Sie gingen ihren Weg weiter und' beachteten es nicht. tab sie zwischen ihren Blicken Spießruten liefen. Fräulein Güßfeld begann die Rede wieder. Ich denke, Doktor, daß ich nun bald genesen sein werde. Dann gehts wieder hinaus ins Freie, in das Freisein. Und in den Beruf! Das ist mir doch ein lieber Gedanke und ein Trost, daß ich einen Beruf habe. Das gibt doch viel Wider- standskrast. Aber da wollte ich Sie um eins bitte?: wollen Sie gewahren?" Gerne." Nein, sagen Sie das nicht. Es könnte Ihnen schwer werden. Ich habe so ein Gefühl dafür. Sie können ruhig Nein sagen." Er wehrte ab. Sie haben mich operiert und kuriert Sie waren mein Arzt. Doktor, ich hätte es so gerne, und es wäre mir so viel, wenn wir Freunde sein und bleiben könnten. Wollen Sie diese Bitte gewähren?" Er reichte ihr die Hand hin. Besinnen, Doktor, bitte! Sie kennen mich ja gar nicht." Schlagen Sie ein! Wir sind Freunde! Ich kenne Sie genug!" Doktor!" Wir sind Freunde!" Gut! Und bleiben es! Aber es steht Ihnen jederzeit frei, den Vertrag zu lösen. Ich löse ihn nicht, das weiß ich. Denn das ist das Stärkste in meiner Nawr: ich bin un- bedingt treu. Wer mir einmal Freund gewesen, ist mir's immer. Ich vergesse nämlich das Gute nicht, Doktor. Und jetzt gar nicht mehr." Vorn um die Ecke bog eine hohe, breite Männergestalt und schritt ihnen rasch entgegen. Weik!" sagte Philipp. Weik schwang den Hut und hob einen blühenden Zweig in die Höhe. Mit wenigen Schritten war er angelangt, ver- beugte sich tief, ganz außer Atem, und während er Melanie einen Zweig gefüllter Apfelblüten galant überreichte, sagte er:Zum ersten Ausgang, gnädiges Fräulein. Es ist lange her, daß wir uns in den Wiesen trafen. Wissen Sie noch? Ihnen war ein wenig angst vor dem Bär. Aber sehen Sie hier oben von der Burg gefüllte Apfelblüte. Das Bäumchen blüht zum zweiten Male. Und ich mußte den Zweig für Sie stehlen. Sie sollten ihn ans Krankenbett haben. Aber wie ich in die Anstalt heimkomme, höre ich von Ihrer Fmu Gemahlin, Doktor, daß Sie das Fräulein zum ersten Male ausgeführt hätten. So bin ich Ihnen entgegen- geeilt." Melanie dankte ihm. Wenn ich nicht störe, es wäre mir eine große Ehre, wenn ich die Herrschaften auf dem Heimwege begleiten dürfte." Er wischte sich die Stirne. Nun war er in seinem Elemente. Er erzählte munter und anregend. Er war entzückend. Ganz, als sei er einen Augenblick in die große Welt versetzt, in der er vor fünfzehn Jahren gelebt hatte. Melanie warf dann und tvann eine Bemerkung ein, die bewies, wie wenig sie selbst dieser großen Welt fremd war. Nun erzählten sie von dem Feste der ,.<Z:mt'-z-artk"(Künstler­fest) in Paris , das Weik durch die Vermittelung eines Freu«- des, eines großen Pariser Meisters, hatte mitmachen dürfen. Philipp folgte den Erzählungen und Schilderungen. Mc- lanie berichtete von ihrem Aufenthalt in Paris während des J'accusc-Prozesses Zolas, wie sie den Kämpfer zwischen der aufgeregten Menge hatte durchgehen sehen, ohne jeglichen Schutz, den er sich verbeten hatte. Man zerrißJ'accuse", warf ihm die Fetzen ins Gesicht, spie noch ihm er ging erhobenen Hauptes. In einiger Entfernung folgte ihm sein Advokat Labori und bald hinter diesem kamen Jean Jaurös, Clemenceau und der wundervolle Anatole France . Sie haben das miterlebt?" fragte Philipp. Ich hatte eine Freundin in derFronde", Myriam Harry , und so war ich bei allem dabei. Beim Festbankett faß ich Anatole France gegenüber, neben� mir saß Eugäne Carriörc und neben diesen: Rodin . Steinlen, Antoine, Reinach , die alle waren dabei." <_ Philipp war aufs höchste erstaunt. Und da waren Sie auch dabei?" fragte er wieder. Mein Gott, Doktor man war ja auf die große Welt gestellt.... Hätten Sie nicht auch mal Lust, da hinaus zu fahren?" Er war verstimmt und ärgerte sich über sie. U'n8 ee beneidete sie und war eifersüchtig auf ihr weiteres Erleben- Paris klang ihm beständig im Sinn, und alle die großen Namen. Und alles um ihn herum schrumpfte klein zusammen- Es war viel Streit und Widerstreit in ihm, es war eine Un- ruhe in ihn geworfen, die ihn aus allen Wurzeln hob. Sie standen am Tore des Sanatoriums. Nun wurde der Arzt in ihm wieder vorherrschend. Ich mache mir Vorwürfe, ich glaube, es war zu viel für Sie. Morgen gar keinen Ausgang oder nur wenig. Gehen Sie nur in den Garten. Vorsichtig sein!" Danke, danke. Werde alles schön gehorsam befolgen." Sie ging den linken Gang entlang, der nach dem Flügel führte, wo die Frauen wohnten. Weik blieb noch einen Augenblick bei Philipp stehen. Ein wundervoller Mensch." Er nahm Philipp am Arme und zog ihn näher an sich heran. Ein Profil wie eine Gemme," flüsterte er ihm ins Ohr. Philipp errötete. Dann gingen sie auseinander. �Fortsetzung folgt.)! 6] Zwei fraucn, Von A. Werbitzkaja. Aus dem Russischen von Stefania Goldenring. (Schluß.) IV. Zwei Jahre waren vergangen. Katja war mit Polosjew ver- beiratet und erivartete jetzt das erste Kind. Vor diesem Glück waren alle früheren Interessen verblaßt, alle Sorgen vergessen. Auch Zaplina geriet in Vergessenheit. Aber Katja hatte sich lange ihrer erinnert und ihr oft ge- schrieben, besonders in dem ersten Halbjahr nach der Hochzeit hatte sie der Freundin ihr Glück geschildert und sie gebeten, ihr zu ant- Worten. Aber sie hatte nie eine Antwort erhalten. Später hatte auch Katja geschwiegen. In ihre leidenschaftliche. aber zaghafte Liebe zu ihrem Mann sickerte oft eine gewisse Bitter- leit durch, wenn sie sich wie damals im Theater über ihre gegenseitige Entfrentdung, seine Gemütshärte und Energielosigkeit und über seine verletzende Nachsicht ihr gegenüber klar wurde. Sie war auf die Vergangenheit ihres Mannes eifersüchtig, fragte ihn oft nach seinen früheren Beziehungen, nach seiner ersten Liebe. Bei jedem anständigen Menschen ist seine Frau seine erste Liebe," Pflegte Polosjew zu antworten. Auch wenn er mit vierzig Jahren geheiratet hat?* fragte Katja, mit den Augen blinzelnd. Er wich der Antwort ans und küßte sie zärtlich, aber sie fühlte in dieser Liebkosung eine Kälte und weinte oft... Sie erinnerte sich des Gerüchts vor der Hochzeit, über das sie so entrüstet war, daß Polosjew nach ihrer Mitgift, nicht nach ihrer Liebe strebte, und sie war in diesen Tagen des Zweifels tief unglücklich. Die Tatsache stand deutlich vor ihr. Ihre Liebe hatte seine Seele nicht erwärmt, seine Augen leuchteten nicht in jugendlichem Glanz auf, sein Herz entflammte nicht in Begeisterung... Jene erste Fron, die er in seiner Jugend geliebt hat, die alle Farben undTöne dieses verstuinmtenHerzenS an sich genommen hatte, sie hatte ihn als einen andern gekannt... Zuweilen schien es ihr, daß sie selbst, Katja, eine ganz unbedeutende. zufällige Stelle in PoloSjews Leben einnahm. Manchmal dachte sie, daß dieS überhaupt das Schicksal der Gattinnen jener Männer sei, die das Grcnzaltcr überschritten haben und sich an die leer- gewordene Tafel mit niedergebrannten Kerzen und Speiseresten setzen, nachdem die geladenen Gäste sich zerstreut haben. Es war warmes, heiteres, freudiges Frühlingswetter der dritte Frühling in ihrer Ehe. Polosjew war nicht zu Hause. Man überreichte Katja einen eingeschriebenen Brief. Während sie ihren Namen unterschrieb, fiel ihr Blick auf de» Stempel des CouvcrtS, und sie empfand eine freudige Ueberraschung. Endlich!..." Eine Nachricht au? fernem Lande, wo die Zaplina lebte. Ihre Handschrift kannte Katja nicht. Aber der Brief war natürlich von ihr. Nur irrtümlicherweise der Sicherheit wegen war er an ihren Mann adressiert. Das liebe Mädchen... sagte Katja laut und küßte den Brief. Im Zimmer ihres Mannes, in dem sie sich befand, las Katja den Brief; sie wurde bis an die Lippen bleich, laS ihn noch einmal und fiel endlich in den Sesiel, weil ihr die Füße den Gehorsam verweigerten. Der Arzt ihres Kreises teilte Polosjew offiziell mit, daß die teldscherin Zaplina gestorben war, nachdem sie sich während der pidemie an Flecktyphus angesteckt hatte und zehn Tage krank ge- Wesen war. Es folgten einige Zeilen intimeren Charakters.