und der Zibetkatze, welch beide letzteren den Menschen die stärksten überhaupt existierenden Parfüme lieferten. Daß Wohlgerüche auch auf den Menschen anregend und belebend wirken, ist eine längst fest- gestellte Tatsache, die neuerdings auch durch wissenschaftliche Ver- suche belegt wurde. So konnte man beispielsweise feststellen, daß ein Mann, der unter gewöhnlichen Bedingungen am Ergographen (Apparat zur Messung von Arbeitsleistungen) 1 Kilogramm mit dem Daumen hochzuheben vcmochte, unter dem Banne des Geruchs von Tuberosen 1 Kilogramm und 100 Gramm hochhob. Vor allem wird auch die geistige Tätigkeit durch gewisse Düfte angeregt. So liebte Friedrich Schiller beim Gerüche faulender Acpfel, die er sich in der Schublade seines Schreibtisches hielt, Viktor Hugo da- gegen bei dem der wilden Winde zu schreiben. Starke Düfte, wie Moschus, regen auf. und unangenehme Gerüche können empfind- same Menschen geradezu krank machen. So wurde der Natur- forscher Albrecht von Haller durch den Geruch von Käse, der Herzog von Epernay durch den des Hasen ohnmächtig. In besonders nahen Beziehungen stehen Wohlgerüche zur Mystik und zum Geschlechtsleben. Alles deutet darauf hin, daß sich das Weib zuerst der Wohlgerüche als sexueller Reiz- mittel bediente, und sie erst weit später zur Vcrdcckung eigener übler Gerüche verwendete. Es ist durchaus kein Zufall, daß bei allen Vcrführungsszenen im Alten Testament Parfüme erwähnt werden. So weit wir in der Geschichte zurückzugehen vermögen, finden wir wohlriechende Salben und Oele im Inventar vornehmer Frauen, und zwar war schon im alten Reiche in Aegypten die Ver- Wendung der Wohlgerüche so spezialisiert, daß für alle Körperteile besondere Parfüme zur Anwendung gelangten. Von den O r i e n- t a l e n, die bis auf den heutigen Tag große Liebhaber von Wohl- gcrüchen sind, so daß sie sogar das Konfekt nach unserem Empfin- den übermäßig würzen, übernahmen die Grieche» und Römer diese Vorliebe für Wohlgerüche. Als die Mazedonier im Gefolge Alexanders des Großen nach der Niederlage des Dareios bei Gau- gamola am 1. Oktober 331 v. Ch. die luxuriösen Zelte des persischen Großkönigs plünderten, waren sie vor allem über den unermeß- lichen Reichtum an wohlriechenden Salben und köstlichen Gewürzen erstaunt. Doch bald empfanden sie an diesen Produkten einer ver- feinertcn Kultur selber Freude, und so war auch in den reichen Griechen st ädten der Luxus an Parfümen ein gewaltiger, so daß sich schließlich die Gesetzgeber genötigt sahen, dagegen einzu- schreiten. Das„veilchenduftende" Athen trieb in den drei letzten vorchristlichen Jahrhunderten die Parfümverschwcndung so weit, daß für die verschiedenen Teile des Körpers besondere Salben im Gebrauch waren. Dort salbten die üppigen Frauen die Haare mit einem Parfüm aus Majoran, Kinn und Racken mit einem solchen aus Thymian, die Arme dagegen mit einem aus Minze. In dem Venveichlichten Rom der Cäsaren wurde die Verschwendung mit Wohlgerüchen auf die Spitze getrieben. Damals war das unter dem Konsulat des Licinius Crassus aufgebrachte Gesetz, da» in Italien den Verkauf ausländischer Parfümerien verbot, schon längst als unhaltbar aufgegeben, und von weither bezog man die kost- barsten Essenzen, den Veilchenduft von Athen , Rosenöl aus Kyrene , Nardcnsalbe aus Assyrien , Hcnnablütenextrakt aus Aegypten usw. Das Parfümieren stand ganz im Dienste der Liebesgöttin Venus, und der Handel mit den Wohlgcrüchen wurde meist von Kurtisanen, Kupplerinnen und Bordellwirten ausgeübt. Man macht sich keinen Begriff von den Unsummen, die damals in Rom für Wohlgcriiche ausgegeben wurden. So verbrannte Kaiser Nero beim Begräbnis seines zweiten Weibes Poppaea Sabina , die er durch schnöden Freundschaftsbruch in seinen Besitz gebracht hatte und im Jahre Kö durch Mißhandlung in hochschwangerem Zustande tötete, mehr Weihrauch, als damals Arabien in einem Jahre hervorzubringen vermochte. Allerdings waren die Eigenliebe und Gefallsucht dieser Frau ungemein groß. Obschon sie nicht mehr jung war, lebte sie nur der Pflege ihrer.Körperschönheit, trug zur Erhaltung ihres zarten Teints eine Maske, die sie vor dem Sonnenbrand schützen sollte, und führte auf ihren Reisen und während des Sommeraufenthalts stets 000 Eselinnen mit sich, um täglich in deren Milch zu baden und dadurch die Reize ihrer Haut zu erhalten. Nach dem Untergange der römischen Weltherrschaft beschränkte sich die Anwendung der feineren Parfümerien wesentlich auf das an Kultur höherstehende Morgenland und die Vornehmen von Byzanz, während das die Weltflucht predigende Christentum des Abendlandes solchem Luxus nicht gewogen war. Erst durch den Einfluß der Kreuzzüge und der arabischen Aerzte kam hier die Anwendung von Wohlgerüchen bei den Wohlhabenden auf und drang während der Renaissance in breitere Volksschichten, zunächst in den reichen Städten Italiens . Aus ihrer Heimat Florenz verpflanzte Katharina v. Mcdici 1533 bei ihrer Vermählung mit Franz des Ersten Sohn, dem nachmaligen König Heinrich II. , den übermäßigen Gebrauch von Parfüm an den französischen Hof, der dann unter Ludwig XIV . und Ludwig XV. die Ver- Wendung von Wohlgerüchen beinahe so weit trieb, als es die Vor- mehmen im kaiserlichen Rom getan hatten. Wie der Kaiser Nero {eine Gemächer stets mit Rosenessenzen parfümiert haben wollte, iebte Ludwig XIV. in einer stark nach Orangenblüten duftenden Atmosphäre zu leben. Der allmächtige Minister Richelieu , der seit l&2i unter Ludwig XIII . die Geschicke Frankreichs leitete, verließ «wr selten sein scharfparfümiertes Arbeitszimmer. Zu seiner Zeit veraotw. Redakteur: Richard Barttz�Berlim war der Geruch faulender Aepfel sehr beliebt und män rieb deren Fleisch mit Fett zusammen, um sich mit der so erhaltenen Masse die Haare zu parfümieren. Es ist dies die Pomade, die von den Aepfeln ihren Namen erhielt. So üppig auch der französische Hof war, so war er in bezug auf Reinlichkeit kein Muster, und hier wurden die Parfüme zum großen Teil zum Verdecken der eigenen üblen Gerüche verwendet. Im Gegensatz zur Badfreundlichkeit des Mittelalters war jene Zeit sehr wasserscheu; bis zum König hinauf mied man nach Möglichkeit selbst das tägliche Waschen mit Wasser, befeuchtete vielmehr nur Gesicht und Hände bei der Toilette mit Parfüm, und war daneben äußerst sparsam mit dem Wechseln der Leibwäsche, die viele Wochen anbehalten wurde. Besonders unter dem liederlichen Ludwig XV. wurde die Verschwendung mit Parfüm eine heillose, so daß eine seiner Maitressen, die Pompa- dour, jährlich mehr als eine halbe Million Frank dafür ausgab. Und zwar waren damals die stärksten Düfte die belieb- testen. Heute verwenden selbst die Vornehmen nicht mehr solch über- triebcne Parfümierung, die nur ein Zeichen stumpfer Geruchs- nerven ist. An? meisten Parfümluxus treiben noch die Frauen, deren Gcruchsorgan,':c durch eingehende wissenschaftliche Versuche fest- gestellt wurde,'-niger fein empfindet wie das der Männer. Und wenn auch he: bedeutend weniger ausgiebig wie früher parfü- miert wird, so ist dennoch der Verbrauch an Parfümen sehr viel größer als je in der parfümwütigsten Vergangenheit, weil er sich nicht mehr auf die höchsten Kreise beschränkt, sondern sich auf alle Volkskreise ausgedehnt hat. Ihre Herstellung beschäftigt heute einen bedeutenden Industriezweig. Die meisten Parfüme liefert Frankreich , das jährlich für über 12 Millionen Frank davon ins Ausland versendet, während Deutschland jährlich für etwa 2 Millionen Mark einführt. kleines Feuilleton. Völkerkunde. Kinderehen in Indien . Das außerordentlich frühe Alter, in dem die meisten indischen Mädchen in die Ehe treten, bringt nicht nur die weibliche Jugend um die schönste Zeit ihres Lebens, sondern ist auch von großen Gefahren für die Gesundheit vieler Jndierinnen begleitet. Ucber die« Problem der Kinderehen in Indien spricht Mrs. I. Ramsey Macdonald in eüiein amerikanischen Blatte. Indien ist ein Land ohne junge Mädchen. Wenn man in den höheren Ge- fellschaflskreisen den zarten, feinen Frauengestalten begegnet, die das 20. Jahr nock nicht überschritten haben, so vergißt man ganz,, daß man Ehefrauen, vielleicht schon Familienmütter vor sich hat, die die Schönheit der Mädchenzeit nie genossen haben, sondern noch als Kinder verheiratet wurden. Und nicht anders ist es unter den ärmeren Klassen. In den Dörfern begegnen dem Europäer überall kleine, schwarzäugige, lächelnde Mädchen, von denen ihm der Führer berichtet, daß es verheiratete Frauen find, weil sie Armbänder an ihrem Unterarm tragen. Oder man sieht in den Baumwollspinnereien kindliche Gestalten, die kaum das notwendige Arbeitsalter von neun Jahren erreicht zu haben scheinen und deren rote Bemalung doch verkündet, daß sie bereits das Joch der Ehe tragen. Da diese jungen Frauen zumeist schon mit 14 und 15 Jahren Kinder bekommen, so wird ihnen in noch ganz unreifem Alter eine schwere Verantwortlichkeit auferlegt; außer- dem aber find sich alle Aerzte darüber einig, daß diese frühen Ge« burten auch eine große körperliche Schädigung der jungen Frauen bedeuten. Die Kinderheiraten in Indien sind verhältnismäßig späten Datums; sie finden sich noch nicht in den alten heiligen Büchern vorgeschrieben, sondern werden auf die Zeit der mohammedanischen Einfälle zurückgeführt, in der die Hindus ihre jungen Mädchen durch eine rasche Heirat vor den Feinden schützen wollten. Gegenwärtig ist nun eine Bewegung im Entstehen, die ein späteres Heiraten er- strebt und eine größere Gleichstellung der Geschlechter. Diese sich immer stärker geltend machende Reform wird veranlaßt durch die bessere Erziehung, die einem kleinen Teil der indischen Knaben und Mädchen jetzt zuteil wird. Die englische Regierung ist in der Ein- richtung von Mädchenschulen mit gutem Beispiel vorangegangen, läßt aber in der systematischen Ausbildung des Erziehungswesens noch viel zu wünschen übrig. Die Inder haben dann selbst Mädchenschulen errichtet, und in Älighar, wo sich daS indische College für Knaben befindet, ist auch eine höhere Schule für Mädchen entstanden. Im ganzen besuchen von den 560 261 indischen Mädchen, die überhaupt Schulunterricht erhalten, 1208 eine höhere Schule. Es ist freilich noch ein recht geringer Prozentsatz der weiblichen Bevölkerting Indiens , der die Segnungen de« Unterrichts empfängt, etwa 3 oder 4 Proz., und die meisten dieser Schülerinnen erhalten nur eine ganz oberflächliche Kenntnis im Lesen und Schreiben, denn initten aus dem Lernen und aus der Schule reißt sie die Ehe heraus, die sie noch als Kinder eingehen müssen. Dabei besteht in Ivetten Kreisen der indischen Frauen eine Sehnsucht nach Bildung, die mit dem Wunsche nach späterer Verheiratung Hand in Hand geht. Nur eine bessere Erziehung wird auch die Sitte der Kinder- heiraten einschränken können. Es wäre also die Aufgabe der eng- fischen Regierung, größere Mittel für die Errichtung von Mädchen- schulen auszuwerfen. — Druck u. Verlag: VorwarrtBuchtruckerei u.VerlngKaniraUUaut Singer ScTo..Bertmt»At.
Ausgabe
27 (29.9.1910) 190
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