der Vorwurf, ob er den Wfchied nicht doch hätte anders gestalten sollen. Ob man ihm seinen plötzlichen, unvorbereite- ten Weggang nicht übel auslegen würbe, ob man ihm nicht Schwierigkeiten machen würde am Ministerium. Da herrschte eben der platteste bureaukratische Geist, die platteste bureau- kratische Geistlosigkeit, wie leicht konnte man ihm da die Zukunft verlegen! Es war ja Sonntag heute, wenn er zurückkehrte und morgen wieder in seinem Dienst wäre was war verloren? Ein paar Briefe, die zu widerrufen waren. Sie fuhren aus dem Walde hinaus, in die freie Ebene hinein. Uebers Ried zogen die Glockenklänge aus den ver- schiedenen Dörfern und klangen von Dorf zu Dorf. Lebens- grüße in der toten, grauen Stille des verhängten Herbsttages. Nicht feierlich-froh wehmütig, matt, gedämpft. Und schrill tönte der Pfiff der Lokomotive hinein, grob ihr Schnaufen und das Rasseln der Räder. Der Wagen war ein miserabler Rappelkasten. Unerträglich- Umkehren? klang beständig die Frage in Philipps Sinn. Umkehren! rief ihm alles entgegen, die Melancholie der Landschaft und der Stimmen immer nur dies eine. Da stieg vorn der Dom von Worms   auf groß, breit, feierlich, mächtig. Da war die Stadt und das bewegtere Leben. Nun war es vorbei mit der vergrabenen Einsamkeit. Und Rheinluft wehte einem entgegen, frische, freie Rheinluft. Nun blinkte der Strom nicht im Som° merglanze und Sonnenfunkeln, aber doch schön. Immer schön, der Rhein  , immer schön wie junge Liebe und verschmerztes Weh. Immer lieb wie Erinnerung. Uferhin fuhr der Philipp weiter, uferhin am Fuß der Rebenhügel. Heimat. In allem das heimatliche Frohsein, das rheinische Freisein. Leichtere Füße und ftischere Schwin- gen, beweglichere, lustigere Menschen- Da vergaß er die Rückkehr da wurde ihm die Heim- kehr eine neue Fahrt und ein neuer Mut ins Weite und Freie, in Zukunft und frohkräftiges Wachstum. (Fortsetzung folgt.). lNnchdrnck verboten.) 2] Der fuchs. Ein Tiermärchen von Karl Ewald  . (Autorisierte Uebersetzung von Hermann Kiy.)' .Räuber, Bandit!" rief die Nachtigall.Kernen Ton sollst du aus mir herausbringen. Glaubst du etwa, daß ich so einem abscheulichen Ungeheuer wie dir etwas vorsingen werde? Nimmer- mehr, und wenn du mich auf den Knien darum bätest!" Hör mal, meine liebe Nachtigall," sagte der Fuchs.Findest du es eigentlich richtig, wenn ein so weitgereister Kavalier wie du das alte Geschwätz von meiner Hinterlist usw. usw. wieder auf- frischt? Mögen sich die Leute hier im Walde mit so etwas amüsieren. Dazu sage ich nichts. Sie haben nichts von der Welt gesehen, die meisten von ihnen sind nicht einmal über die Wald- hecke binausgekommen. Aber du, die du so viel gereist bist und so viel gesehen hast..., wie kannst du nur so dummes Zeug reden!" Du sprichst, wie wenn du ganz anders und viel bester wärest als alle übrigen im Walde, du roter Fuchs." Das bin ich auch," erwiderte der Fuchs.Erstens bin ich nicht hier im Walde geboren, sondern weit drüben, auf der anderen Landseite, zur Welt gekommen, im Norden, über zwei Gewässer weg, und dann noch ein gutes Stück." Wie in aller Welt bist du denn hierher gekommen?" fragte hie Nachtigall.  Kannst du denn schwimmen oder hast du vielleicht einmal Flügel gehabt, die du bei einem deiner Raubzüge ein- gebüßt hat?" Der Fuchs lag mit halbgeschloffencn Augen auf dem Rücken »md streckte alle viere von sich. Na also, du fängst wieder an zu schimpfen! Wie kannst du das nur tun? Nein, sieh mal, Flügel Hab' ich nie gehabt. Sonst hätte ich sie ja natürlich immer noch. Und schwimmen kann ich selbstverständlich gut, tu es aber nur im äußersten Notfall. Und ich Hab' es auch nicht nötig gehabt; denn ich bin auf Staatskosten hierher transportiert worden." Was?" rief die Nachtigall.So etwas willst du mir weis- machen?" Ich mache dir gar nichts weis", entgegnete der Fuchs.Merk" dir das ein für allemal. Aber, wie gesagt, ich bin auf Staats- kosten hierhergekommen. Wir waren im ganzen einundzwanzig junge Füchslein; eine tüchtige Gesellschaft saß da in unserm Kasten beisammen, das darf ich wobl sagen. Und ich war nicht der «Schlechteste darunter. Wir waren soeben mit dem Saugen bei Mama fertig geworden, als man uns ihr fortnahm und in den Kasten steckte. Da machte ich übrigens Bekanntschaft mit meiner ersten Frau. Sie war bcktnals ganz allerliebst. Sobald wir hier angekommen waren und uns eine Höhle eingerichtet hatten, ver- heirateten wir uns. Wir bekamen im ganzen siebzehn Kinder. Zwei davon leben drüben am andern Ende des WaldeS, und eS geht ihnen, soviel ich weiß, gut. Die andern fünfzehn find auß Treibjagden erschossen worden, und ihrer Mutter ist es nicht besser ergangen." Du erzählst mir selbst, daß die Leute Deine Frau und Dein« fünfzehn Kinder erschossen haben; und doch soll ich Dir glauben, daß Du auf Staatskosten über zwei Gewässer und viele Meilen weit über Land hierher gebracht worden bist?" Inwieweit Du mir das glauben willst oder nicht, das ist, wie gesagt, ganz Deine Sache," entgegnete der Fuchs.Siehst Du, der Staat ist ein sonderbares Ding. Bald hat er zu viele Füchse, und bald hat er zu wenig. Begreifst Du das?... Hierzulande hatten die Menschen auf ihren widerwärtigen Treibjagden alle Füchse weggeschossen...Das nenne ich Schurkenstreiche, die Menschen kannst Du mit allen den Schimpfworten belegen, mit denen Du mich vorhin traktiert hast. Das sind Räuber und Banditen." Ich kann leider auch in dieser Beziehung Deine Anficht nicht teilen," sagte die Nachtigall.Ich stehe auf sehr gutem Fuße mit den Menschen. Sie lieben mich und meinen Gesang und schützen mich auf jede Weise." So, tun sie das?" brummte der Fuchs.Ja, fie haben viel komische Einfälle. Aber, daß Du anderer Anficht bist als ich, dar- über ärgere Dich nicht. Du sollst sehen, zuletzt werden wir beide so gute Freunde, daß man uns gar nicht mehr trennen kann." Das mühte mit sonderbaren Dingen zugehen. Aber erzähle mir Doch etwas von Deiner Reise hierher. Es interessiert mich trotzdem." Da siehst Du es," sagte der Fuchs.Na, wir waren also beim Staate stehen geblieben. Sie hatten alle Füchse weggeschossen, und das bereuten sie nachher sehr. Denn nach einiger Zeit konnten sie sich ja der Mäuse gar nicht erwehren, verstehst Du? Die fraßen an den Gräsern und Bäumen alle Wurzeln durch; und es sah so aus, als würden sie den ganzen Wald auffressen. Darum schrieben die Menschen an die Leute in meiner Gegend, ob man dort keine Füchse übrig habe. Und so wurden wir gefangen, hierher gesandt und im Walde ausgesetzt. Wir räumten auch schnell unter den Mäusen auf; aber als einige Zeit verstrichen war, da vergaßen die törichten Menschen, warum sie uns hatten kommen lassen, und fingen an, auf uns zu schießen. Es ist auch wohl möglich, daß sie fanden, daß zu viele Hühner und anderes Federvieh mit drauf- ging. Das hatten sie ja eben mit in Kauf nehmen müssen, denn ein Fuchs kann nicht von Mäusen allein leben. Jedenfalls schössen sie und schössen eine ganze Menge von uns weg. Wenn sie so fort- fahren, dann werden sie sich bald genötigt sehen, neue Füchse ein- zuführen. Die Dummköpfe!" Sie müssen doch wohl wissen, warum sie das tun," sagte die Nachtigall.Die Menschen sind die klügsten von allen Tieren. Sie verstehen sich auf Gesang, Musik und alles." Sie verstehen sich auch auf Fuchspelze," sagte der Fuchs.Sie jagen mich ja auch des Pelzes wegen." Dann lag er eine Weile schweigend da und rieb sich an der Erde und an den Zweigen des Fliederbusches, so daß sie hin und her schwankten. Willst Du mich herunterschütteln?" fragte die Rachtigall.Die Mühe kannst Du Dir sparen. Ich sitze ganz fest." Herrgott, kommst Du schon wieder mit Deinen Bauern- Manieren?" rief der Fuchs.Ich habe Dir ja schon gesagt, und er- laude mir, es zu wiederholen, daß ich nach dieser Richtung hin nichts von Dir erwarte. Schämst Du Dich denn nicht, so etwas zu schwatzen? Du hast Dich doch wirklich in der Welt umgesehen und viele merkwürdige Dingen in den fremden Ländern beobachtet. Mit demselben Vergnügen, womit ich ein junges Huhn fresse, verzehrst Du selbst eine Fliege. Und Du pflückst einen bunten Schmetterling für Deine Jungen in Stücke, genau so wie ich unter die meinen eine gute, weiße Gans verteile. Ist das nicht ein und dasselbe? Was soll also das Gerede? Ueberlaß das den Bauerntieren, und laß uns wie erwachsene Menschen reden, solange wir einander nicht fressen. Die Kindereien langweilen mich. Verschone mich damit. Sing lieber, wenn Du nichts anderes zu sagen weißt." Die Nachtigall fühlte sich durch die Vorwürfe des Fuchses ge- schmeichelt, wenn fie es sich auch nicht merken lassen wollte, und immer noch mißtrauisch war. Warum rüttelst Du denn so an den Zweigen, wenn es nicht geschieht, um mich zu Fall zu bringen?" Das will ich Dir mit Vergnügen sagen; es ist wahrhaftig kein Geheimnis. Ich reibe mich der verfluchten Flöhe wegen. Aber die Plage kennst Du vielleicht gar nicht?" O, gewiß," erwiderte die Nachtigall, und hüpfte vor leiter Eifer ein Ende hinunter.Ich kenne keine schlimmeren Plagegeister als die Flöhe." Ich auch nicht," sagte der Fuchs.Wenn ich ganz ehrlich sein soll, so quälen sie mich furchtbar. Sie sind so entsetzlich zahlreich, und ihre Ausdauer ist fabelhaft. Ein anderer ruht sich doch zwi- sehen den Mahlzeiten wenigstens mal aus. Aber die Flöhe beißen Tag und Nacht. Ich würde wahrhaftig jährlich gern noch eine Treibjagd mehr durchmachen, wenn ich nur von den Flöhen ver- schont bleiben würde... Ich hatte übrigen? geglaubt, daß ihr Vögel nichts damit zu schaffen hattet." I, wie kannst Du das glauben! Niemand wird von allern Ungeziefer mehr geplagt, als gerade wir Vögel. Einige von uns können sich ihrer gar nicht erwehren. Ich habe eine Tante gehabt, die von ihren Läusen und Flöhen geradezu aufgefressen worden ist."