486 hörigen, die die Einzigen seien, die ihn aufrichtig liebten. Sie könne ihre Ruhe nicht wiederfinden: sie habe jetzt mehr Furcht. als in den ersten Jahren ihres Ehestandes, da die Stiergefechte ihr wie Fetzen ihres Lebens vorkamen, die ihr durch die Un- ruhe und das ängstliche Warten entrissen wurden. Eine innere Stimme sagte ihr mit jenem weiblichen, sich in seinen Befürchtungen selten täuschenden Vorgefühl, daß etwas Schlimmes bevorstehe. Sie schlief kaum und hatte Furcht vor den mit blutigen Traumbildern erfüllten Stunden der Nacht. Sodann ließ Gallardos Frau in ihren Briefen ihren Zorn am Publikum aus. Es sei ein Haufen Undankbarer, der sich nicht mehr der früheren Taten des Stierfechters er» innere, als er sich kräftiger fühlte: Leute von böser Gemüts» art, die ihn zu ihrem Vergnügen sterben zu sehen wünschten, als sei sie nicht vorhanden, als habe er keine Mutter.Juan, Dein Mütterchen und ich verlangen es von Dir. Tritt zurück. Wozu noch weiter Stiere töten? Wir haben genug zum Leben, und mich schmerzt es, daß Dich jenes Gesindel beschimpft, das weniger wert ist als Du... Und wenn Dir ein neues Un- glück widerführe? Herr Jesus , ich glaube, ich würde den Verstand verlieren!" Gallardo blieb in tiefes Nachdenken versunken, nachdem er diese Briefe gelesen hatte. Zurücktreten! Welche Torheit! Nur ein Weib konnte ihm solches zumuten. So etwas konnte die Liebe leicht eingeben, aber das Ausführen war unmöglich. Den Zopf abschneiden", in einem Alter von dreißig Jahren! Wie würden da seine Gegner lachen! Er hatte kein Recht, sich zurückzuziehen, solange seine Glieder gesund und zum Stier- fechten tauglich waren. Ein solcher Widersinn war nie da- gewesen. Das Geld machte es nicht allein aus. Und der Ruhm? Und der Berufsstolz? Was würden die Tausende und Abertausende seiner enthusiastischen Anhänger und Be- wunderer sagen? Was sollten sie den Gegnern antworten, wenn diese ihnen vorwürfen, Gallardo sei aus Furcht zurück- getreten?... Zudem überlegte der Matador, ob sein Vermögensstand ihm diesen Schritt gestatte. Er war reich und war es auch nicht,©eine finanzielle Stellung war keine gesicherte. Was er besaß, stammte aus den ersten Jahren seiner Ehe, als er sein größtes Vergnügen darein setzte, zu sparen und Carmen und Mütterchen mit der Nachricht von neuen Erwerbungen zu überraschen. Später fuhr er fort, vielleicht in größerem Maßstabe, Geld zu verdienen, aber es verteilte sich und ver- schwand durch unzählige Schlupflöcher, die durch seine neue Lebensweise entstanden waren. Er spielte viel und führte ein glänzendes Leben. Einige Grundstücke, die der weiten Be- sitzung La Rinconada zugefügt worden waren, um diese mehr abzurunden, waren mit Geld gekauft worden, das Don Josd und andere Freunde vorgeschossen hatten. Das Spiel hatte zur Folge gehabt, daß er einige Anhänger in den Provinzen um Vorschüsse angegangen hatte. Er war reich, aber wenn er zurücktrat und dabei die gewaltige Einnahme aus dem Schau- schiel(zweihundert bis dreihunderttausend Pesetas jährlich) einbüßte, mußte er sich darauf beschränken, nach Bezahlung seiner Schulden als einfacher Gutsbesitzer von La Rinconada zu leben, auf Sparsamkeit zu sehen und die Feldarbeiten selbst zu überwachen, da bis jetzt das in den Händen gedungener Personen liegende Gut kaum einen Ertrag aufwies. lFortsetzung folgt.) mct Sara. 18j vsai m. W nsprthd Die Geschichte einer Liebe. von Johan Skjoldborg. Berechtigte Uebersetzung aus dem Dänischen von Laura Heidt. Nachdem Boel sich verschnauft hat, schiebt sie Sara nach Thor- wald hin, daß dieser beinahe vom Stuhl fällt; sie selber umfaßt ihren Sören. Tanz Du mit dem Strohmann," ruft sie dem Jungen zu. Thorwald hat Sara aufgegriffen und hält sie auf den Knien fest. Sie wehrt sich und kreischt und lacht, als wäre das alles so lustig, so lustig. Aber sie macht sich hastig wieder ftei. Dann sagt Boel:Du, Sara, mir scheint. Du hast so lange nicht gesungen!" Nein, das ist gar nicht lange her!" wendet Sara in einem Ton ein, als lege sie Wert darauf, daß das verneint würde. »Leg'mal los!" Ich werd' schon dazu spielen." Thorwald blickt sie ver- langend an. Boel kneift die Augen zusammen:»Du kannst glauben, st« hat eine feine Stimme!" Ich weiß nicht, was ich fingen soll." entschuldigt sich Sara. Es ist ihr unangenehm. Ach was, leg' nur los!" Es wird still. Sara räuspert sich.Das ist solch altes, trauriges Lied." Einerlei. Boel meint, die traurigen find immer die schönsten Es gibt in der Welt viel Kummer und Qual Und viel unerwartete Sorgen; Die Tage der Jugend, sie schwanden zumal, Wo man lebte dem Heut nur und Morgen. r> Ich bitt' Euch, Ihr Freunde, lauscht meinem Wort, Das Lied meiner Seele, es töne fort! Gedanken zur Heimatsscholle wohl eilen. Wir ließen Vater und Mutter so früh, Um dienend stets unter Fremden zu weilen, Wo wir ihnen schafften viel Kummer und Müh; Denn der Kindheit Sorgen sind klein, im Vergleich Zu den spätern, an denen das Leben so reich. Sara hält plötzlich inne und beugt hastig den Kopf auf die Arme; ihr Rücken hüpft auf und ab, und die anderen wissen nicht, ob sie weint oder lacht. So liegt sie eine Weile. Dann sagt Boel:Ich bin meiner Seel' bange, daß die Krämpfe das Mädel gepackt haben." Aber Sara blickt auf. streicht das Haar zurück und trocknet die Augen. Dann sagt sie mit vorzüglich geheucheltem Gleichmut, daß ihr etwas Komisches eingefallen sei und da habe sie das Lachen nicht lasten können. Boel sagt:Ja, Ihr seid wirklich alberne Gänse, Ihr jungen Mädchen heutzutage uno dann ist es wohl bester, wir hören jetzt auf; denn unsere Leute werden nun bald da sein." Sobald Sara allein in ihrer Kammer ist, atmet sie so tief und erleichtert auf, als wäre sie fest eingeschnürt gewesen und nun davon befteit worden. Sie wirft sich auf das Bett. Ach was sollte aus alledem werden? Jetzt fängt sie wohl erst an zu wissen, was das Leben ist. Doch ihr Geheimnis soll ihr niemand entreißen. Dann würde eS wohl erst recht losbrechen. 14. Allmorgendlich, wenn Sara aufsteht, schnürt sie sich zu einer schlanken Figur zusammen, und sie geht umher, als hätte sie einen steifen Rücken. Aber arbeiten tut sie für zwei; für ihre Leistungsfähigkeit gibt es keine Grenzen. Sie ist geradezu versessen auf Arbeit. Die Wiesen Hofbäuerin sagt auch zu Niels, daß sie dergleichen noch nie gesehen hat. Ja, sie ist ein lebendiges Frauenzimmer", seufzt er. Und sie singt und trällert. Auch Boel findet, daß sie ein flinkes Mädchen ist. Eines Tages sagt sie:-Mir scheint. Du kriegst solch gewaltigen Umfang!" HaHaHa!" lacht Sara in ganz hohen hellen Kehllauten und wirft den Nacken zurück.Du bist wohl nicht recht gescheit!" Ja, dann bist Du, meiner Treu, wohlgenährt!" Sara beginnt zu flöten; das hat sie sich in der letzten Zeit angewöhnt. Wenn ich Dir jetzt beim Abwaschen helfe, kannst Du dann den Rest alleine besorgen?" Ach, das zählt für Sara gar nicht mit. Ja. denn ich möchte doch gerne hin und nach den Jöljren sehen; das tue ich alle Weihnachten. Du kannst ftoh sein, Sara, daß Du noch keine Kinder hast." Ha! ha! Woher sollte ich denn die nehmen?" Boel geht bald, und Sara rst ftoh, sie losgeworden zu sein. Etwas später fährt Sören. der Großknecht, den Bauer und vi« Bäuerin fort zum WeihnachtSfest, nun sind die auch fort. Welche Erleichterung. Thorwald und sie sind allein zu Haufe, und er findet sich gleich bei ihr ein. Aber Sara stellt sich so verdrossen und übelgelaunt, wie ihr nur möglich ist, und das ist gar zu beschwerlich für Thorwald. Da- her wird er ihrer Gesellschaft überdrüssig und geht ebenfalls. Gott sei Dank! Jetzt ist sie alle loS. Run kann sie wirklich'mal sie selber sein, ordentlich'mal ausatmen in langen Zügen und sich gehaben wie sie will, jetzt, wo sie die anderen los geworden ist, die umhergehen und sie so sonderbar anblicken, scheint ihr, und Andeutungen machen, meint sie, und oh, wie diese Ruhe wohltut! Sie setzt sich ins Wohnzimmer in den Schaukelstuhl, und im selben Augenblick fallen ihr die Augenlider zu. Aber in ihrem Kopfe arbeitet es. nlloiL/ Soras Backenknochen treten mehr hervor als söllsL diwv die Vertiefungen unter den Augen sind markanter, dunkle�, mpnahe bräunlich. Im übrigen ist die Haut gelblich-grau. Unö die HeMo. die die Lehne des Schaukelstuhls umklammert, ist m'äger mjt straffen Adern. Ihre Zähne jedoch schimmern noch eben so weiß zwischen den