Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 130.

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Die Arena.

Donnerstag. den 7. Juli.

( Nachdrud berboten.)

Roman von Vicente Blasco Ibanez .

( Schluß.)

Gallardo erwartete in der Nähe des Vorsitzenden, an die Barriere gelehnt, das Zeichen zum Löten. Garabato hielt am Rande der Einfriedigung den Stoßdegen und das Tuch bereit.

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Teufel noch mal! Das Schauspiel hatte so gut be­gonnen, und nun mußte ihm sein böses Geschick diesen Stier zuführen, den er selber wegen seiner schönen Gestalt aus gewählt hatte, und der sich beim Betreten der Arena als zahm erwies!.

Indem er mit den in den vorderen Reihen sigenden Sach­verständigen sprach, entschuldigte er sich im voraus wegen der bevorstehenden mangelhaften Leistung.

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1910

Immer dieselbe Geschichte: Gallardo hatte im entscheiden. den Augenblick das Gesicht abgewandt und den Arm ein. gezogen. Der Stoßdegen saß lose und schwankend im Hals des Tieres und fiel, nach wenigen Schritten abgeschüttelt, in den Sand.

Ein Teil der Zuschauer schrie Gallardo schimpfend an, und das Wohlwollen, das sie am Anfang des Schauspiels zu ihm gefaßt hatten, war verschwunden. Von neuem stellte fich Mißtrauen ein; der Stierfechter war wieder strengem Tadel und heftiger Mißbilligung verfallen, und jedermann schien den früheren Enthusiasmus vergessen zu haben. Gallardo hob den Degen auf und ging mit gesenktem Kopfe von neuem dem Stier entgegen, indem er sich nicht getraute, gegen den Unwillen einer Menge, die gegen andere duldend und gegen ihn unerbittlich war, Einspruch zu erheben. Stierfechter an seine Seite trat. Es mußte der Nacional sein. Trotz seiner Verwirrung glaubte er zu sehen, daß ein

Nur ruhig Blut, Juan, und keine Ueberstürzung!" ,, Verdammt auch!" Mußte ihm denn immer dasselbe Man tut eben, was man kann, weiter nichts," sagte er passieren? Konnte er denn nicht mehr, wie früher, den achselzuckend. Arm zwischen die Hörner tun und den Degen bis ans Heft Dann blidte er nach den Logen hinauf und heftete seine einstoßen? Sollte er sich sein Leben lang vom Publikum Augen auf Donna Sol. Sie hatte ihm vorher Beifall ge- auslachen lassen? spendet, als er sich waghalsig vor den Stier hingelegt hatte anbringen müssen!. Ein Ochse, dem man hatte Feuer Schändlich! und ihre behandschuhten Hände schlugen begeistert ineinander, als er zur Barriere zurücktrat und das Publikum dankend warten schien, als wünschte es, seine lange Marter so schnell Er trat vor das Tier hin, das ihn unbeweglich zu er­grüßte. Als Donna Sol jezt sah, daß der Stierfechter sie als möglich zu beenden. Er wollte ihm nicht von neuem anblidte, grüßte sie ihn mit einer Gebärde wohlwollender das Tuch vorhalten. Er trat einen Schritt zur Seite und Freundschaft, und selbst ihr Begleiter, jener widerwärtige ließ das rote Zuch zu Boden hängen, während er den Degen Mensch, verneigte sich anmutslos, als müsse sein Körper wagerecht in einer Linie mit seinen Augen hielt.... Den mitten auseinander brechen. Alsdann hatte er zu verschiedenen Arm vor! Malen ihre Augengläser beharrlich auf sich gerichtet gesehen, wie sie ihn während der Ruhepause zwischen den Barrieren fuchten. Dieses Weib!... Vielleicht fühlte sie sich wieder von dem beherzten Burschen angezogen. Gallardo nahm sich bor , sie am folgenden Tage zu besuchen, für den Fall, daß sich der Wind gedreht hätte.

Das Zeichen zum Löten des Stieres ertönte, und der Maestro ging nach einer kurzen Widmungsansprache dem Tiere entgegen.

Die Begeisterten erteilten ihm lärmend ihre Ratschläge. Mach der Sache bald ein Ende! Er ist ein Ochse, und feinen Schuß Pulver wert."

Der Matador streckte sein Tuch vor der Bestie aus, die darauf losstürzte, allerdings mit etwas langsamerem Schritt und durch die vorausgegangenen Qualen flug gemacht, mit der deutlichen Absicht, zu zermalmen, zu verwunden, als hätte die Hezjagd ihre Wildheit entfesselt. Dieser Mann war der erste, der nach der Peinigung vor ihren Hörnern stand.

Die Menge fühlte, wie ihre rachsichtige Abneigung gegen den Stier allmählich schwand. Er machte keine üblen Wen­dungen; er griff tüchtig an. Bravo! Und begeistert berfolgte fie die Hantierungen mit dem Zuch, wobei ihr Gutachten sowohl den Kämpfer als das Zier betraf.

Sekunden lang bildeten Mensch und Tier nur eine einzige Das Publikum schnellte von seinen Sigen auf. Einige Masse und rückten so einige Schritte vorwärts. Die besten Kenner bewegten bereits ihre Hände und wünschten Beifall zu klatschen. Er hatte den Stoß geführt wie zu seinen besten Beiten. Ein Stoß von der echtesten Sorte!

Auf einmal aber erfolgte ein gewaltiger Kopfstoß des Tieres, der den Mann wie ein Geschoß zwischen den Hörnern heraus und in den Sand schleuderte. Der Stier senkte den Kopf und seine Hörner erfaßten den regungslosen Körper von neuem, hoben ihn einen Augenblick vom Boden auf und ließen ihn wieder fallen, worauf das Tier, den bis zum Griffe eingestoßenen Degen im Hals, seinen Lauf fortsette.

Gallardo stand schwerfällig auf, und sämtliche Zuschauer brachen in einen betäubenden Beifallssturm aus. Sie wünsch ten nichts sehnlicher, als ihr Unrecht wieder gut zu machen. Bravo , der Tapfere! Der Wackere von Sevilla ! Er hatte feine Sache gut gemacht.

Aber der Stierfechter gab auf diese enthusiastischen Aus­brüche keine Antwort. Er legte seine Hände an den Unter­leib, beugte den Rüden mit einem Ausdruck des Schmerzes und schickte sich an, mit schwankendem Schritt und gesenktem Stopfe zu gehen. Zweimal richtete er den Kopf in die Höhe und blickte nach der Ausgangstür, als fürchtete er, sie auf seinem Zickzackweg, den er zitternd und wie berauscht ciu­schlug, nicht erreichen zu können.

Plötzlich, zusammengeballt wie eine große goldseidene Raupe, stürzte er in den Sand. Vier Bedienstete zogen unbeholfen an ihm, bis sie ihn auf ihre Schultern brachten. Der Nacional schloß sich ihnen an und stüßte den bleichen, gelblichen Kopf des Stierfechters, dessen glasige Augen durch die gesenkten Lider schimmerten.

Der Stier blieb unbeweglich mit gesenktem Kopf und heraushängender Bunge stehen. Das dem Todesstoß voraus­gehende Stillschweigen war eingetreten, ein Schweigen, das von vielen Tausenden angehaltener Atemzüge herrührte und die Ruhe der tiefsten Einsamkeit noch übertraf, so daß das leiseste Geräusch in der Arena auf den entferntesten Plägen vernehmbar war. Ueberallhin hörte man ein leichtes Bu­sammenschlagen von Stäben; es waren die halbverbrannten, zwischen die Hörner geratenen Schäfte der Banderillas, die Gallardo mit der Degenspige nach hinten auf den Hals des Stieres zurückwarf, um seinen Stoß sicher anbringen zu Das Publikum machte eine Bewegung des Erstaunens, können. Dann reckten die Zuschauer die Hälse noch weiter und der Beifall- verstummte. Alle Blicke spähten umher, man im Gefühle des geheimnisvollen Zusammenhanges, der jetzt war sich des Ernstes der Lage noch nicht bewußt... Aber zwischen ihrem Willen und dem des Matadors bestand. bald gingen beruhigende Gerüchte um, deren Ursprung niemand Sept!" sagten sich alle mit innerer Stimme, jezt müsse der kannte; jene anonyme Meinung, der jedermann Glauben Stier von Meisterhand fallen, alle errieten den Entschluß schenkt, ohne sie zu kontrollieren, und die in gewissen Augen­des Matadors. blicken die Menge entflammt oder lähmt, trat in die Er­scheinung. Es war nichts. Ein Hornstoß hatt ihm den Bauch gestreift ihm das Bewußtsein geraubt. Niemand hatte Blut gesehen.

Gallardo stürzte sich auf den Stier, und nach der auf regenden Erwartung atmete das Publikum gleichzeitig ge­räuschvoll auf. Nach dem Zusammenstoß vor: Mensch und Tier lief dieses unter wildem Gebrüll eilig davon, und Pfiffe und Protestrufe wurden laut.

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Die schnell beruhigten Zuschauer sekten sich, und ihre Auf­merksamkeit ging vom verwundeten Stierfechter auf die Bestie