BettetB, offenes Streben. Ehrgeiz. Und eines, eine» fehlt vor allem: die F r e u d e I Da ist wohl auch ein Pastor, der allsmmtagS feine Predigt hält und gar noch wochentags einen.Bibelabend' aber was ist denn immer und immer wieder seiner langen Reden kurzer Sinn? Sünde, Fluch, Verdammung und Alkohol. Leere Worte und leerer Schall   ein notwendiges Nebel, das man über fich ergehen lasten muh. Man sagt, im Namen der Nächstenliebe, der Barmherzigkeit, des Mitleids sei diese Stätte errichtet worden. Im Namen jenes Nazareners, der da sprach:.Ich bin gekommen zu den Armen, Elenden und Gefangenen und zu ihnen zuerst I' Ich lese § 1 der Aufnahmebedingungen:.Durch die Aufnahme erwirbt der Be �reffende keinerlei Rechte und Ansprüche an die Anstalt.' Ich frage: Wohin hat fich in diesem Satze das Mitleid verkrochen? Brutaler kann auch der hartherzigste Arbeitgeber feine wirtschaftliche Macht und lleberlegenheit nicht aus- nützen. In den'regelmShig erscheinenden Bettelbriefen wird immer in wahr« hast überzärtlicher Weise von den»lieben Alten' gefaselt und von dem idyllischen Leben, das fie in ihrem Gnadental führen. Warum er- wähnt man mit keiner Silbe die Tatsache, daß diese.lieben Alten' ihre Unfall-, Invaliden- oder Altersrente der Anstalt überlasten, oder dah mindestens von anderer Seite für fie Pflegegeld bezahlt wird? Ein 68 Jahre alter Veteran von 1370/71 bekam.monatlich 10 M. Ehrensold. Der Ehrensold ist eine Unterstützung für Veteranen, die ein jährliches Einkommen von weniger als 600 M. haben und wird bis zur Höhe von 120 M. jährlich gezahlt. ES war wohl angefragt worden, ob der alte Mann auch hier der Unterstützung bedürftig sei. Der Hausvater stagt den Veteranen: .Wollen Sie den Ehrensold der Anstalt überlasten?'.Nein, ich bin hergekommen, um mir ein paar Mark zu ersparen; ich stehe draußen alleine und brauche also das Geld I'»Ueberlassen Sie uns wenigstens die Hälfte.'.Nein!'.Dann können wir es nicht befürworten I' Mit diesem echt christlichen Bescheid war die Unterredung zu Ende. Der Regierungspräsident von Potsdam  war anständiger als der Hausvater und beließ dem alten Manne die Unterstützung. Wie.gnädig' handelt die Anstalt an den auf Kommando Arbeitenden, an Leuten, denen fie doch eine Wohltat erweisen will und dabei o heilige Einfalt selbst Geld verdient! 60 Pf. erhalten diese Armen, die sich tagsüber bei einem Bauer abgeplagt haben, gutgeschrieben, der selbst- verständlich stattlichere Rest fließt in die Anstaltskaste. Will es die Stadt Berlin   ableugnen, daß fie unter 2,50 Mark täglich keinen Arbeiter aus der Kolonie gestellt bekommt? Und 50 Pf., sage und schreibe.fünfzig Pfennig' wagt man diesen Be- dauernswerten als schließliche Entlohnung anzuschreiben! Im Namen der Nächstenliebe, der' Barmherzigkeit, des Mitleids sei diese Stätte errichtet worden. Schön aber ich frage: w a S ist heute, nach noch nicht fünf Jahren, daraus geworden? Ich laste den Blick über meine Gefährten gleiten und spreche in meinem Innern: Ja, wenn je Mitleid und Erbarmen am Platze war, so bei euch! Ihr habt keme Familie, kein Heim, seid arbeits- und obdachlos, krankt an dem Fluche eurer Armut und wohl gar an jenem größern eures SträflingtumS I Ich denke an jenen andern, der auch.nicht hatte, wo er sein Haupt hinlegen sollte'. Wäre sein Erbarmen mit euch je soweit gegangen, euch diese Stätte zu be« reiten, damit ihr hier noch ganz verkommen könnt? Hätte nicht vielmehr sein Erbarmen anders zu euch geredet? O, jener Nazarener hat noch viel schönere Worte gesprochen als fie hier immer mit selbstgefälliger Eitelkeit vorgewogen werden. Das Reich Gottes gehört den Stürmern! Habt ihr gehört? Stürmer sollt ihr sein, Menschen, die alles Starke und Kraftvolle, das in ihnen noch ungebrochen lebt, ans Licht fördern und pflegen, die den Mut haben zu einem entschlostenen Nein l und nicht länger daS Joch ihres Sklaventums tragen wollen l Stürmer. die an die Zukunft glauben, an den Sieg ihrer Ideale, an fich selbst und sonst an nichts I' Mein Blick gleitet wieder über meine Gefährten und ich lächle. War das nicht eben auch eine Predigt tauben Ohren, wie sie jener Pastor allsonntags hält! WaS ist aus euch geworden und was aus jener Anstalt, die einst gegründet wurde, um Heruntergekommenen wie euch, Elenden wie euch das Emporkommen zu ermöglichen? Das wahre Geficht? Ihr seid Feige. Müde, Kranke, die sich fürchten vor dem Leben, die schmeicheln und fich demüttgen, verstellen und erniedern bis zur Unmöglichkeit, nur um nicht wieder hinausgeworfen zu werden in jene Welt, in der zu behaupten euch die Fähigkeit verloren ging. Ihr seid krank hierher gekommen fcnit dem ehrlichen Wunsch, zu ge« sunden. Und ihr habt solch einen guten Arzt gefunden, daß er euch gleich vollends tötete. Eure Krankheit spürt ihr nun steilich nicht mehr, aber gesund... Und die Anstalt, die diesen westlichen Arzt Besitzt? Die den Aermsten noch daS bißchen Mark aus den Knochen saugt und ihnen dafür ihre Gnade schentt? O, fie hat eS herrlich weit gebracht I Sie ist eine Markt- und Trödelbud« geworden, in der der»Gott Kimm' das Szepter führt. DaS ist das wahre Gesicht! (Nachdruck verdotea.1 Lucas van Lcydcn. Zur Ausstellung im Kupferstichkabinett.*) Der.größte Künstler der holländischen Renaistance', der.Düre» der Niederlande  ', konnte mit seinem Lebenswerk nicht den weithin strahlenden Namen in dem Grade decken, wie es sein größerer Zeit- genösse vermochte. Es mag die vorzugsweise Beschränkung auf dis Graphik aus Kupferstich, Radierung und Holzschnitt sein, daß seine Werke nicht in gleichem Grade in das Volk drangen; die Zusammenstellung seiner Arbeiten aus dem Befitzstande des Kupfer- stichkabinetts zeigt jedenfalls, wie wenig von diesen Stichen All- gemeinbefitz wurde. Vielleicht ist eS das Einsickern aller kirchlichen Kunst der er den einstigen Ruhm mit verdantte, wenn er uns heute etwas ent- schwand man wird in den ausgestellten Blättern aber auch im Bettachten seiner Persönlichkeit, seines leicht tragisch gefärbten Schicksals manches finden, was die Lebenskraft seiner Kunst be- greiflich macht. Lucas JacobSz   van Lehden(zirka 14941634), wie er nach seinem Geburts-, Wohn- und Sterbeort. der Stadt Leiden   fich nannte. war ein sogenanntes.Wunderkind'. Mit neun Jahren fertigte er seinen ersten Kupferstich, mit zwölf Jahren die erste größere Komposition in Aquarell»Die Legende vom heiligen Hubertus' für das ihm ein Kunstfreund zur Ermunterung ebensoviele Gold- gülden bezahlte, als der Knabe Jahre zählte. Vielleicht werden wir die Bezeichnung.Wunderkind' nicht gar so betonen, wenn wir erfahren, daß sein Vater selbst Maler war und ihn früh in diese Hantierung einführte halb Spiel halb Ernst, bis ein richtiges Schülerverhälmis daraus entstand. ES widerspricht auch nicht den Beobachtungeu, die man an de« vielversuchenden Hast jedes lebhasten Kindes machen kann, wenn berichtet wird, daß er im Gegensatz zu Huqgh Jacobs seinem Vater, der vorzugsweise malte, sich gleichzeitig auf Porträt, Land- schast, Wafierfarbe, Oelfarbe   warf, auf Glas malte, in Holz schnitt. auf Platten gravierte, gerne mit Kohle und schwarzer Kreide zeichnete. Nach dem frühen Tode des Vaters setzen Cornelis Engel- brecht die Unterweisung im Zeichnen und Malen Harnassen die im Kupferstich und in der Benutzung des ScheidewafierS(für Ra- dierungen) fort daneben wird noch ein Goldschmied erwähnt dem er viel verdanke. Mit 14 Jahren setzt jedenfalls sein Werk ein mit dem auch im Kupferstichkabinett als ersten placierten Blatt; der Ermordung des MöncheS Sergius   durch Mohammed  . Nicht ohne Bedeutung ist die Begegnung mit Dürer, die wäh« rend seines Aufenthaltes in Antwerpen   in der berühmten Lucasgilde erfolgte. Die Ausstellung enthält die Silberftistzeichnung, die Dürer von dem Kollegen machte; außerdem aber besitzen wir die Auf- zeichnung Dürers aus der gleichen Zeit:.Mich hat zu Gast geladen Meister Lucas der in Kupfer sticht, ist ein klein Männlein und bürtig aus Luiden'. Obgleich seine Kupferstiche schon zu seinen Lebzeiten außerordentlich hoch bezahlt wurden, obgleich er glücklich mit einem.edlen und schönen' Fräulein Boshuysen verheiratet war beunruhigte er seine Freunde ständig durch einen nicht zu beseitigenden Hang zur Schwer- mut, durch eine Unrast, Friedlofigkeit, die ihn zu keinem Genießen seiner Erfolge kommen ließ. Selbst sein Schaffenseifer gewinnt einen unheimlichen Schein.er arbeitete mit der Emsigkeit, welche kränklichen Personen eigen ist'. Um ihn zu zerstteuen, schlugen seine Freunde eine Reise durch Holland   vor, und die Art, wie er sie aus- führte, wirft einige bedeutungsvolle Lichter auf seine Natur. Wir verstehen, warum man auch seinen Kompositionen.theatralische, affettierte Auffassung' nachsagt. Er reiste in einer prächtigen Gondel; sein Begleiter ein Maler Mabuse mußte fich von ihm in Goldstoff kleiden lassen, er selbst trug ein Gewand von kost- barster gelber Seide; allen Malergilden, die er antrifft, gibt er Festmahle, für die er jedesmal sechzig Gulden ausgab. Schon Dürer   tadelte die.Verschwendung', und doch kostete das Mahl zu dessen Ehren nur zehn Gulden. Danach wird man in seinem Werke weder eilten be- deutenden, gar tiefen Geist suchen können, noch die vielen Einschrän- kungen, die gegen die von den Zeitgenossen ihm gegebeneGröße' gemacht wurden, verwunderlich finden. Die Reise verfehlte ihren Zweck vollkommen. Mit verdoppelten Qualen gesellte sich doch zu Reue und Verdruß über die sinnlose Vergeudung seines Geldes die unnötig dokumentierte Eitelkeit und Selbstgefälligkeit warf er fich auf seine Arbeiten, seiner Umgebung daS Leben ohne ersichtlichen Grund vergällend. Schließlich brachte ihn seine fortschreitende Hypochondrie zudem Entschluß, das Bett nicht mehr zu verlassen; er hat die letzten sechs Jahre seines Lebens seine Werkstätte hierhin verlegt, sich geeignete Vorrichtungen und Werkzeuge ersinnend, die ihm gestatteten, bis zur letzten Stunde den Stichel zu stihren, stets mit gleicher Sorgfalt tätig, unnachsichtig jeden Druck dem Feuer übergebend, der auch nur den mindesten Makel zeigte,.damit nur Vollkommenes der Nachwelt erhalten bleibe'. Er starb mit 39 Jahren 1533. ) Geöffnet von Dienstag bis Sonnabend von 104, Sonntags von 126 Uhr.