Daß Sie derselbe sind, bezweifle ich gar nicht, aber für mich find Sie doch ein anderer. Wie soll ich Ihnen das erklären? In London lernte ich einst einen Rajah kennen. Wissen Sie, was ein Rajah ist?" Gallardo schüttelte verneinend den Kopf und errötete über seine Unwissenheit. „Es ist ein indischer Fürst." Die frühere Botschafterin besann fich auf den hindosta- nischen Magnaten, sein kupferfarbenes Gesicht, beschattet von dem schwarzen Schnurrbart, seinen mächtigen Turban, mit einem großen leuchtenden Brillanten an der Stirnseite, auf die feinen weißen Schleier, die sein Gewand bildeten und feinen Körper verhüllten wie die Blätter einer Knospe. „Er war schön und jung, er betete mich an mit seinen großen Augen, die so geheimnisvoll wie die eines Waldtiers schauten, und trotzdem fand ich ihn lächerlich und spottete über ihn, wenn er mir auf Englisch eine seiner orientalischen Schmeicheleien sagte... Er zitterte vor Kälte, die feuchten Nebel brachten ihm Husten, und unter dem Regen trippelte er wie ein Vogel: die feuchten Schleier hingen traurig wie naßgewordene Flügel... Wenn er mir von Liebe sprach, indem er mich mit seinen schimmernden Gazellenaugen an- blickte, erweckte er in mir die Lust, ihm einen Ueberzieher und eine Mütze zu kaufen, damit er nicht mehr friere. Und trotzdem bekenne ich, daß er schön war, und einige Monate hätte er eine auf Außerordentliches begierige Frau glücklich machen können. Es fehlte aber die richtige Umgebung, die Stimmung, das Milieu. Na, Sie, Gallardo, wissen nicht, was das ist." Und Donna Sol blieb nachdenklich, sie sah wieder den armen Rajah vor sich stehen, zitternd vor Kälte und in den eigentümlichen Gewändern, die Londons graue Atmosphäre so lächerlich erscheinen ließ. Sie stellte sich ihn vor in seinem Reich, wie umgewandelt durch die Majestät seiner Macht und Herrlichkeit und das blendende Sonnenlicht. Sein kupfer- braunes Gesicht, unter dem grünlichen Widerschein der tropischen Pflanzenwelt, nahm die Tönung einer vom Edelrost angelaufenen Bronze an. Sie sah ihn thronend auf seinem Paradeelefanten, mit langen goldenen Schabracken, die den Boden fegten, umgeben von kriegerischen Reitern und von Sklaven, die Weihrauchbecken schwangen. Der große Turban krug lange, weiße Federn und war mit kostbaren Steinen be- setzt, auf der Brust funkelten brillantbesetzte Platten, um die Hüften schlang sich ein Gürtel von Smaragden und davon hing ein Krummschwert mit goldenem Griff herab. Tänze- rinnen mit bemalten Augen und prallen Brüsten, gezähmte Tiger, ein Wald von starrenden Lanzen, und im Hintergrund Pagoden mit unzähligen übereinander gestaffelten Dächern und Glöckchen, die beim leisesten Windhauch flüsternde Weisen aushauchten: stille, geheimnisvolle Paläste, dichte Gebüsche, in denen wilde, vielfarbige Tiere krochen und hüpften, das alles bildete die magische Dekoration, in die sie den Rajah ge- wünscht hätte. Wenn sie ihn so geschaut hätte, herrlich wie ein Gott unter dem Glanz eines wolkenlosen, grellblauen Himmels, so wäre es ihr nicht eingefallen, ihm einen Ueber- zieher verehren zu wollen. Sie war sicher, daß sie dann von selbst in seine Arme geflogen wäre, um sich ihm wie eine Liebessklavin hinzugeben. l Fortsetzung folgt. I (Naqdru-l tertous.} i7z Sara. Dt'e Geschichte einer Liebe. Bon Johan Skjoldborg. — Berechtigte Uebersetzung aus dem Dänischen von Laura Heldt. Sara blickte ringsum. Sollte Anders ihr heute abend nicht ent- gegengehen? Er war neulich so lieb; er hatte sie aufgesucht; er wollte augenscheinlich den schlechten Eindruck verwischen. So weich und gut war er gewesen, so, wie Sara ihn am liebsten hatte. Und die schönsten Worte hatte er ihr gesagt... Aber da waren nun diese Mädchen.— Ach ja! Es war kein Wunder, so nett, wie er aussah. Troß alledem liebte er nur sie allein, davon war sie überzeugt. Kam er, dann würde»s wohl ungefähr um diese Zeit sein. Er wußte, daß sie nach Hause gegangen war, und in wenigen Tagen sollte er reisen. Diese Reise war ungeheuer schnell beschloffen worden. Es war ihr, als bewege sich eine Gestalt in einiger Entfernung zur Rechten; nun ging sie hinunter in den Hohlweg. Also den Weg hatte er genommen. Sie lief eine Strecke zurück und beeilte fich, um ihn an der Biegung des Weges zu treffen. Aber er war es gar nicht. Der Wind umfängt sie von allen Seiten und saust ihr um die Ohren, wie immer sie auch den Kopf wenden mag. Das Wetter führt Böses im Schilde, als könne es losbrechen von mehreren Seiten. Sie beschleunigt ihre Schritte. Dann und wann fährt sie mit einem Ruck zurück; es stehen dort so viele Wüsche und anderes, das man am Abend verwechseln kann. Sie beugt sich wohl auch einmal vornüber, versucht jedoch schneller und immer schneller vorwärts zu kommen, als rolle das Blut immer rascher in ihren Adern. So schnell wie der Entschluß gefaßt worden war, ihn auf die landwirtschaftliche Schule zu schicken I Sie wußte wohl, wer die Schuld trug an dieser Reise... Aber da ist er ja? Gerade wie sie in die Allee einbiegen will, sieht sie ihn vom Hofe her kommen. Freude erfüllt ihr Herz, und es saust ihr vor den Ohren. Sie versteckt sich hinter einen Baum, sie will ihn bange machen. Sie lugt seitwärts hervor, da ihr ist, als dauere es gar zu lange,— und— da schreitet er quer über die Felder hin auf Bad- gaard zu. Gott im Himmel— wo will er denn hin! Sie folgt ihm. Sie will ihn anrufen, seinen Namen nennen. Sie will zu ihm hingehen, seine Hand ergreifen, ihm sagen, wie verkehrt dieses hier ist. Aber sie bleibt stumm; sie folgt ihm nur. Richtig— er geht hinein in den Garten von Vadgaard. Mein Himmel, was wird sie noch erleben! Sie geht mitten durch eine Dornenhecke hindurch, die sie verwundet, ohne daß sie etwas davon merkt. Und sie kommt und sieht, wie ein Fenster ge- öffnet wird und er da hinein verschwindet. Es ist nichts mehr zu sehen. Sie macht eine heftige Bewegung; es ist, als fließe etwas über in ihrem Innern. Sie eilt dem Wiesenhofe zu. Aber nachdem sie eine Strecke gegangen ist, wird sie so traurig, so verzagt. Das Leben ist so schwer und so trostlos. Ihr wird so angst. Vielleicht kommt noch mehr. Sie will nicht nach dem Hofe; sie hält in der Allee inne. Sie will nicht mehr dort hinein; sie will fort von all diesem. O wie es in den Pappeln rauscht; sie fürchtet sich. Der Sturm fährt durch die hohen Bäume, es ist keine Gnade. Zorn und Drohungen rauschen die Kronen über ihrem Haupt; so bös wie das klingt. Da setzt sie sich an den Grabenrand und wehrt den hervor- brechenden Tränen nicht, läßt die Sorge Besitz ergreifen von ihrem Gemüt... 12. Sara spricht nicht mehr mit Anders. Und wenn sie ihn aw> blickt, so nur aus der Ferne und so traurig. Ihre Augen ftinkeln nicht mehr hinein in die schöne Welt. Ihr Blick ist fern, nach innen gekehrt. Sie geht vornübergebeugt, als trüge sie etwas Schweres in der Brust. Aber noch einmal lebt sie auf und strahlt einen Augenblick. Das ist an dem Tage, an dem Anders reisen soll. Sie ist hineingeflohen in ihre Kammer, wo sie mit pochendem Herzen sitzt, während Anders seine Kiste hinausträgt auf den Wagen; die letzte Unruhe vor dem Abschied geht durch den Wiesenhof. Ohne fich um die Mutter oder irgend jemand zu kümmern, tritt Anders in ihre Kammer hinein, um ihr Lebewohl zu sagen. Und wie er nun da so reisefertig vor ihr steht, mit seinen blonden Locken und den milden Augen, da durchfährt es Sara heiß. Sie wirst sich an seinen Hals und preßt ihn an sich. Sie weiß, es ist zum letzten Male. --- Der Wagen rollt zum Tor hinaus. Und ihr scheint, sie hat noch nie etwas so brutal Lärmendes gehört wie diesen Ton. Er geht ihr durch Mark und Bein, als gingen die Räder über ihre eigenen Glieder hinweg. Aber sie muß hinaus, an ihre Arbeit. Boel kichert bei ihrem Anblick. Aber Sara ist es ganz gleichgültig. Es kümmert sie nicht. Ihre Gedanken weilen bei ganz anderen Dingen. „Du solltest wirklich Deine Augen unserem neuen Knechte zu. wenden: er mag Dich gerne leiden, glaube ich, hihil" Das ist für Sara eine fremde Sprache. Die Wiesenhofbäuerin geht oft an ihr vorbei und beobachtet sie jedesmal genau. Aber Sara merkt es nicht einmal. Ein Vorhang schließt sie von ihrer Umgebung ab. Und als sie sich abends schlafen legt, seufzt sie mit geschlossenen Augen so tief, als berge sie eine schwere Erinnerung, die sie wird mit fich herumtragen müssen bis an ihr Lebensende. ia. Eines Sonntagsnachmittags sitzt Sara in ihrer Kammer und blickt hinaus auf die Bäume. Sie trägt ihr Sonntagskleid: einen dunklen Rock und eine schwarzweiß karierte Bluse mit schwarzem Samtkragen. Lose hängt das dürre, gelbwelke Laub an den schwarzen Zweigen. Ein stiller Regen fällt hernieder auf den verblühten Garten; Wasserperlen funkeln an den Nadelspitzen der Edeltanne,
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27 (24/06/1910) 121
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