Lärm von heftigen Auseinandersetzungen. Die Freunde Gallardos hielten für angebracht im Namen ihres Abgotts Erklärungen zu geben. Er ist ja noch leidend und hätte noch nicht auftreten sollen. Da, das Bein, sehen Sie es nicht? Und so ging es fort. Die Tücher der beiden Leute aus seiner Truppe unterstützten den Espada bei seinen Pas. Die Bestie bewegte sich, betäubt zwischen den beiden roten Tüchern, und kaum stürzte sie gegen das Scharlachtuch Gallardos vor, wurde sie auch schon von der Capa des einen oder des anderen Toreros weit weggelenkt. Als ob er schnell aus dieser Lage befreit sein wollte, faßte Gallardo festen Fuß und stürzte sich, den Degen hoch, auf das Tier. Ein mißfälliges Gemurmel wurde hörbar. Der Degen war höchstens bis zu einem Drittel seiner Länge einge- drungen und bog sich hin und her bei den Bewegungen des Stiers, als wollte er aus dem Hals herausfliegen. Gallardo hatte sich vorsichtig vor den Hörnern zurückgezogen, ohne den Degen bis zum Griff hineinzustoßen, wie es sonst seine Ge- wohnbeit war. „Das war gut gestochen!" schrien seine Anhänger, indem sie auf den Degen zeigten und heftig applaudierten, um durch den Lärm die Geringheit ihrer Zahl auszugleichen. Die Sachverständigen lächelten mitleidig. Der Mensch war im Begriff, das einzige zu verlieren, das ihn bemerkens- wert macht: seinen Mut, seine Dreistigkeit. Sie hatten ge« sehen, wie er instinktiv den Arm zurückgezogen, als er nach dem Stiere stach, und wie er sein Gesicht abgewandt hatte, unter dem Einfluß des Schreckens, der den Menschen zwingt, von der Gefahr wegzuschauen. lgortsetzung folgt.£ (JJafflSrud d«vot«U io] Sara» Die Geschichte einer Liebe. Von Johan Skjoldborg. — Berechtigte Uebersetzung aus dem Dänischen von Laura Heidt. S. Die Maisonne überflutete das Land rings um den Wiesenhof herum. Unaufhaltsam wälzte sich eine Lichtwoge nach der anderen über die Gegend, und die Erde trank und trank unersättlich, weil sie ein halbes Jahr lang in Kälte und Winterstarrheit dagelegen hatte. In der Talsenkung, südlich vom Hofe, stand eS ganz gelb von Dotterblumen, die die Wurzeln in den feuchten Boden gruben und das ganze Himmelslicht und die DZärme in sich aufsaugten. Die Gänsewiese dicht am Hofe war über und über besät mit Gänseblümchen , die wie tausend Sterne funkelten. Die grünen Spitzen des Winterroggens dehnten und reckten sich, und der Klee ward dicht und breit auf den langen Feldern. Es war fast, als sähe man die Blätter sich dehnen und wachsen. Die Sonne lockte überall Leben hervor, nichts konnte widerstehen. Es ist ein Tag, der die Menschen froh macht, denn nun wissen sie, daß es auch in diesem Jahre wieder Sommer wird. Der Alte drüben in Vadgaard ist zum ersten Male draußen. Er ist nach der Ostseite gekrochen, wo für ihn eine Bank steht. Dort sitzt er nun mit wackelndem Kopf in der Sonne und blickt hinaus über die Strandwiesen und die Seegelboote des Fjords. Niels, der Wiesenhofbauer, hat ebenfalls seinen Sitz am Wchnstubentisch verlassen. Er schreitet bedächtig über die mit Frühjahrssaat bestellten Felder,— langsam, weil er den Anblick der ersten bräunlich-grünen Sprossen, die zwischen den Furchen hervorlugen, genießen will. Dann und wann dreht er sich um, beobachtet, wie die Lichtwellen unaufhaltsam sich ergießen und wie Wehl die Ernte in diesem Jahre ausfallen wird. Und die samenerfüllte Luft hallt wieder vom Gezwitscher und Tirilieren der kleinen Vögel, die hin und her schießen und auf und ab in ihrer Freude nicht wissen, auf welchem Flügel sie gleiten sollen. Es ist wirklich Frühling. Es steht eine Reihe von Kirschbäumen am äußersten Ende des jWiesenhofgartens; sie sind weiß von Blüten, die wie weiße Schleier über den Zweigen hängen. Dahinter sieht man im Garten zwei Geldilten Wäsche aufhängen; es find Sara und Boel. Man hört auch ihre Stimmen. Sara lacht viel, und ihr Gelächter ist voller Freude. Nachdem Boel sich entfernt hat, wird es still, aber nur einen Augenblick. Sara beginnt zu singen, erst leise, dann lauter, als müßte sie ihren Gefühlen Luft machen. Zuletzt stimmt sie an aus voller Brust, daß die Töne durch das Laub klingen. Und es liegt Frühlingsjubcl in ihrem Gesang. Anders ist vom Osten um den Hof herumgekommen; er horcht und schreitet am Gartenwall entlang durch einen Wald von Klettenblättern und Schierling , die hier üppig wuchern. Er flötet zweimal auf bestimmte Weise, und sofort zeigt sich Saras Antlitz inmitten der jungfräulichen Blütenschleier der Kirschbäume. Sie sieht so jung und frisch aus, ihre Augen sind so blau. Lud ihr Haar so goldig, daß sie selbst wie eine Frühlingsblume anzu» sehen ist. .Du— Sarai" .Boel kommt gleich zurück!" flüstert sie und lächelt mit blitzen» den Zähnen. Er legt sich flach auf den Wall des Gartens; sie beugt sich vor, und sie küssen sich, während die Maisonne in den Unschuld- weißen Blüten über ihren Häuptern spielt. Aber schon hört man Boel an der Hausecke husten. „Na," sagt Anders laut, als ob dies der Grund seines Kommens fei—„heute sollen die Kühe zum ersten Male aufs Grast" „So das sollen siel" antwortet Boel und tut ganz gleich- gültig. Anders blickt mit vernünftigem Ausdruck in die Luft hinauf, „Ja, es wird jetzt Zeit!" „Es ist wahrhaftig auch Sünde, bei diesem Wetter irgendeinS Kreatur drinnen festgebunden zu halten!" sagte Boel. .Ja, Du hast recht. Wenn Ihr hier fertig seid, wollt Ihr dann in den Hof kommen und uns helfen? Denn wir müssen alle miteinander Hand anlegen; sie sind natürlich ganz wild!" Ja, das würden sie schon tun. Und die Mädchen fanden, eS sei ganz lustig, daß sie sich mit den springlebendigen Kühen be- fassen sollten. Sara summt leise bor sich hin, während sie die nasse Wäsche anklammert. Dann und wann werden die Töne lauter, aber meistens trällert sie nur mit halblauter Stimme; ganz still- schweigen kann sie nicht. Plötzlich ruft Boel:.Wie zum Teufel— Gott verzeih mir daS Fluchen>— hängst Du denn die Hemden auf!" Sara hat ein Männerhemd an den Aermeln angeklammert, anstatt unten an der Naht, so daß es nun wie eine Vogelscheuche hin und her schlenkert. Sara lacht, als hätte sie nie im Leben etwas so Komisches gT- sehen; sie weint geradezu Tränen vor Lachen. .Ach— Du bist wirklich ein dummes Ding, ein Kalb, das bist Du! Gott mag wissen, woran Du nun wieder denkst!" bemerkt Boel gutmütig und lächelt darüber, daß Sara so vergnügt ist. Noch nach einer ganzen Weile, als Sara auf einem Stuhl steht, um hinaufreichen zu können, lacht sie und kommt dabei in Gefahr, hinunterzufallen, weshalb sie aufschreit und mit den Armen um sich schlägt, als seien es Flügel. „Willst Du nicht am Ende gleich davonfliegen, mein kleines Täubchen, bemerkt Boel. Und auch das findet Sara so komisch. Die weiße Wäsche wird inzwischen rasch auf die schaukelnden Schnüre gehängt, die über dem Trockenplatz ausgespannt find. Und immer noch fingt und summt und trällert Sara dabei. .Scheint Dir nun wirklich," fragt Boel einmal,.daß daS Leben so herrlich ist?" „Ja," antwortet Sara oben auf ihrem Stuhl, wo sie schläal und froh und voller Erwartung mitten im Sonnenschein steht.— Es ist ein wahres Fest in einem Bauernhofe, wenn kräftige, gut gefütterte Kühe zum ersten Male im Frühling aufs Gras sollen. Sie stehen drinnen in ihren Verschlügen und werden ganz verrückt von den Frühlingsdüften, die zu ihnen hereinströmen. Sie sind wie berauscht und trippeln hin und her vor Sehnsucht. Und sobald die Stricke gelockert werden, springen sie in tollen Sätzen davon, daß es in den Klauen knackt. Die erste, die Sören, der Großknecht, herausführt, ist sehr manierlich; es ist die Aelteste des Stalles. Mit der, meinen sie, wird wohl der Junge losziehen können. Plötzlich schlägt sie in- dessen die Hinterbeine in die Luft und rennt im Galopp davon. .Die sollte sich schämen, das sollte fiel So ein altes Ding mit ihrem Hängebauch I" sagt Boel. Sara steht bereit, die nächste zu empfangen, aber da eS big große Bleßkuh ist, will Anders es nicht zugeben. Für die wird er schon selber sorgen. Boel verzieht bei dieser Veranlassung spöttisch die Mundwinkel und pustet leise. Die Bleßkuh ist schwer, wie ein Stier; sie prustet vor Stärke, Mit berauschtem Blick steht sie da und geifert und brummt, während Sören ihr daS Klappholz umtut. Die warme Sonne kitzelt ihr den Rücken, daß sie mit dem Schwänze um sich schlägt. Anders befestigt schon den Ring am Tüder und will eben gehen, aber noch ehe sich jemand dessen versieht, schlägt die Bleß- kuh den Kopf zurück und macht einen Satz, daß ihm das Tüder auS der Hand fliegt. „Das war großartig!" murmelt er. Boel hat indessen den Strick ergriffen, und Nun traben fi? miteinander immer rings im Kreise, Boel und die Bleßkuh. „Paß auf, Boel, daß nur keiner von Euch Schaden nimmt!'' ruft Maren, die Bäuerin, laut über den Hof hinüber; sie führt die Oberaufsicht. „Pack sie am Maul!" ruft Anders. Aber Boel ruft zurück, daß sie schon mit solchem Bürschchcn fertig werden wird. Sie strafft das Tüder und schlägt sie an den Kopf, daß sie mit den Augen blinzelt und dabei rückwärts mit ihr läuft; sie gleitet wie auf Eis.
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27 (15.6.1910) 114
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