Das ist zu hart für Dich, mein Kleiner." sagte das Mädel.Komm, ich nehme Dich, wie Du bist. Du dauerst mich." Aber Philipp rührte sich nicht, obgleich er sie erkannte. Sie war früher auf dem Montmartre gewesen und hatte Karriere gemacht. Nun saß sie im(?ak6 am�ricain: viel- leicht brachte sie's auch noch zu Maxims. Schön war sie freilich nicht, aber fett und frech. Und sie hatte Stil. Sie verstand's. Sie hatte es den Malern und Bildhauern abgeguckt, bei denen sie Modell gewesen war. Liane de Pougy leuchtete auf den fünf Glatzen, sie hoben fich, die Zylinderhüte setzten sich darauf, Folies-Bergdre leuchtete auf den Zylinderhüten ein Ruck die Fünf drehten und schritten weiter. Der Mechanismus funktionierte gut. Und die Dirne hatte hier noch geholfen, die Reklame wirksam zu machen. Der Herr im schwarzen Gehrockanzug schmunzelte, trat zurück und verlor sich in der Menge. An diesem Abend war im Chütelet eine große Auf- regung unter den Lebemännern. Die Beya tanzte wie eine Wahnsinnige und stieß schan'e, rauhe Raubvogeltöne und Schakalschreie dabei aus. Aber das war es nicht, was die Aufregung hervorrief. Man hielt sie ja für eine Wilde, und ihre Wildheit war ja gerade ihr Reiz. Nein, seit acht Tagen war der Platz lcex, wo d e r immer gestanden hatte, mit dem sie ihren Liebesroman lebte. Alle Hoffnungen waren wieder wach geworden und flogen hoch. Nun galt's. Wer wird Sieger sein? Nun brauchte sie Trost; das erleichterte den Sieg. Der Reichste, der Schönste, der Glänzendste, der Stärkste wer würde ihn davontragen? Welche Taktik war dazu nötig? Oder half alle Taktik nichts, war's nur der Zufall? Man sandte ihr Karten, Blumen. Geschenke. All die kleinen Choristinnen waren bestochen. Jede vertrat einen anderen Nanien. Den Marguis von den Baron von den Grafen von Monsieur Soundso Mister Soundso den Duke of Sir Charles und so weiter. Die Al- g&rienne hörte darauf, wie man auf den Regen hört, der draußen an die Scheiben schlägt. Nachdem ihre Nummer vorbei war, ging sie fort. Aber sie zog sich kaum um. Sie warf ihren Mantel über und stürzte davon. Am nächsten Tage war es ebenso, und die ganze folgende Woche hindurch. Nach ihrer Nummer leerten sich die Logen und Parkettsitze. Draußen wartete man auf sie. Wagen und Automobile waren für sie bereit. Sie stürzte davon. Sie beachtete keinen, der fich ihr näherte. Und einmal trat aus der Reihe der Wartenden ein großer, starker Mensch auf sie zu. Er war elegant und vor- nehm. Sie wollte an ihm vorübergehen. Madame," sagte er,einen Augenblick, wenn Sie er» laubenl" Sie sah zu ihm auf. Er faßte sie fest ins Auge. Und sie behielt den Blick zu ihm aufgeschlagen. Tann stieß sie einen leisen, heiseren Schrei aus und fletschte die Zähne. Ohne ein weiteres Wort zu sagen, winkte der Herr seinem Kutscher und gab laut und deutlich den Befehl:Zu Maxims!" Die AIg6rienne stieg ein, willig und furchtsam, wie im Banne einer Hypnose. Der Fremde strich ihr leicht und zurückhaltend über den Scheitel. Ich liebe Siel" Ter Alg6rienne hob sich die Brust sie lächelte. Sie lächelte bezwungen und voller Liebe. Und sie war schön dabei wie eine Königin der Nacht. Ter Siegerl" sagte einer der zurückbleibenden Herren mit einer hohen und knackenden Stimme. Sie wird uns noch alle ruinieren," erwiderte ein anderer, der nervös an seinem goldenen Armband spielte. «Wir müsien nur warten. Und bei Maxims werden wir uns wiedersehen." «Wir haben noch Schonzeit," warf einer ein. -»Sie ist schön und wild." bemerkte ein anderer. Es ist der Maler Guirand de Villeneuf, wißt Ihr, der sie gewonnen hat. Einerseits ist er ein Gascoguer aber andererseits weiß er zu schätzen, was er hat. So werden wir noch lange das Nachsehen haben. Bis dabin aber es gibt nicht nur einen Mond, der nachts leuchtet, es gibt auch Sterne. Und wenn das Wetter trübe ist. gibt's sogar die Nachtlampe, die dann nicht zu unterschätzen ist. Auf Wieder-, Lehen auf Wiedersehen!" �Auf Wiederjehenl" und Kutscher und Automobile setzten fich in Bewegung. Und jeder fluchte vor fich hin: Verdammt, dieser Guirand de Mlleneuf mit seiner herku­lischen Gestalt und den unheinilichen Augen." Vor dem Chätelet standen nur noch wenige Leute ein paar Metsdroschken, Zeitungsverkäufer und BlumenhändW und erwarteten das Ende des Stückes. Bei Maxims knallte der Champagner. �Fortsetzung folgt.). gz Die familie Krage. Von Johann Skjoldborg. Autorisierte Uebersetzung von Laura Heldk V. Die Gedanken der Dünenbewobner reichten über ihr Land und Reich nicht hinaus. Höchstens gingen sie bis an die Grenze ihres Bezirks. Innerhalb desselben kannten sie dann allerdings auch alles genau wie die kleinen Fische, die in den Gewässern und Tümpeln der Dünen leben, auch mit allen Winkeln und Rinnen dort vertraut sein müssen. Und gleich wie diese im Graben ganz still stehen und alle den Kopf nach einem und demselben Punkt drehen würden, falls irgend ein fremdes Tier durch den Kanal kommen und auftauchen würde, so standen die Gedanken sämtlicher Düncnbewohner still und waren alle auf das von der Familie Krage bewohnte Haus gerichtet. Namentlich an den langen Abenden, wenn jeder in seinem eigenen, einsamen Hause saß. Und JenS Roü konnte es nicht länger aushalten. Eines Adcnds erhob er sich ungeduldig von seiner Bank und zog die Jacke an. Unterwegs kehrte er bei Niels Malle ein. der gerade sein großes wollenes Halstuch umband, als sei er fix und fertig zum Mitgehen und habe nur auf ihn gc- wartet. Und als sie bei Drösbak einbogen, kam Mads Riet den Fußsteig von Nordosten dahergehumpelt. Auch er nahm feinen Kurs auf das Haus der Familie Krage zu. Hier saßen Anders und Rjesten wie gewöhnlich im Ofenwinkek, jeder auf seinem strohgeflochtenen Stuhl. Der Webstuhl war ent- fernt und unter den Fenstern stand wieder der lange Tisch, an dem Marie Platz genommen hatte, im Begriff, ihres Vaters steife Lederhosen auszubessern, während Jürgen mit aufgeschlagenem Atlas und anderen Büchern aus der Schulzeit dasaß und Sören Knak, dem nächsten Nachbar, der aufmerlsam zuzuhören schien. etwas erzählte. Jens Rou war der erste, der eintrat. Seitdem er als Vor- knccht auf dem Toruper Hose gedient hatte, war es ihm zur Gc- wohnhcit geworden, stets an der Spitze zu marschieren. Er bog etwas die Knie, richtete sich dann auf und schob die Brust heraus. Die anderen betraten langsam, zögernd, einer nach dem anderen, das Zimmer. Sie blickten verlegen umher und nahmen dann zögernd Platz. Es wurden einige allgemeine Redensarten und gleichgültige Worte gewechselt. Dann hörte man etwas draußen im Flur rumoren, eine Hand tastete nach dem Türgriff. Es war der Stille-Peter aus Sovbak. Stets war er hinter den anderen zurückgeblieben, seine Schritte sowohl wie seine Arbeit, sein Gedanlengang und seine Bemer- kungen. Guten Abend!" sagte er. hob den Pfeifendeckel auf und stopfte die Asche fester. lind so saßen sie dann und wußten nicht recht, was sie sagen noch wohin sie blicken sollten. Jens Roü richtete sich auf, und mit der Miene des überlegenen und vernünftigen Mannes begann er:Raa, hier soll wohl aus den Büchern vorgelesen werden?" Ja, wir sitzen hier und betrachten die Landkarte," antwortete Sören Knak.Jürgen sagt, hier im nördlichen Rußland ist es acht Monate lang Nacht; während der Zeit sehen sie niemals die Sonne. Und in den anderen vier Monaten geht sie überhaupt nicht unter!" Niels Malle stieß seinen Nebenmann mit den Knien an und zwinkerte den anderen mit den Augen zu, als wenn er sagen wollte, daß dies w i r! l i ch ein guter Witz sei. In seinem runden Gesicht saßen ein paar muntere Augen und bewegten sich hin und her in einem Netz feiner Hautfalten. Er tat ganz ernsthaft und sagt«:Ja, ja. gewiß. Micbel Binderup erzählte, daß er. als er vor vielen Jahren bei der Marine diente, auf einem Schiff von unglaublicher Größe war. Wenn sie bei Skagen wendeten, reicbte das Bugsprit ganz hinein nach Norwegen und fegte dort achtzehn Kirchtürme um.... So gibt es allerhand merkwürdige Dinge in der Welt." Sie lachten mit Ausnahme von Mad3 Riek. Der war stets verdrossen; er hatte aber auch immer Schmerzen in�den Beinen. Ans den Mundwinkeln des breiten Mundes mit den dünnen Lippen sickerte es herab, als hätte er stets einen sauren Geschmack im Munde. Und dann war er fast immer heiser. Nichts als Lüg« und Dreck!" knurrte er.DaS eine wie das andere." Ihr glaubt es nicht?" rief Jürgen. »Nein, das ist wohl auch ein bißchen viel verlangt von vcr»