sara hat sich mit dem Hund angefreundet und streichelt ihn. Sie dreht an seinen Ohren, daß Thor, der an ihr emporgesprungen ist, sein großes Maul mit der hellroten Zunge auftperrt. Sie ver» gräbt den Kopf in seinen Pelz und knirscht dabei mit den Zähnen. Tann drückt sie ihn fest an sich. So spielen sie miteinander im Brauraum, wobei der Hund vergnügt knurrt und Sara lacht.