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ein Schnippchen au fchlagen glaub, gibt es unzählige, besonders wieder in erzlatholischen Zanden. So findet sich überaus oft der Blizableiter" als derartige meineidtilgende Gefte, besonders in ganz Bayern  , aber auch in Ostpreußen  , Thüringen  , Böhmen   und anderen Ländern, ja selbst bei den Wotiafen. Man glaubt, der Meineidige werde auf der Stelle durch einen rächenden Blisstrahl gerichmettert. Um sich nun davor zu sichern, stellt man mit der linken Hand, die man nach unten oder hinten ausstrect, eine Art Bligableiter dar und spricht dann bezeichnenderweise von einem falten" Eid, wie man auch im Volksmunde einen Blig, der ein­Schlägt, ohne zu zünden, einen falten Blig" nennt. Diese Blizz ableiteridee ist nur eine der mannigfachen Formen, durch die sich abergläubische Meineidige zu sichern fuchen und die gerade neuere Forschungen in ungeahnter Reichhaltigkeit nachgewiefen haben.

Eine derartige Frömmigkeit steht vollkommen auf gleicher Stufe mit der einiger afrikanischen und ozeanischen Stämme, die die ver­derblichen Folgen eines falschen Schwures dadurch glauben paraly­fieren zu können, daß sie Gegenopfer darbringen und dadurch die erzürnte Gottheit zur Versöhnung zwingen. Noch eine Stufe tiefer aber stehen fromme" Verbrecher unseres kulturstolzen Europa  , die ihren Gott und ihre himmlischen Mächte um Gelingen ihrer Schand taten in inbrünstigem Gebete anflehen und ihnen für den Fall der Erhörung gar mancherlei mehr oder weniger prächtige Geschenfe in Aussicht stellen! Klarer kann der traurige Standpunkt derartiger naiver Seelen, die mit ihrer Frömmigkeit einen schwunghaften Handel zu treiben hoffen, faum zum Ausdruck kommen!

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beispiel für den absolut untauglichen Versuch angeführt wird, durch aus nicht so harmlos ist, sei nebenbei bemerkt, denn zahlreiche wohl verbürgte Berichte von den Naturvölkern und ähnliche bei uns ge machte Erfahrungen zeigen, daß das Opfer derartiger Prozeduren, wenn es von ihnen erfährt, lediglich an der Einbildung erfranken und selbst sterben kann.

weil

Bei einer derartigen Auffassung der Religiosität fann es uns wahrlich nicht Wunder nehmen, daß der Glaube an die Kraft, die allen geweihten firchlichen Gegenständen anhaftet, zu Kirchendieb stählen Anlaß giebt. So find Fälle bekannt, wo Hostien, geweihte Kerzen, Reliquien und ähnliches entwendet wurden, um sie bei magischen Heilfuren zu verwenden, um ein immer treffendes Gewehr zu erhalten und zu ähnlichen Zwecken zu gebrauchen. In Kijew  stahl vor zwanzig Jahren ein Bauer beim Küssen der heiligen Reliquien 45 Kopelen, die in einer Opferichale lagen, er den Glauben hegte, das von den Reliquien geraubte Geld werde ihm in der Wirtschaft Glück bringen. Vor zwei Jahren wurde in Ostpreußen   eine Frau wegen Diebstahls einer Stola verurteilt, die sie für einen trefflichen Talisman hielt, um in allen Prozessen obzusiegen. Analog ist der weitverbreitete Glaube, man müſſe an bestimmten firchlichen Feiertagen stehlen und werde, wenn dieser Diebstahl gelinge, das ganze Jahr bei seinen Diebesstreifereien nicht entdeckt. In Lippe  , Westfalen   und der Niederlaufiz muß dieser Diebstahl in der Christnacht während des Festgeläutes geschehen, in Franken am Silvesterabend, ebenso in Mecklenburg   und Branden burg, in der Oberpfalz   zu Fastnacht.

So wurde im vorigen Jahre erst im Eliaß ein Einbrecher er- Doch nun genug! So wenig Beispiele für fromme" Ver wischt, und durch einen Schuß schwer verletzt, der fein Mißgefchick brecher wir hier auch anführen konnten, so dürfte doch soviel auch darauf zurückführte, daß er diesmal nicht, wie fonst immer, vor aus diesen Angaben sich ergeben, daß Religiosität im landläufigen Beginn seiner Diebesfahrt gebetet habe. Aehnliche Fälle sind in der Sinn durchaus nicht verbrecherische Gesinnung und Betätigung auss friminalistischen Literatur öfters geschildert. In der Bretagne   steht schließt, ja daß die abergläubische Gestaltung, die die religiösen noch heutigen Tages in der Nähe von Tregnier eine Kapelle, Jdeen vielfach anzunehmen pflegen, fogar einen günstigen Boden in der man des Nachts zur Madonna des Hasses" um für die Kriminalität abgibt, ja nicht selten sogar unmittelbaren das Gelingen grauenhaiter Schandtaten fleht: Die Frau Anreiz zu verbrecherischen Handlungen bildet. hetet dort um den Tod eines berhaßten Gatten und der Sohn um das Ende eines Vaters, der ihn zu lange auf die Erb­schaft warten ließ. Gleiche fromme Wünsche und Gebete wurden vor einigen Jahren in dem großen Kemptener   Betrugsprozeß zur Sprache gebracht, und auch im Schwarzwald   kommt es nach Hansjakob   hier und da noch vor, daß der Sohn um ein baldiges feliges Ende für den Vater betet, weil ihm das Altenteil zur Last wird. In dem Mordprozeß Fenayron, der vor etwa zwei Jahrzehnten ge­waltiges Aufiehen erregte, tam es zur Sprache, daß die Gatten­mörderin kurz vor der Tat in der Küche auf den Knien gelegen hatte, inbrünstig den Himmel anflehend um das Gelingen des geplanten Verbrechens. Und ein junger Mann, ein Verehrer jener Madonna des Haffes", der seinen Vater zu Tode geprügelt hatte, meinte bei der Verhandlung:" Sicherlich hat die Madonna meine Hand geführt, denn gleich beim ersten Schlag stürzte mein Bater tot zu Boden."

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Kleines feuilleton.

Technisches.

Der mechanische Stenograph. In der Geschäfts­ausstellung", die zur Zeit in der Olympia  " in London   abgehalten wird, werden eine Menge neuer und vervollfommneter Apparate ge zeigt, die nur den Zweck haben, in den großen Handels- und Bank­häusern menschliche Arbeitsfräfte zu ersparen. Die ganze Ausstellung ist eine Demonstration des unaufhaltsamen Fortschritts der Techni, der in unserer anarchischen fapitalistischen Produktionsweise wie ein indischer Gößenwagen Tausende von menschlichen Existenzen zermalmt. So sehen wir, wie hier die Gottheit von Dieben und Mördern Man findet dort wunderliche mechanische Rechner, die Sunimen bis als Schuß- und Schirmherr verehrt wird. Es ist daher nicht ber zu 1000 Millionen Pfund Sterling multiplizieren, addieren, fub­wunderlich, daß zahlreiche Gewohnheitsverbrecher überaus eifrige trahieren und dividieren, Apparate, die Adressen schreiben, 2000 in Kirchenbeincher sind und daß die Gefängnisgeistlichen über die einer Stunde, Zirkulare zurecht machen, so daß man sie nur in den religiöse Empfänglichkeit ihrer Böglinge meistens sehr erbaut find. Briefkasten zu stecken hat, und Hunderte von anderen mechanischen Hierzu paßt auch, daß etwa ein Drittel aller tätowierten Verbrecher Arbeiten verrichten, bei denen die menschliche Arbeitskraft gar nicht religiöse Symbole eingeägt trägt und daß sich bei Verbrechern mehr fonfurrieren famu. Der wunderbarste Apparat aber, den Himmelsbriefe" und mancherlei Reliquien gar nicht selten vorfinden. man dort sehen kann, ift der mechanische Stenograph, Es dürfte interessant sein, einen derartigen Segen" religiöien der, obwohl er nicht ganz neu ist, heute doch derart Charakters wiederzugeben, der nach Löwenstimms Bericht Anfang vervollkommnet erscheint, daß er wohl in Furzer Zeit den mensch­der achtziger Jahre des verflossenen Jahrhunderts einem russischen lichen Rivalen in der Geschäftswelt ganz aus dem Felde schlagen wird. Pferdedieb abgenommen wurde. Dies sonderbare Schriftstäd Tantete Der Apparat besteht aus einem Phonographen, in den man das folgendermaßen: Diktat hineinspricht. Ist der Zylinder, den man etwa hundertmal Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes, hintereinander gebrauchen kann, eingestellt, so wird er durch Amen! Ich Knecht Gottes gehe auf duntelen Pfaden und meinen den Fuß mittels pneumatischen Druds in Bewegung gesezt und Weg; mir entgegen tommt der Herr Jesus Christus   selbst aus dem man fann mit dem Diftat anfangen. Ein Drud auf einen Hebel Herrlichen Baradiese, gestützt auf einen goldenen Krummstab, genügt, um den Zylinder jederzeit zurückzustellen und den behangen mit seinem goldenen Kreuze. Zu meiner Rechten ist die Apparat mit dem reproduzierenden Instrumente in Verbindung zu Mutter Gottes, die heilige Gottesgebärerin, mit Engeln, Erzengeln, setzen, so daß der Sprechende sein Diktat kontrollieren oder den Seraphen und mit himmlischen Mächten. An meiner Linten steht etwa verlorenen Faden seiner Rede wieder aufnehmen kann. Ist der Erzengel Gabriel   und über mir der Erzengel Michael  . Hinter das Diftat zu Ende, so wandert der Zylinder zum Maschinenschreiber, mir, dem Knechte Gottes, fährt der Prophet Elias auf fenrigem der das ihm durch einen Phonographen übermittelte Wort nieder­Wagen; er strahlt Feuer aus und reinigt meinen Weg und deckt schreiben fann. Die Apparate, die schon in vielen Londoner   Geschäfts­mich zu mit dem Heiligen Geiste und mit dem lebenspendenden häusern im Gebrauch sind, find in Anbetracht ihrer Nüglichkeit faum Krenze des Herrn. Das Schloß der Mutter Gottes, der Schlüffel teuer zu nennen; sie fosten zwischen 230 und 370 M. Die Behauptung Petri und Pauli. Amen!" der Erfinder, daß der Apparat in wenigen Monaten das Anlage fapital wieder einbringt, ist daher nicht als übertrieben zu bezeichnen. Mag der mechanische Stenograph auch nicht so revolutionierend wirken wie manche anderen Erfindungen, so demonstriert er doch in einer höchst flaren und allgemein verständlichen Weise die Ent­wickelungstendenzen des Kapitalismus  . Auf der einen Seite werden Tausende von Stenographen, die sich durch jahrelange Uebung eine große Geschicklichkeit angeeignet haben, aufs Pflaster geworfen, auf der anderen Seite werden die Maschinenschreiber zu einer intensiveren und eintönigeren Arbeit herangezogen. Denn sie werden das Diktat nicht mehr von dem Stenogramm ablesen, fondern das gesprochene Wort flingt ihnen beständig gebieterisch in den Ohren. Im Geschäftss leben wird der Stenograph es mit seinem mechanischen Kon furrenten das muß jeder zugeben, der diesen bei der Arbeit gesehen hat nicht mehr lange aufnehmen können.

Noch tiefer in den Abgrund abergläubischer Vorftellungen reli­giösen Charaktere blicken wir, wenn wir religiöse Handlungen in berbrecherischer Weise verwendet finden. Wir meinen den allgemein berbreiteten Brauch des Totbetens, d. h. den Glauben, einen Widersacher durch die Kraft von Zaubergebeten töten zu können. Bei uns geschieht dies bekanntlich meistens in der Art, daß man den 109. Psalm unter Beobachtung gewisser Zeremonien ein Jahr lang Tag für Tag betet. Doch auch in der Form eines gewöhnlichen Gebets kann dieses Totbeten geschehen. So geftand der wegen Mordes im Jahre 1818 verurteilte bayerische Pfarrer Riembaner, er habe einst, um einen verhaßten Menschen aus der Welt zu schaffen, zu Gott gebetet, daß er ihn töten möchte, und Gott   habe auch sein Gebet erhört, der Mensch sei wirklich geftorben. Daß das Totbeten, das awar feit Fenerbach in den kriminalistischen Lehrbüchern als Schul­Berantw. Redatt.: Carl Wermuth, Berlin  - Rigdorf.- Drud u. Verlag: Borwärts Budbruderet u.Bertagsanstalt Paul Singer& Co..Berlin   SW.

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