Namen Bebel gehört habe, Liebknecht, Marx. Lassalle? Neln?Das seien lauter große Namen, die den Bund befestigt hieltenund die Geheimnisse der Wahrheit und Freiheit in die Welttrügen.Der Philipp sah ihn mit großen verwunderten Augen an.„Und er gehöre auch dazu?"„Jeder gehört dazu, der leiden muß und nach Befreiungstrebt. Jeder, der's gut mit den Menschen meint."Da fühlte der Philipp einen großen Respekt.„Aber er sei doch nur Spengler?"Der Schlüssel lachte.„Gelt, darüber ist Dir noch nichts eingefallen, daß dieApostel nur Fischer waren? Und Jesus ein Zimmermann?Darüber fällt den Leuten gar nichts ein. Aber daß Bebelein Dreher ist, das macht sie stutzig."„Ist das also dasselbe, was der Schneider Wagner denganzen Tag aus dem Gefängnisfenster herausschreit, daß manes müßt abgenommen kriegen, was man hat, und daß es fürdie wär, die nichts haben."„Der hat was läuten hören, hat's aber nicht verstanden.Die Leute verstehen immer nicht, was so auf einmal kommt.Alles muß nach und nach kommen. Und jeder denkt nur ansich. Wenn ich ei'm einen Korb voll Aepfel hinschlltte, ißt ersich leicht krank dran, wenn ich ihm dann und wann einenreiche, löscht er sich den Durst damit. Nach und nach— undimmer ans Ganze!"Wenn der Philipp von den Belehrungen Schlüsiels beirrtwar, dann ging er zur alten Lisbeth. Die renkte alles wiederein. Bei ihr war's wie im Sommer. Sturm und Regen undGewitter, die gehörten dazu, daß das Getreide wachsen undreif werden konnte. Es war alles gut, wie es eingerichtetwar, und auch was nicht gut war, hatte doch einen gutenSinn.Und außerdem— der Philipp hatte ja die Eulenmühle.Da war alles vergessen, Für und Wider. Hin und Her.Keinem Menschen sprach der Philipp von den Büchernund dem Geheimnis des Spenglers Schlüssel. Es war ihmein stiller Stolz, davon nur allein zu wissen. Aber manchmalmachte er sich doch schon Gedanken über dies und das. Erdachte dann, wenn ihn der Schlüssel in seinen Büchern lesenließe, er könnt's am Ende doch schon verstehen. Wenn's auchnur für später wäre.Die alte Lisbeth hatte gesagt:„Es gibt Samen, der gehtgleich auf, und anderen, der geht nach vielen Jahren auf."Könnt's nicht auch bei ihm so sein? Wär nicht der Samenim Schlüssel seinen Büchern für später?Ach was! Er spielte und freute sich. Es ging schonwieder einmal auf Ostern zu— da konnte man bald Pfeifenaus den Weiden machen. Und es gab schon Veilchen, diekonnte man pflücken. Am weißen Sonntag aber ging er zumAbendmahl. Er war schon bald vierzehn. Zu Pfingsten,wenn's Kirschen gab.(Fortsetzung folgt.)!Der JNIühle-Xandcr.Eine Narrengeschichte aus dem Schwarzvald.Von Hans Michel Schneider.Unter den mancherlei Originalen, die ich während meinerSchivarzwaldzeit ausfindig machte, ist das hervorragendste derMiidle-Tandcr"). Schade, daß er keinen besseren und früherenEntdecker fand. Der hätte ihm eine Laufbahn eröffnen können,gewiß ersprießlicher, wie die des Müllerburschen im einsamstenWutachtal.Die Wäldcrleute sagen, der Mühle-Tander„spinnt". Ichbleibe dabei, daß er ein Genie ist, eine von jenen großartig»er-anlagten Naturen, die von der Volksschule weg in ihrer eigenenWelt sich verirren, unverstanden bleiben, sich wohl auch selbst nichtverstehen lernten, in ein Wirrsal eigener Gedanken und Pläneverstrickt werden, in der Enge des übernommenen Berufes desBrotes wegen zwar verharren, doch in mehr oder weniger schlimmenExzessen gegen sich und die Gesetze der Gesellschaft aufsässig werdenund nicht selten zuletzt dahin kommen, wo die geistige Welt mitBrettern vernagelt ist. Also ein verkanntes Genie; doch keinS vondenen, die man alltäglich so benennt.Als die wohltuende Einrichtung der Hofnarren bestand, hattedie Welt noch Verwendung für derart außergewöhnliche Köpfe.Bei den Naturvölkern können sie als Zauberer, Medizinmänneroder Priester zünftig, angesehen, mächtig und«ich werden. InAltägypten stiegen die Leute niederer Herkunst zu den höchstenTander= Alexander.Stellen auf. Unsere Kultur aber will noch nicht reif sein für dieErneuerung einer solchen geistigen Zuchtwahl.Kann nicht in einem Dorfbuben ein hervorragender Medi-ziner stecken, der später dann seinen Betätigungstrieb als„Wunder.doktor" übt und mit dem Landarzt in empsindlichen Wettbewerbtritt? Begegnet man nicht unter Landbürgermeistern so aus-gezeichneten Diplomaten, daß sie jeden Oberamtmann an der Naseherumführen? Doch ich wollte ja vom Genie reden und verirremich zu den Talenten, den Vielzuvielen, die immer ihr Glückmachen.Der Mühle-Tander, das Genie, hat seines nicht gemacht.Wenigstens nicht im wirtschaftlichen Sinne von Glück. Da sieihn stets einen Nar«n nannten, machte er fich'L im Reiche desNarrentums wohnlich und hält nun alle Welt zum Narren; wie dieHofnarren von dazumal.Oft sieht, man ihn wochenlang nicht. Die stille, traulicheSchattenmühle, wo der Schwarzwaldweg Neustadt-Bad Boll unddie Landstraße Bonndorf-Löffingen einander kreuzen, ist des Son-derlings Heim. Dort schafft er sein Tagwerk Tag für Tag, einunzugänglicher, mürrischer Geselle, den das brausende Gewässerder wilden Wutach, der rauschende Tann, der starre Fels gefangenhalten, dieweil ihm das plätschernde Mühlrad wunderbare Mär-chen und Wohl ein alte» Buch am Abend wunderliche Weisheit er-zählt— bis plötzlich der Einsiedelmann den Mühlstaüb von denFüßen schüttelt und auf einmal wieder lachend unter den Menschensteht. Dann ist das Wandern des Müllers Lust. Von Ort zu Ortgeht es, von Wirtshaus zu Wirtshaus, kleine Streiche verübt erund große erzählt er. Er ist ein Meister im Verüben und einMeister im Erzählen. Jung und alt hängt an seinem Munde undhört seine Taten und läßt sich mitreißen von Tanders funken-sprühendem Wälderwitz; auch im Trinken. Die Müllerin wartetderweil geduldig Tag um Tag. Sie weiß, daß ihr getreuer Müller-bursch selten die Wochenstist überschreitet.Es ist sechs oder sieben Jahre her. In Bonndorf wurdeKapuzinermissimt abgehalten. Da hockte auf dem Thor, auf derhintersten Bank, eine hagere Gestalt, im schwarzen Anzug, denschwarzen Hut in der Hand, mit irrlichternden Augen, derenkluger, scharfer Ausdruck ein Zwicker noch erhöhte. Nachher kamer in den„Hügel", stellte sich mir als Mediziner vor und erzähltevon seinen Freiburger Studienjahren. Bald war die Mission dasallgemeine Gespräch am runden Tisch, und mit einem Male stehtder Mediziner auf und hält eine Predigt, die heute gehörte Standes-predigt. Er kopiert den Pater Maximilian in so überwältigenderWeise, daß die Hörer nicht wissen, ob sie lachen oder weinen sollen.Wilhelm Müller, der cegogewaltige") Wirt, hält den dicken Bauch,während der weibliche Teil der Bedienung es nur zu einem sauer-süßen Dreinschauen bringt, denn in alkoholischer Umgebung wardie schauspielerische und mnemotechnische Leistung doch eine voraus-setzungsvolle Verherrlichung des Königshofener Paters, der dieSeelen der Frauen und Jungfrauen so ganz in den Bann seinerpricsterlichen Persönlichkeit gezogen hatte.Durch dieses wirkungsvolle Debüt wurde mir der Mühle-Tander bekannt. Für den Spott dafür, daß er mich mit seinerMaske als Medikus prellte, brauchte ich nicht zu sorgen.Als wir eines Nachmittags im Boller„grünen Berg" an dersommerlich kühlen„Kunst" saßen, erzählte die Wirtin, wie Mühle-Xander, der„Dunnerschaib", tags zuvor wieder mal einen an-geführt hatte, einen harmlosen Geschäftsreisenden, der„ins Ort"geradelt kam. Tander stellte ihn an der steilen Höhe; er seider Straßenmeister und verbiete die Benützung der Landstraße.Sicher und kaltblütig wie immer, war es ihm ein Leichtes, denAngehaltenen ins Bockshorn zu jagen, ließ sich schließlich aber dochzu einem Glas Bier bewegen, und aus dem einen wurde einkleines Trinkgelage. Die Zeche freilich zahlte der Herr Straßen-meister nicht.Währenddessen kam Tander selbst und gab die Geschichte zumbesten. Das klingt freilich schon ganz anders, als wenn es andereerzählen. In vollendeter Dienstsprache hatte er dem Radfahrerdie Leviten gelesen:„In meiner Eigenschaft als großherzoglich badischer Straßen-meister muß ich Ihnen eröffnen daß Sie diese Strecke in ungesetz-licher Weise passiert haben, da§ 25 Absatz 3 der Straßenpolizei.ordnung vorschreibt, daß Kreiswege und Landstraßen mit mehrals 25 Prozent Gefäll für Zweiräder, Automobil« und ähnlicheFahrzeuge gesperrt find und im Betretungsfalle eine Geldstrafevon 5 bis IVO M. verhängt wird. Im Falle eine? Widerstandeskann der Streckenwärter den Strahenmeister requirieren und dieserdie sofortige Inhaftierung des Betreffenden durch die Ortspolizeioder die nächste Gendarmericstell« verfügen. Sie sind soeben aufLandstrahe 63 Bonndorf-Löffingen betroffen worden und werdendie Konsequenzen zu ziehen wissen."Wie schon geschildert, zog der arme Kerl die Konsequenzen.Der gestrenge Herr Straßenmeister ließ nicht allein Gnade fürRecht ergehen, sondern sich sogar als huldreicher und leutseligerBeamter an; allerdings nicht, ohne vorher dem Nebeltäter einKapitel über Bestechung aus der Beamtengesetzgebung vorzutragen,was dessen.Spendierhose" den nötigen Nachdruck gab.Fastnacht 1S04 spielten die Bonndorfer„Pflumenschlucker" den•) Cego � das in Baden beliebteste Kartenspiel.