mehr nach. Das Dümmste ist, wenn ein ehrlicher Christ stch don diesen Weibern unterkriegen läßt. Ein Mann muß sich Achtung verschaffen." � Er bewunderte treuherzig die Skrupellosigkeit dieser Burschen, die davon lebten, die Illusion der durchreisenden Ausländerinnen zu brandschatzen und bedauerte sich selbst wegen seiner Schwäche einem gewissen Weibe gegenüber. Zu diesen Zerstreuungen, die ihm sein Verkehr mit diesen Stierfechterlingen verschaffte, gesellte sich noch die Kletten- haftigkeit eines gewissen Enthusiasten, der ihn mit Ansuchen verfolgte. Es war ein Schenkwirt aus den Ventas, ein Ga- lizier, ein kurznackiger, rotwangiger, muskulöser Mann, der «s mit seinem Lokal draußen vor der Stadt, wo Sonntags Dienstmädchen und Soldaten tanzten, zu einem kleinen Ver- mögen gebracht hatte. Er hatte nur einen Sohn, und dieser, klein und schwäch- lich, war von seinen? Vater dazu ausersehen, eine der größten Leuchten der Stierfechterei zu werden. Der Kneipwirt, ein großer Anhänger von Gallardo wie von allen berühmten Espadas, hatte es so entschieden. »Der Junge hat Anlagen", sagte er,„Sie wissen, Don Juan, daß ich etwas von diesen Dingen verstehe. Ich ver- wende ein Kapital daran, um die Kosten seiner Karriere zu bestreiten, aber er muß einen Beschützer haben, wenn er vor- wärts kommen soll, und niemand taugt besser dazu, als Sie, Don Juan. Ach, wenn Sie eine Novillada leiten wollten, wo der Junge als Matador auftreten könnte! Es würde ein ungeheueres Publikum herbeiströmen und ich würde für die Kosten aufkommen." Die Bereitwilligkeit,„für die Kosten aufzukommen," die den Jungen in seiner Laufbahn unterstützen sollte, hatte dem Wirt schon große Verluste gebracht. Aber er fuhr fort, die Mißerfolge nicht zu beachten, in der sicheren Voraussicht auf enorme Gewinne, wenn sein Sohn erst wirklich Matador war. Der arme Bengel, der in seinen jungen Jahren wie jeder andere Knabe seines Alters für Stierfechterei geschwärmt hatte, sah sich jetzt als Gefangenen des väterlichen Größen- Wahns. Dieser glaubte ernstlich an die außerordentlichen An- lagen seines Sprossen und wollte jeden Tag neue Fähigkeiten an ihm entdecken. Seinen Kleimut hielt er für Faulheit und seine Aengstlichkeit für Mangel an Ehrgefühl. Ein Schwärm von Schmarotzern, von berufslosen Aficionados, von obskuren Toreros, die nichts weiter aus ihrer Vergangenheit herüber- gerettet hatten als ihren Zopf, umgab den Schankwirt zu jeder Stunde, indem sie gratis tranken und obendrein ihn anpumpten, wofür sie ihm dann Winke und Ratschläge im Ueberfluß gaben. Alle bildeten mit dem Vater zusammen eine beratende Versammlung, die keinen andern Zweck hatte, als den, der Welt den im Dunkel der Ventas verhüllten Stern der Stierfechterei bekannt zu machen. Ohne seinen Sohn weiter um Rat zu fragen, veran- staltete der Schenkwirt Stiergefechte in den Arenen von Tetuan und Vallecas. indem er selbstverständlich immer für die Kosten auskam. Diese Arenen standen immer zur Ver- fügung aller derer, die den Wunsch hegten, vor den Augen einiger hundert Zuschauer von einem Stier auf die Hörner genommen oder unter die Füße getreten zu werden. Aber die Hiebe und Verletzungen waren nicht unentgeltlich. Um die Ehre zu genießen, sich blutbedeckt, mit zerrissenen Hosen in dem Mist der Arena zu wälzen, mußte man den Wert der Zuschauerplätze im Voraus bezahlen, und der Stierfechter oder sein Vertreter sorgten für den Absatz der Eintrittskarten. Der begeisterte Vater besetzte die Plätze mit seinen Freunden, indem er die Karten unter seine Berufsgenossen und die unbemittelten Aficionados verteilte. Außerdem honorierte er großmütig die Mitglieder der Cuadrilla seines Sohnes, die sich aus den sich auf der Puerta del Sol herum- treibenden Vagabunden zusammensetzte. Diese traten im ge- wohnlichen Straßenanzug auf, während sein Sohn in einem blendenden Matadorenkostüm prangte. Alles für die Lauf- bahn des Jungen! „Er hat ein neues Prachtkostüm, das der beste Schneider, der auch Gallardo und andere Matadore kleidet, gemacht hat; es hat mich seine 7000 Realen gekostet. Ich meine, daß der Junge damit drauflosgehen kann. Außerdem, wenn etwas fehlt, bin ich ja noch da; ich bin im stände, die letzte Peseta herzugeben, nur damit er Karriere macht. Ha, wenn mancher einen solchen Vater hätte!..." Während der Vorstellung blieb der Schenkwirt zwischen den Barrieren und feuerte seinen Sohn durch seine Anwesen- heit und mit einem dicken Knüppel an, den er nie aus der Hand ließ. Wenn sich der jugendlichß Matador einmal am Plankenzaun ausruhte, sah er wie ein Schreckgeknld das paus» bäckige gerötete Gesicht seines Vaters und den Knopf des dicken Stocks vor sich. „Geb' ich dafür mein gutes Geld aus? Damit du dir Luft zusäck)elst wie ein Mamsellchen? Hab' Ehrgefühl im Leib, du Schuft. Tritt in die Mitte des Platzes und leist' was Anständiges. Ha, wenn ich dein Alter hätte und nicht so schwerfällig wäre!" Wenn der Junge mit Degen und Tuch vor dem Stier- kalb stand, kreidebleich und beinschlotternd, folgte ihm der un- erbittliche Blick des Vaters auf Schritt und Tritt von der Barriere aus. Der Examinator verlor ihn nie aus den Augen, bereit, die geringste Nachlässigkeit mit der ganzen Wucht seiner Strenge zu ahnden. Was der arme Held in seinem rotseidenen goldbesetzten Anzug am meisten fürchtete, war die Rückkehr nach Hause, wo der Vater die Stirn runzelte und sich unzufrieden zeigte. Den bunten, funkelnden Mantel umgeworfen, um die Fetzen des aus den Rissen der Hose hervorlugenden Hemdes zu verhüllen, betrat er mit zerschlagenen schmerzenden Gliedern die Schenkstube. Seine Mutter, eine bärtige und knochige Frau, lief mit offenen Armen auf ihn zu, aufgeregt durch das lange Warten während des ganzen Nachmittags. „Hier hast Du diesen Schweinekerl— brüllte der Vater. Er hat sich wieder niederträchtig benommen. Teufel noch- mal, und dafür werfe ich das Geld hinaus!..." Und jäh- zornig erhob er den schrecklichen Knüppel, während der Held in Seide und Gold, der eben erst zwei kleine wilde Bestien besiegt hatte, zu fliehen versuchte und das Gesicht im Arm verbarg. Die Mutter legte sich ins Mittel. „Aber siehst Du denn nicht, daß der Bube verwundet ist? Verwundet?" schrie der Vater mit bitterem Hohn und bedauernd, daß dem nicht so war.„Wunden sind für die rieh»- tigen Toreros. Vernäh' ihm die Hose und sorg' dafür, daß sie gewaschen wird. Du wirst schon sehen, wie das Ferkel sie zugerichtet hat!" Aber nach wenigen Tagen schon hatte der Alte das Ver- trauen zurückgewonnen. Einen unglücklichen Tag hatte ja selbst große Matadore vor dem Publikum so schlecht wie sein Junge abschneiden sehen. Nur vorwärts in der Karriere! Und er veranstaltete neue Corridas in den Arenen von Toledo und Guadalajara , wobei Freunde von ihm sich zur Unter- nehmung hergaben und er natürlich wie immer für die Kosten aufkam. Eine Novillada in der großen Madrider Arena gc- staltete sich, wie der Wirt behauptete, zu einer der besten, die man je gesehen hatte. Durch einen glücklichen Zufall gelang es dem Matador, zwei kleine Viecher halbwegs abzustechen, und das Publikum, das zum größten Teil freien Eintritt ge- habt hatte, applaudierte mächtig. lgonjevung folgt.I CRacotmia 15] Die Geschichte einer Liebe. Von Johan Skjoldborg. — Berechtigte Nebersetzung aus dem Dänischen von Laura Heidt. Es entsteht eine schwüle Paus«. Dann sagt Sara:„Es ist un- glaublich, wie ihr beide heute miteinander schön tatet!" Es ist Bitterkeit im Klang ihrer Stimme, und doch zittert sie vor Zärt- lichkeit, weil er ihr so nahe ist. „Tscha, wir sind nun doch mal Geschwisterkinder, und— äh— wir müssen doch aufpassen, daß Mutter nichts von dem entdeckt, was wir miteinander haben, und— äh— stehst du— dann könnte sie glauben, es sei die andere." „Ja, aber deine Mutter muß es ja doch einmal zu wissen kriegen." „Selbstverständlich— he— e!" „Wenn du sie aber nur durch das Wäldchen gebracht hast» wo warst du denn so lange, Anders?" Sie erhebt sich halb. Ja, nachdem er nun einmal so weit gekommen, da sei er, satzt er, zu den Freunden nach Kratholm gegangen, und da hätten üe dann angefangen Karten zu spielen, sagt er. Er kommt auf sie zu und drückt warm ihre Hand. Und da hat Sara alles vergessen, was sie noch sagen wollte. Sie weiß von nichts anderem mehr, als daß er jetzt hier— bei ihr ist. Und sein Haar ist voll Tau, und seine Lippen sind so frisch. Nach einer Weile hebt sie den Kopf und sagt:„Anders, mir ist, als hörte ich jemand!" Jetzt horcht auch er, sagt aber, es sei nichts. „Doch, Anders, da ist etwas!" »Es sind am Ende Säten und Boel," bemerkt er und kichert,
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27 (22.6.1910) 119
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