halbgeöffneten Lippen, fite toi find Sie die Mehlbeeren des Weißdorns zwischen dem welken Laub. Sara wendet den Kopf zur Seite. Was hat sie nur ver- brachen, um so viel leiden zu müssen? Sie will einmal ganz ruhig nachdenken. Sie hat geliebt! Noch nie hat ihre Brust ein reineres Gefühl beherbergt. Und sie kann sich auch nichts Herrlicheres vorstellen als den Sommer, 0er vergangen ist. Und daraus.kann so viel Unglück entstehen. Sie hat etwas getan, das sie nicht durste. Jetzt sieht sie ein: wäre das nicht geschehen, dann wäre dies letzte nicht über sie ge» kommen. Hier ist augenscheinlich ein Zusammenhang gleich wie die Nacht dem Tage folgt. Also: sie hat ihr eigenes Interesse vergessen über dem Größten, das ihr im Leben begegnete. Sie ballt die Faust und nimmt alle Kraft zusammen, um dies zu durchdringen, um den rechten Weg im Nebel zu finden. Aber sie kommt zu keinem anderen Ergebnis, als daß das lln» Wetter, das sich über ihrem Haupte zusammenzieht, grausam ist. Und sie fühlt, daß sie es nicht wird ertragen können. Aber wohin soll sie fliehen... Sie weiß, sie hat geliebt! Sie liebt ihn noch immer! Diese Liebe in ihrem Herzen ist gleich der Sonne, welche scheint, wenn sie will, und nächtliches Dunkel verbreitet, wenn sie will. Sie liegt außer dem Bereich menschlicher Macht. Sie steht auf und geht unruhig umher. Daher ist sie ihr ja preisgegeben. Sie weiß nicht, wohin sie sie führen wird oder was ihrer noch wartet in Zukunft ob der Tag sie ergreifen wird oder die Nacht.   Sie schraubt die Lampe hoch. Ihr ist, als kratze eine Katze an der Küchentür; beim Oeffnen findet sie nichts, aber hu! wie dunkel es draußen ist. Sie zündet die Küchenlampe an. Dann find aber noch daS Brauhaus und die Räume rings- umher da. Es ist, als wolle die Dunkelheit sich auf sie stürzen. Sie hängt eine Laterne im Brauhaus auf. In ihrer eigenen Kammer zündet sie eine Handlampe an. Sie macht Licht überall. Sie kann die Dunkelheit ringsum nicht leiden. Und dann geht sie von einem Raum in den anderen und sieht nach, ob die Lichter überall brennen. DaS beruhigt sie, scheint ihr. Nachdem sie lange im Wohnzimmer hin. und hergewandert ist, steht sie plötzlich still und ruft heftig mit hocherhobenem Kinn: Nein niemals!" Dann setzt sie sich und seufzt tief. Den Wind hört sie jetzt ununterbrochen. Er scheint auch an Stärke zuzunehmen, poltert über die Dächer, braust durch die Bäume, pfeift durch jeden Spalt. Flaut der Wind ab, dann ist ihr, als rühre sich überall etwas, und sie hat das Gefühl, als käme jemand durch die Tür zu ihr herein. Im Grunde ist es schrecklich, so ganz allein auf einem großen Hofe zu sein zur Abendzeit bei stürmischem Wetter. Sie versucht zu fingen, um den Wind nicht zu hören. Und nachdem sie einmal begonnen, muß sie unausgesetzt singen; denn sobald sie eine Pause macht, klingt der Sturm doppelt unheimlich. Sie wetteifert mit ihm. Sie singt einen Vers nach dem anderen und ein Lied nach dem anderen, alles durcheinander. So fährt sie fort, lange, lange Zeit, und sie hat ein ganz ver- störtes Aussehen. Die Türen zur Küche, dem Brauhause, ihrer Kammer und der Vordiele öffnet sie weit, überall, wo Licht ist. Dann drängt die Dunkelheit sich nicht so dicht an sie heran. Und während der Sturm sich heulend auf die Giebel des Wiesenhofes stürzt, geht sie ruhelos von dem einen Raum in den anderen und fingt ununterbrochen: Denn der Kindheit Sorgen sind klein im Vergleich Zu den spät'ren, an denen das Leben so reich. (Schluß folgt.) Die Postkarte. Zu ihrem vierzigjährigen Jubiläum(LS. Juni). Von Dr. Hermann Wiegan d- Berlin  . Wer sich heute den Spaß machen will, für 10 Pfennig eine Nachricht um den ganzen Erdball herumzujagen, versieht eine Welt» Postkarte(Carte postale Internationale), auf der er sich mit Name und Wohnung genau als Absender bezeichnet hat, mit der Adresse einer beliebigen, fingierten Person in San Francisco  , setzt den Ver. merk hinzu:Wjenn Adressat abgereist, nachschicken nach Peking  , deutsche Post" und kann, da seinen Angaben genau gefolgt wird, damit rechnen, daß die Postkarte, nachdem sie in China   die gesetz- liche Zeit gelagert hat, nach einigen Monaten über Sibirien   wieder au ihn zurückgelangt. Die eben geschilderte, von Sammlern nichr selten geübte Methode ist im allgemeinen Verkehrsinteresse gewiß zur Nachahmung nicht zu empfehlen, illustriert aber wie keine andere den ungeheueren Verkehrsfortschritt, der einen seiner größten Sprünge machte, als vor nunmehr 40 Jahren die Institution der Postkarte ins Leben trat, die wir uns heut kaum mehr aus dem Nachrichtendienst entfernt denken können. Bor 2000 und mehr Jahren war es anders. Der Krieg aller gegen alle oder zum mindesten eines jeden Volkes gegen seine Nachbarn stand noch so in Blüte, daß die unbedingte Geheimhaltung fast aller Nachrichten das erste Gebot des Briefverkehrs war. Bei den nordgermanischen Stämmen schlachtete man, sobald eine blutige Fehde in sicherer Aussicht stand, ein Rind und versandte die einzelnen Stücke an die befreundeten Sippen als Zeichen, daß man ihres Beistandes bedürfe. Die nordamerikanischen Indianer gaben ihren Boten aus Seemuscheln angefertigte Wampungürtel mit, die, wenn sie weiß waren, Freundschaft bedeuteten, während schwarze Gürtel Krieg ankündigten und rote Gürtel samt einer Rolle Tabak ein dringender� �tschrei nach Hilfe waren. Recht umständlich machten sich persische Könige und Satrapen die Be- förderung geheimer Botschaften. Sie schrieben die Nackricht einem Sklaven auf den glattrasierten Schädel und entsandtL'ihn, sobald das wachsende Haar die Schrift verdeckt hatte, worauf der'.ldressat den lebenden Brief seinem Hofbarbier überlieferte, der die Schrift durch neuerliches Abscheren wieder lesbar machte. Langsam vervollkommnet sich das Schreibmaterial. Der babylonische Ziegelstein, auf dem auch der Kellner Schar im Schwarzen Walfisch" zu Askalon   dem Gast die Rechnung dar- bringt, weicht dem Pergament, den mit Wachs überzogenen Bein- und Holztäfelchen und den Paphrusrollen und endlich erscheint das Papier, das zwar schon vor 1800 Jahren in China   erfunden wird, sich in Europa   aber erst sehr spät Eingang verschafft. Die sich mehr und mehr verbreitende Fähigkeit des Lesens und Schrei» bens macht aber eine Geheimhaltung des Textes noch notwendiger als früher. Man erfindet sich also den mit Siegel und Stempel verschließbaren Briefumschlag, den sich männiglich mehr als 100 Jahre lang selber mit der Schere unter beträchtlicher Papierver» geudung jeder zurechtschneidet, bis man endlich nach dem Jahre 1830 in England zu dec Uebcrzeugung kommt, daß es viel ökonomischer ist, die Umschläge fabrikmäßig herzustellen, wobei obendrein ein viel eleganteres und gleichmäßigeres Produkt zustande kommt. Nach einem weiteren Dutzend Jahre ist man endlich auch 1844 so weit, die Umschläge nicht mehr durch Handarbeit, sondern mit Hilfe der weit schnelleren Maschine herzustellen. Das Bedürfnis nach Geheimhaltung der Nachrichten besteht aber schon längst nicht mehr in dem alten Umfange. Trotz der hohen Zonenportos laufe» täglich schon Hunderttausende von Briefen in die weite Welt hinaus, in denen Meyer u. Co. bei der Firma Müller u. Schultze 20 Sack Kaffee bestellen oder diese an jene von der Absendung Mitteilung machen. Ob der Postassistcnt und der Briefträger diese höchst unpersönlichen Mitteilungen lesen, ist sehr gleichgültig, und in den meisten Fällen haben sie gar nicht einmal die Zeit dazu, den Briefschreibern aber machen die dabei üblichen Höflichkeitsfloskeln nur ganz überflüssige Mühe. Die Welt ist also für eine neue Form der Benachrichtigungen reif geworden,� bei der auf einer Seite eines viereckigen Kartons nur die Adresse steht, während auf der anderen der Schreibende dem Adressaten die Mitteilung in so knappen Worten macht, wie sie dem Telegrammstil zueigen find. Die Erfindung der Postkarte schwebt also, um es mit anderen Worten auszudrücken, in der Luft, und es handelt sich nur um die Frage, wann Sankt Bureaukratius, von dessen Gnade schließ» lich alles abhängt, sich dazu bequemen wird, den wichtigen Schritt Zu tun. t. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, muß zugestanden werden. daß in diesem Augenblicke auch wirklich einmal in postalischen Kreisen der richtige Mann sich fand, der unbeirrt durch öde und kleinliche fiskalische Rücksichten, dem Gedanken die richtige Form gab, und ihn den Postverwaltungen, die sich immer schieben zu lassen gewöhnt sind, unterbreitete. Auf der fünften Konferenz des deutschen Postvereins, die im November 1865 in Karlsruhe   ab» gehalten wurde, verteilte der damalige Oberpostrat Stephan, der nachmalige Staatssekretär des Reichspcstamts, eine auf mechani- schein Wege vervielfältigte Denkschrift über die Einfiihrung des .Postblattes", wie er damals die später in den Verkehr gesetzte Post"- oderKorrespondenzkarte" nannte. Sein Vorschlag war nur privat und nicht offiziell, weil die Zentralbehörde der preußt« scheu Post, die damals gerade die Aufhclrnng des Drei-ZonenportoS plante, über die fiskalischen Bedenken nicht hinauskam, obwohl Stephan für sein Postblatt den Preis von einem Silbergroschen! vorschlug, mit dem die Postverwaltung ein glänzendes Geschäft gemacht haben würde.. Stephans Vorschlag verschwand in der Versenkung und bl,eb verschollen, bis am 26. Januar 1869 im Abendblatt   derNeuen Freien Presse" in Wien   ein Artikellieber eine neue Art der Kor» respondenz" erschien, in dem sein Verfasser Dr. Emanuel Herrmann, Professor der Nationalökonomie an der Militärakademie zu Wiener  » Neustadt, später Dozent an der Universität Graz  , den Gedanken Stephans fast mit derselben Begründung wie jener zur Verwirk!» lichung empfahl. Ob ihm die Stephansche Denkschrift von 1865 da» mals schon bekannt war, wie vielfach angenommen wird, läßt sich mit Sicherheit nicht feststellen, und auf dieser unlösbaren Frage beruht der Streit, ob die Postkarte nur einmal(von Stephan) oder, wie Herrmann behauptet, noch«in zweites Mal erfunden worden ist. Auf jeden Fall aber bleibt der österreichischen Verwaltung, die sich obendrein für das billige Porto von zwei Kreuzern entschied, das große Verdienst, in: Verein mit dem ungarischen Handels- Ministerium als erste Postbehörde zur praktischen Ausführung ge, schritten zu sein. Verschiedene vom Geist der Bureaukratie beqb,