Menschen. Wessen Sache ist es denn, sie zu retten? Wessen Sache ist es, zu predigen? Doch nicht etwa meine? Ich bin ja vom Morgen bis zum Abend betrunken. Hat denn aber Euch Gott einen demütigen Sinn, ein liebendes Herz und Glauben dazu gegeben. damit Ihr hier zwischen Euren vier Wänden sitzt und nichts tut?" Die trunkenen Worte des Städters waren frech und unan- ständig, auf den Prior aber übten sie eine wunderbare Wirkung aus. Der Alte tauschte mit den Mönchen Blicke aus, erbleichte und sagt«: Brüder, er redet doch die WührheitI Tatsächlich Wyen die armen Menschen aus Unverstand und Schwäche in Sünde und Un- glauben zugrunde, wir aber rühren uns nicht vom Platze, als ob es uns nichts anginge. Warum soll ich nicht hingehen und sie an Christus, den sie vergessen haben, erinnern?" Die Worte des Städters hatten den Alten hingerissen. Am folgenden Tage nahm er seinen Stab, verabschiedete sich von den Mönchen und wanderte in die Stadt. Und die Mönche blieben ohne Musik, ohne seine Reden und seine Verse. Sie langweilten sich einen Monat, noch einen; der Alte aber kehrte nicht zurück. Endlich, nach Verlauf des dritten Monats, vernahmen sie das bekannte Klopfen seines Stabes. Die Mönche eilten ihm entgegen und überschütteten ihn mit Fragen. Er aber, anstatt sich mit ihnen zu freuen, fing bitterlich zu weinen an und sprach kein Wort. Die Mönche merkten: er war stark gealtert und abgemagert; sein Gesicht war abgespannt und drückte einen tiefen Kummer aus; als er aber weinte, sah er aus wie ein Mensch, den man bitter gekränkt hat. Die Mönche weinten auch und begannen teilnahmvoll zu fragen, warum er weine und warum sein Gesicht so düster sei; er aber sprach kein Wort und verschloß sich in seiner Zelle. Sieben Tage saß er dort, nicht, trank nicht, spielte die Orgel nicht und tveinte. Auf das Klopfen an seiner Tür und auf die Bitten der Mönche, herauszukommen und seinen Kummer mit ihnen zu teilen, antwortete er mit tiefem Schweigen. Endlich kam er heraus. Nachdem er alle Mönche um sich der- sammelt hatte, begann er mit verweintem Gesicht und den? Ausdruck von Kummer und Entrüstung zu erzählen, was in den letzte» drei Monaten mit ihm geschehen sei. Seine Stimme war ruhig und die Augen lächelten, als er seinen Weg vom Kloster bis zur Stadt be- schrieb. Aus dem Wege, sagte er, sangen ihm die Vögel, die Bäche rauschten und seine junge Hoffnungen erregten seine Seele; er ging und fühlte sich wie ein Soldat, der voll Siegesgewißheit in den Kampf geht; träumend ging er und dichtete Hyninen und merkte gar nicht, als der Weg zu Ende war. Als er dann aber von der Stadt und den Menschen zu sprechen anfing, da zitterte seine Stimme, seine Augen blitzten und er geriet in heiligen Zorn. Nie im Leben habe er gesehen. nicht einmal gewagt sich vorzustellen, was er antraf, als er in die Stadt kam. Erst da habe er zum erstenmal im Leben auf seine alten Tage gesehen und begriffen, wie mächtig der Satan, wie herrlich das Böse und wie schwach, kleinmütig und gering die Menschen seien. Der Zufall fügte es so, daß das erste Haus, in das er trat, ein Haus der Aus- schweifung war. Ungefähr fünfzig Menschen, die viel Geld hatten, aßen da und tranken maßlos viel Wein dazu. Berauscht vom Weine, sangen sie Lieder und redeten dreist schreckliche widerliche Worte, die ein Mensch, der Gott fürchtet, nicht wagen würde, auszusprechen; grenzenlos frei, vergnügt, fürchteten sie weder Gott noch den Teufel, noch den Tod, sondern spraSen und taten alles, was fie wollten, und gingen, wohin die Wollust sie trieb. Der perlende Wein aber, klar wie Bernstein , war wahrscheinlich berauschend süß und duftend; denn jeder, der ihn trank, lächelte selig und begehrte noch mehr zu trinken. Auf das Lächeln deS Menschen antwortete der Wein auch mit einem Lächeln, und wenn man ihn trank, funkelte er freudig, als ob er wüßte, welch teuflischen Reiz er in seiner Süßigkeit berge. DeS Alten Empörung stieg, und er weinte immer mehr vor orn und fuhr fort zu schildern, was er gesehen hatte. Auf dem ische, mitten unter de» Schmausenden, sagte er, stand eine halb- nackte Buhlerin. Es sei schwer, sich etwas Schöneres und Reizenderes vorzustellen. Diese« junge Scheusal mit langen braunen Haaren, schwarzen Augen und fetten Lippen, schamlos und frech, zeigte schneeweiße Zähne und lächelte, als ob fie sagen wollte:.Schaut, wie frech, wie schön ich bin l" Seide und Brokat fielen von ihren Schultern in schönen Falten, jedoch die Schönheit wollte sich unter der Kleidung nicht verstecken, sondern sproßte lüstern aus den Falten hervor wie junges Grün aus dem Frühlingsboden. Das freche Weib trank Wein, sang Lieder und gab sich jedem hin, der fie begehrte. Weiter beschrieb der Alte die Pferderennen, den Stierkampf, das Theater, Ateliers der Künstler, wo man nackte Weiber malt und aus Lehm knetet, und fuchtelte zornig mit den Armen durch die Luft. Er sprach begeistert, schön und laut, als ob er auf unsicht- baren Saiten spielte; die Mönche aber lauschten starr und gierig seinen Reden und atmeten schwer vor Entzücken.... Nachdem er alle Reize des Satans, die Herrlichkeit des Bösen und die bezaubernde Grazie deS WcibeS beschrieben hatte, verfluchte der Alte den Satan und kehrte in seine Zelle zurück. Als er am anderen Morgen aus der Zelle herauskam, war kein einziger Mönch mehr im Kloster. Sie waren alle in die Stadt gelaufen. » sr Im Zeichen der Gurke. Von C. Schen kling. Bevor die Roggenernte ihren Anfang nimmt, liefern Garten und Feld eine Frucht, die in allen ihren Zubereitungen willkommen ist, die Gurke. Ist auch ihr Nahrungswert gering sie hat einen Wassergehalt von 97 Proz. so wird ihr frisches, saftreiches Fleisch doch wohl von niemand verschmäht. Uralt ist die Kultur dieser Frucht und zahlreich sind die Spielarten, die in den Zeitläusen entstanden, während über die Stammpflanze wie über den Ursprung der Kultur völliges Dunkel herrscht. Lange Zeit nahm man an, daß die Heimat der Gurke die Südseite des Kaspischen Meeres und der Kaukasus seien; heute hat man Ostindien als diese erkannt. Für das Wann und Wo der Kultur fehlt indessen jedweder Fingerzeig, da sie bei den westasiatischen wie oft- und südafiatischen Völkerschaften weit zurückreicht. Der Botaniker und Altertumsforscher Unger erkannte die Frucht aus den Pharaonischen Monumenten. Wahrscheinlich war aber die ägvptische Gurke die Wassermelone. Die Griechen Homers und Hefiods kennen die Gurke nicht, und wenn eine Stadt bei Korinth Sicyon, d. i. Gurkenstadt heißt, so geht dieser Name doch in kein hohes Alter hinauf. Seine zweimalige Stennung in der Jlias wird als Einschicbung bezw. rhapsodische Erweiterung betrachtet. Im S. Jahrhundert soll die Gurke aus Griechenland in das kaiserliche Rom gekommen ssein. woselbst ihr die gebührende Würdigung zuteil wurde. Tiberius , ein leidenschaftlicher Freund der Frucht, ließ Gurken, um fie nie entbehren zu müssen, nebst anderen feinen Gemüsearten in mit Marienglas, dem(?apis sxooularis, bedeckten Treibhäusern ziehen und ein anderes römisches Leckermaul ließ gelegentlich eines Gast» mahles dreiundzwanzig verschiedene Gurkengerichte reichen. Um die starke Nachfrage zu decken, wurde«» die Gurken, bis sich die römische Landwirtschaft mit ihrer Treiberei intensiver beschäftigte, aus Aegypten bezogen. Columella, ein agronomischer Schriftsteller jener Zeit, empfiihlt, die zur Aussaat bestimmten Samen einige Tage lang in Milch und Honig zu legen, damit die Früchte zart und schmackhaft werden. Nach Plinius sind gekochte Gurken schwer verdaulich, aber mit Essig, Oel«ind Honig zubereitet, sollen sie einen bekömmlichen und dabei schmackhaften Salat liesern. In seinen Capitullars de villis bestimmte Karl der Große , daß neben anderen eingeführten Gemüsen auch Gurken in den Gärten seiner Meierhöfe gezogen werden, und bei mehr denn tausendjähriger Kultur der Gurke in Deutschland hat sie sich überall Bürgerrecht erworben. Die ausgedehntesten Gurkenländereien kann man im mittleren Saaletal und seinen Nebentälern, dem Unstrut- und Weihautal sehen. Kein Dorf ist dort ohne Gurkenland, und die Kleinbauen« sind die Kultivatoren. In Wagenzügen geht die Ernte nach den größere» und großen Nachbarstädten, nach Halle, Erfurt , Leipzig , Magdeburg , Gera . Berlin , um dort Schock für Schock in andere Hände überzugeben. Gurkenhandel engroS treiben namentlich die Orte Heldrungen , Großgattern, Zerbst , Kalbe , Weißenfels und Raum» bürg, woselbst vor mehreren Jahren ses war ein rechtes Gurkenjahr) 19 0<X1 Schock feilgeboten und das Schock mit 79 Pf. für schlanke Ware und mit 39 Pf. für Krüppel verkauft wurde. Ungünstige Reinerträge, die man in den letzlen Jahren zu verzeichnen hatte, scheinen aber die Unternehmungslust der Gurkenzüchter zu hemmen und bei ähnlichen Verhältnissen wird die Gurkenflut über lang oder kurz abflauen. Außer in jenen Gegenden der Provinz Sachsen besteht ein weniger reger Gurkenhandel in der Pfalz , in Baden, in der Uingeb«liig von Bamberg und Liegnitz , sowie im Spreewald. Als Gemüse hat die Frucht stets etwas Fades und wird mit Recht von der feinen Tafel ferngehalten, als Konserve dagegen steht fie vollständig auf der Höhe der Zeit. Essig- und Pfeffergurken sind willkommene Appetiterreger««nd bilden in England, woselbst man die Frucht inehrere hundert Jahre später kennen lernte als in Deutschland , einen bedeutenden Handelsartikel. Der Genuß von geschälten Salz- und Senfgurken ist auf Mittel- und Nord» europa beschränkt. Noch enger begrenzt ist das Gebiet der sauren Gurke; sie wird näinlich nur m den Teilen Deutsch­ lands gewürdigt, die ehemals von Slawen bewohnt waren, wie denn die slawischen Völker, namentlich die Russei«, ihre Gurken nicht loben köunen: in Salzwasser eingelegt wird fie den ganzen Winter über verzehrt und mit ihrer Hilfe schlägt sich der Groß- und Kleinrusse durch die langen strengen Fasten der griechischen Kirche durch. Auf deutschem Boden stand die Wiege der sauren Gurke alias Gurkenfaß, zu Lübbenau im Spreewalde. Holländische Tuch» macher, die l599 vom Grafen Schulcnburg hierher gemfei« wurden, brachten neben anderen Sämereiei« auch Gurkcnsamen aus ihrer Heiinat, woselbst die Frucht besonder« schön gedeiht, mit nach dem Spreewalde, und in dem schweren Gartenboden entwickelte er sich vortrefflich. Man ließ sich die Kultur angelegen sein und wenn das Geschäft auch prosperierte, so kam eS doch erst in Schwung, als Lübbenau Eisenbahnstation wurde. Heute beschäftigt sich mehr als ein Drittel der Bevölkerung mit dem Anbau u.ld Einlegen der Gtirke. Auch der Handel mit Senfgurken hat hier eine Stätte gesiniden. Den Anstoß dazu gabGurken-Schulz" in Potsdam . Während man früher die entkernten Samengurlcn auf dem Felde verfaulen ließ, legte sie Schulz 1850 zum erstenmal als Senfgurken ein und heute werden zu diesem Bcigericht nicht nur alle Saiirengurlen, sondern auch solche grünen Gurke«« verwendet,