»Aber, mein Sohn, bsdenke doch, bofc mich Deine Schuld gegensie und Deine Schuld gegen Gott in demselben Verhältnis ab»nehmen."„Verdoppeln Sie mir die Buße, ich rede doch nicht. Und ichdanke Ihnen für Ihre Dankbarkeit."„Dankbarkeit?"„Wie oft soll ich Ihnen das sagen, Don Pietro? Diese Gelderverdanken Sie heute mir, wie Sie gestern die Ausbesserung derKirche mir verdankten. Ohne mich wären Sie und Ihre Kirchedas geblieben, was sie vor drei Jahren waren: das heißt nichts,absolut nichts. Eine arme, schmutzige Kirche, ein armer und un-bekannter Pfarrer. Ein Ehrenmann, das leugne ich nicht, DonPietro. Aber schließlich, wer ist Ihrer Kirche nützlicher gewesen?Dieser Ehrenmann, der Sie sind, oder jener Dieb, der ich bin?"Don Pietro schaute ihn weiter an wie hypnotisiert. Er stimmtezu, indem er zwei- oder dreimal mit dem Kopfe nickte, und er-widerte:„Es ist wahr. Die Wege des Herrn sind verborgen."„Sie mögen manches Mal verborgen sein, aber diesmal findfie äußerst sichtbar," gab Santino unerschrocken zurück.Und da die Petroleumlampe immer schwächer leuchtete, löscht«er fie aus, zündete eine Kerze an und ging in die Küche, um dieLampe wieder zu füllen. Als er zurückkam, fand er Don Pietroohnmächtig über einer Armlehne des Sessels liegend, wie zer«schmettert.Santino hob die Lampe hoch, um ihn besser zu sehen. Dannstellte er die Lampe auf den Tisch, neben den Dreispitz, den derGeistliche bei seinem Eintritt dorthin geworfen hatte. Und er nahmden Dreispitz, glättete vorsichtig mit dem unteren Teil des rechtenBermels den zerzausten Filz, setzte ihn auf den Kopf und ging anden Kamin, um sich in dem darüberhängenden kleinen Spiegel zubetrachten.Wenige Minuten später eilte der Sakristan herbei, der vonSantino geweckt worden war, und sie legten Don Pietro aufs Bettund riefen den Arzt. Die kalte Nacht, dos Alter, die wahrschcin-lich durchgemachte Erregung: das waren für den Arzt die Ursachenvon Don Pietros Krankheit. Er war zehn Tage krank. In diesenzehn Tagen durfte niemand, außer dem Notar zum Auftetzen desTestaments und dem Priester, der dem Kranken in der Sterbo-stunde die Absolution erteilte, das Zimmer des Geistlichen betreten, und Santino ging nie weiter fort, als in das anstoßendeGemach.Don Pietro starb, und am selben Tage wurde das Testamenteröffnet. Er hinterließ all sein Hab und Gut Santino,„damit eres verwende, wie sein christliches Gewissen es ihm raten würde".Santino erhob nack einem Monat das Legat des Grafen Anzilei,schenkte weitere tausend Lire der Kirche und teilte dem NachfolgerDon Pietros ganz offen, außerhalb der Beichte mit, indem er dieBeweis« vorzeigte, daß er der Schenker der anderen dreitausendLire in den vergangenen Jahren wäre.Santino Santi ist heute Besitzer zweier großer Mühlen amFlusse Clitunno und Bürgermeister seiner Heimatstadt. Der Sohndes Grafen Anzilei, der gezwungen ist, in Neapel zu leben, möchteihm gerne die Verwaltung seiner weiten Besitzungen übertragen.Santino Santi hat sich bis jetzt noch nicht hierzu entschließenkönnen.82. Versammlung cleutscker f�atur-forfcbcr und Herzte.Die beiden Hauptgruppen hielten Mittwoch stark besuchte Ge-samtsitzungen ab. In der naturwissenschaftlichen Hauptgruppe sprachProfessor T 0 r n i e r- Berlin über die Bedeutung des Ex»periments in Pathologie und Tierzucht. Erst durchdas Experiment ist die Tierbiologie aus der Vorstufe der Philosophiezur exakten Forschung geworden. Dem Vortragenden ist es gelungen,an Axolutten und Fröschen durch Aufzucht ibrer Embryonen inplasmaschwächenden chemischen Lösungen und in Wasser mitLustmangel alle jene Verbildungen hervorzurufen, die als an-geborene Mißbildungen in ganz genau derselben Form beiallen Wirbeltieren, also auch beim Menschen, von Natur auftreten,so daß zweifellos auch bei diesem die gleichartigen Verbildungenunter gleichen Bedingungen entstehen. Die plasmaschwächendenLösungen wirken dabei, indem sie die Bewegungsenergie desEmbryo schwächen und zugleich auch dessen Ausbauzellen und vorallem seinen Nährdoller verguellen lassen. Dadurch werden z. B. inder aufgetriebenen Leibeshöhle alle Organe in der EntWickelungstark gehemmt und dadurch zerkleinert, so Herz, Nieren, Lunge;die Tiere werden in extremen Fällen teilweise oder ganzunfruchtbar. Durch zu langes Offenbleiben der embryonalen After-anlage wird ferner der Schwanz entweder für immer aufgerichtetoder durch Spitzenverluft zum Stümmelschwarz oder kommt garnicht zur Entwickelung. Indem sich ferner der verquellende Nähr-dotler vor die wachsende Kopfanlage legt, und in die entstehende Mundhöhleeindringt, wird u. a. zuerst die Schnauze des Tieres verkümmert, dannauch der Unterkiefer. Die Mundhöhle erweitert sich stark und der Munderhält die Neigung oder den Zwang zum Offenbleiben usw. Untersolcher Nährdolterverquellung konnten experimentell erzielt werden:Cyclopen, Hasenscharre, Albinismus. Augenlosigleit, angeboreneKurz- und Weftfichtigkeft usw. Es wird dann an dem Beftpiel derGoldfische und Hausschweine nachgewiesen, daß die Haustiere oder„kkullurcharaktere" der Tiere zumeist auch aus verhältnismäßig ge»ringer embryonaler PlaSmaschwäche ihren Ursprung nahmen, so z. B.die Schnauzenverkürzung und die Stirnauftreibung der Tiere. DaSHochiragen des Schwanzes, die Vergiößerung des Leibumfanges und dieVerkleinerung der Gliedmaßen, die Anlage zur Fettsucht und dieZahmheit. Diese Plasmaschwäche aber entstand durch Luftmangelin schlecht ventilierten Ställen und Aufzuchtbehältern. Nachdem derRedner dann noch einmal darauf eingegangen war, daß auch beidem Menschen die angeborenen Mißbildungen wie die experimentellerzielten entstehen, betonte er. daß es nunmehr möglich werde, ihrEntstehen beim Menschen zu verhindern.In der Abteilung für Geologie hielt Professor Potoniö»Berlin einen Vortrag über dieEntstehung unserer Moore.Ein Moor ist ein Gelände mit einem mächtigen Torfboden. WennTorf, jenes nach unvollständiger Zersetzung der Vegetation zurück«bleibende Brennmaterial, sich noch weiter bildet und anHöhr, so habenwir es mit einem lebenden Moor zu tun. Wir nennen das Moor tot,sobald durch natürliche oder künstliche Entwässerung des Moores dieTorsbildung ganz oder fast ganz unterbrochen wird. Nahe ver«wandt mit den Mooren sind die durch Organismen erzeugten echtenSünrpfe. Sie sind mit organischem Schlamm, d. h. mit einemfließenden organischen Brei erfüllt und infolgedessen vollständig un»begehbare Wannen oder Strecken. Die Urniarerialien solcher Sümpf«sind echte Wasserorganismen, nicht aber Sumpf» und Landpflanzen,ivelche die Urmaterialien des Torfes sind. Der von milroikopischenLebewesen erzeugte Faulschlamm kann sich nach und nach vieleMeter mächtig anhäufen und zur Versandung eines WasserSwesentlich beitragen. Wie sich bei geologischen Studien sooft zeigt, sehen wir auch hier wieder, daß daS Kleine undKleinste, das in seiner Wirkung innerhalb der kurzen Spanneeines Menschenlebens kaum Beachtung zu verdienen scheint, in denZeiträumen, die die Geologie zu messen bat, einen großen AuS»schlag zu geben verniag. Dort, wo in ein Gewässer, in dem Faul»schlämm zur Ablagerung gelangt, außerdem ein nicht organischesMineral wie Ton oder Sand hineingeführt wird, sei eSvon Zuflüssen, oder auch durch den Wind, da entsteht ein gemischterSchlamm. Wenn Tacitus vor bald 2<X>0 Jahren von Deutschlandsagte, es sei im allgemeinen mit finsterem Urwald oder wüstenSümpfen bedeckt, und einige hundert Jahre später Prokopvom Niederrhein angibt, dort befänden sich Sümpfe, in denen zualten Zeiten die Germanen wohnten, so haben jene Historiker fürihre Zeit gewiß das Richtige getroffen. Denn Deutschland besaßdamals in allen Teilen des Landes große und kleine sumpfige Ge-lände. In Norddeutschland mögen Sümpfe und Moore rund'/isder gesamten Landfläche eingenommen haben. Solche Sümpfe habenhäufig verdrängten Volksstämmen als Zufluchtsort gedient. Einwunderbares Torfmoor befindet sich noch im Memeldelta. Aber beider fortschreitenden Kultur wird auch dieses in wenigen Jahrenvernichtet sein. Es ist für den Naturforscher eine bange Frage: Mußund soll denn alles verschwinden, was an die Urnatur erinnert?Gewiß; der Kulturfortschritt gehört zur Menschenkultur, er ist einenaturgemäße Bewegung, die nichts aufzuhalten vermag. Aber wieder Mensch ein Recht an die Kultur hat, so hat er auch ein Rechtan die Natur. Kunst und Wissenschast und historische Erkenntnisverlangen die Erhaltung der Moore, dieser so großen und eigen»artigen Naturerscheinungen. Möchten unseren Nachkommen noch stilleFlecke übrig bleiben, wo sie sich in die natürlichen Urzustände derHeimat verienken können!In der Abteilung für Zoologie hielt Dr. I. Thienemann»Rosinen einen Vortrag über„Untersuchungen über dieSchnelligkeit des Vogelfluges". Positive Angaben darüber, wieschnell unsere Vögel tatsächlich fliegen, gibt es zurzeit noch rechtwenige. Man war bisher meist auf Schätzungen angewiesen undkonnte die Windstärke nicht berücksichtigen. Seit einiger Zeit wirdnun auf der Vogelwarte Rositten eine eigene Methode angewendet,um die Eigengeschwindigkeit der Zugvögel möglichst genau festzustellen.Auf einer abgesteckte» Strecke von einem halben Kilometerwird mittels Feldtelephon und Sekunden-Sioppuhr zunächstermittelt, wie viel Zeit die Zugvögel zum Durchfliegen der Streckebrauchen. Daraus wird dann unter Berücksichtigung der jeweiligenWindstärke die Eigengeschwindigkeit der Vögel festgestellt. Der Zug»flug der Vögel zeichnet sich nach diesen Beobachtungen durch großeStetigkeit, aber weniger durch große Schnelligkeit aus. Die Nebel»kräbe erzielt eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 13,9 Meter proSekunde mit vier Flügelschlägen, das ist m der Stunde etwas über59 Kilometer, also ungefähr die Schnelligkeit eines gewöhnlichenSchnellzuges. Daraus geht hervor, daß Heinrich Gätke, dernach Beobachtungen aus Helgoland die Geschwindigkeit der Nebel»krähe auf 209 Kilometer in der Stund« schäyle, sich sehr stark geirrtHai. Die größte Schnelligkeit von allen bisher beobachtetenVögeln erreicht der Star mit 74,1 Kilometer pro Stunde. Die alshervorragende Flieger bekannten Raubvögel, z. B. Wanderialk undSperber, zeigen eine weit geringere Schnelligkeit. Bemerkenswerterscheint es. daß selbst innerhalb derselben Vogelspezies die Eigen»gesaiwindigkeit nicht immer gleich ist. Die zunehmende Stärke desWindes scheint die Eigengeschwindigkeit günstig zu beeinflussen.Am Donnerstag sprach in der Gesamtsitzung beider Haupt»gruppen Prof. Z e n n e ck- Lndwigshafen über die Verwertungdes LuftstickstoffS inil Hilfe des elektrischenFlammenbogens. DaS Problem der künsttichen Salpeter«