imb fiet Suntse da kriegt höchstens ein paar Tage Stubenarrest.Und die arnicn Kerls sind dann erst recht schlimm d'ran. Wirhcbcn's ja bei Stöben gesehen."„Ich wüßte, wo eine Beschwerde Zweck hätte," sagte ich leisezu ihm.»So? Wo denn?"«Beim„Vorwärts"."„Was ist das?"«Ein Blatt in Berlin."«Eine Zeitung?"»Ja. Es ist die sicherste Stelle für unsere Beschwerde."„Du, das machen wir heute abend. Aber es darf keiner'wasdavon merken!"Wir sprachen noch weiter darüber und als es Abend war,setzte ich mich ruhig an den Tisch und verfaßte den Brief. KeinMensch fand etwas dabei; denn Briefe werden nirgends mehr ge-schrieben als beim Militär. Ich schrieb alles, was uns bedrückte,wie wir behandelt würden, wie vom Unteroffizier hinauf bis zumNegimentskommandeur alles daran mitarbeite; ich nannte alleNamen und belegte alles mit Zeugen uud Daten. Als ich fertigwar, las der Gefreit« den Brief, aber er war mit meiner Arbeitnicht zufrieden. Er winkte mir, hinauszukommen, und schon stiegein schwerer Verdacht in mir auf. Meinte er es ehrlich? fo fragteich mich besorgt. Aber er meinte es ehrlich. Trotz seiner lln-erfahrenheit in öffentlichen Dingen, die erklärlich war, da er demKaufmannsstande angehörte, hatte er ein gerüttelt Maß von ehr-licher Entrüstung in sich aufgesammelt. Mein Brief war ihm zuunvollständig, ich hätte noch lange mcht alles geschrieben, was an dieOeffentlichkeit müßte. Ich wollte ihm das ausreden, aber er ließnicht nach, ich mußte noch einen Nachtrag schreiben. Nachdem auch dasgeschehen war, trug er den Brief in die Stadt, denn dem Brief-kästen auf dem Kafernenhofe wagten wir unser Geheimnis nichtanzuvertrauen.Dann warteten wir mit Ungeduld auf ein Zeichen, ob unsereBeschwerde wohl wirken würde. Ob sie der„Vorwärts" aufnahm,konnten wir freilich nicht wiffen. denn in der Stadt war uns keineStelle bekannt, wo das Blatt zu finden war, so viel ich auchdanach forschte. Aber ich zweifelte nicht daran, daß man es tunwürde, und ich hatte mich auch nicht getäuscht.Seitdem waren etwa drei Wochen vergangen. Wir hatten aufder Es plan ade„Parademarsch tm Regiment" geübt. Der Obersthatte dann«die Herren Hauptleute" zu sich befohlen, während wireinrücken und vor den Kompagniercvieren warten sollten. Esdauerte etwas lange, ehe wir den Platz verlassen konnten, denn derMmarschtveg war nur sehr schmal. In Ermangelung einer anderenBeschäftigung beobachtete ich die Gruppe der Hauptleute, die mitihren Pferden einen Halbkreis vor dem Obersten gebildet hatten.Es schien dort eine wichtige Sache verhandelt zu werden, denn derOberst gestikulicrle lebhast und redete laut. Aber doch nicht solaut, daß mir ihn hätten verstehen können.„Plamasche! MeinRögümönt!" weiter verstanden wir nichts. Dann marschiertenwir ab.Auf dem Kascrnenhof« warteten wir wie alle übrigen Kompagnienaus unfern verehrten Herrn Chef. Nach einer Weile kam die Ge-sellschaft durchs Tor geritten; Flüche und zornige Scheltwortezeigten ihr Kommen an. Ein Blick auf unseren Alten überzeugtemich, daß er wieder in seiner Redelaune war.„Einen Kreis bilden!" rief er uns gleich entgegen. Wirbildeten einen solchen Redcring, er stieg vom Pferde ab und kam inunsere Mite. Wie gewöhnlich ließ er erst einige wegen schlapperHaltung zum Nachexerzieren notieren, hakte seinen Degen los undfing nach einigem Räuspern an:„Also der Parademarsch war im ganzen gut, besonders beiunserer Kompagnie. Der Herr Oberst hat speziell das strammeMarschieren gelobt. Das bitte ich mir aber auch aus! Glaubtnicht, daß ich mir von Euch Bummelei bieten lasse! Wer die Beinenicht rausschmeißt, den lasse ich ohne Gnade exerzieren und ge-niere mich auch nicht, ihn bei erster bester Gelegenheit einzubuchten.Der Herr Oberst konnte es nicht sehen, daß doch wieder einige maß-los gebummelt haben, ich habe mir die Schweine aber doch gemerktund weroe sie jetzt mal'rauösuchen."Er nannte etlickc Leute, die gleich nach dem Essen wiederexerzieren sollten. Hierauf fuhr er fort:„Und dann ist da noch eine ander« Geschichte. Eine ganz Wider-liche Affäre(ich bekam leises Herzklopfen), jawohl, ekelhaft undgemein, hundsgemein! Es gibt ja allerwärts ehrlose Schweine,die sich ein Vergnügen daraus machen, den guten Ruf des Regimentszu schädigen. Jcnvohl! Ich habe es schon gleich gesagt, schreibtnichts von dem, was hier passiert, nach Haus! Das gehört sich nichtund wird auch sehr schwer bestraft. Was in der Kaserne passiert,das geht das Zivil gar nichts an! Das sollte jeder Mann wissen!Leider hat sich also doch ein Schwein gefunden, das was nach aus-wärts geschrieben hat, und das ist nun an die große Glocke ge-kommen.(Des Schuldbewußtseins Röte färbte mein Gesicht undich nahm genau Vordermann.) In einer Zeitung, die jeder an-ständige Mensch noch nicht einmal auf der Latrine gebraucht, habenverlogene Sachen von unserem Regiment gestanden.(Mein Freundhustete dreist und versuchte mit mir„Tuchfühlung" zu bekommen.)Stehen Sie da still, verfluchter Heringsbändiger! Also solcheSubjekte gibt es im Regiment! Nehmt Euch vor diesen Leuten inacht. Die Sache ist weiter nicht schlimm, denn jeder halbwegsanständige Mensch weiß, daß eS Lügen find, wenn behauptet wird,hier würden die Mannschaften überanstrengt und mißhandelt. TaSwißt Ihr alle!(Hundert Augenpaare trafen sich.) Ich frage nun(mit erhobener Stimme) die Kompagnie, ob dieser gemeine Lumpunter ihr ist. Wenn der ehrlose Kerl etwa in unserer Kompagnieist, dann trete er vor und verantworte sich. Wenn es nicht geschieht,dann ist damit bewiesen, daß es Lügen sind.— Na, es meldet sichkeiner. Natürlich ist solch ein Kerl ja auch zu feig, um fiir seineTat einzustehen. Das wußte ich vorher; wenn wirklich so einScbwein hier drunter ist, dann ist es auch zu ehrlos, um sich znmelden. Ich muß aber nun doch den Unteroffizieren sagen, daßsie sich vorsehen uud etwas mehr an sich halten. Hat einer einendickfelligen Kerl, dann darf nicht gleich geschlagen werden; es gibtgenug andere Mittel, womit man ihn zahm kriegen kann.. Exer«zieren, und wenn das nicht hilft, Arreststrafen, und bei solcher«Lümmeln, wie diesem hier(Stöben flog durchs zweite Glied hin-durch), wird bei der ersten Gelegenheit Tatbericht eingereicht. Tanngeht es nach der Festung und gleich anschließend auf die?lrbeiter-ohteilung! Jawohl, ohne Federlesen! Rein mit der Schweine,bände!"Als ich später mit dem Gefreiten allein war, fragte ich ihn;,was wohl geschehen wäre, wenn wir uns gemeldet hätten.„Er hätte uns niedergestochen." sagte er,„und dann wäreawir noch auf die Arbeiterabteilung gekommen."Das hört sich sehr unwahrscheinlich an, mir erschien cZ aberaar nicht unmöglich. Der Hauptmann ist sehr häufig mit gezücktemDegen auf die Leute eingesprungen; vom Zustoßen hatte ihn aberdoch noch immer ein Rest von Besinnung zurückgehalten. Hätte eres aber wirklich einmal getan, so wäre es auch nicht weiter schlimmfür ihn gewesen.Wir hütete» unser Geheimnis mit großer Sorglichkeit. DieBeschwerde hatte wenigstens für einige Wochen die Mißhandlungenvermindert. Doch wir erstickten den Ehrgeiz, das als unser Werkauszuposaunen und freuten uns im stillen über unsere Tat undibre Wirkung. Nur der grauhaarige Sergeant, der, wenn ihnArmut und Langeweile plagten, gern zu uns kam, um mit uns zuplaudern, kniff oft, wenn die Rede auf diese Sache kam, ein Augezu und fixierte mich unauffällig. Ich ließ ihn ruhig fixieren undmachte das harmloseste Gesicht, dessen ich fähig war. Ich war über,zeugt, daß er mich im Verdacht hatte; aber er hat nie etwas gesagt,weder zu mir, noch zu andern. Als ich einmal unter Beobachtungaller Borsichtsmaßregeln eine Parallele zwischen Stöbens Be-fchiverde und der an den„Vorwärts" gerichteten zog. lächelte er azzffeine feine Weife und ging pfeifend davon.Hntiqua oder fraktur?Wie bekannt sein dürfte, bezeichnet man mit.Fraktur" denSchriftsatz, in dem die vorliegende Nummer des«Vorwärts" gedrucktist. Unter„Antiqua" versteht man die Art, in der das ein-geklammerte Wort gesetzt ist(KapiUlismus). Beim Schreiben entspricht der Fraktur dw sogenannte.deutsche" Schrift, der Antiquaaber die„lateinische" Schrift.lieber die Bevorzugung in der Verwendung beider Schriftartenist seit einiger Zeit ein harter Streit entbrannt. Und zwar führtman den Kamps mit Schönheits- und„nationalen" Gründen. Dieeinen treten für die alleinige Verwendung der Antiqua ein undbehaupten: Antiqua sehe ästhetischer auS; auch sei es imInteresse der Ausländer, die nur Antiqnasatz kennen, geboten, ihnendie Leltüre deutscher Bücher nicht durch eine fremdartige Schriftartnoch mehr zu erschweren. Die Anbänger der Fraktur wenden dagegen ein: gerade i h r Lieblmgsiay gebe ein schöneres Druckbild.Einige Fanatiker wollen uns ernsthaft glauben machen, sogar di«Schönheit des Inhalts gehe durch Antiqua verloren. Der„Faust"in Antiqua sei z. B. ein geringerer Genuß! Ebenso komisch wirkenaber die.nationalen" Gründe, die sie ins Feld führen. Kein Eng-länder oder Franzose tut uns Deutschen den Gefallen und lasse seineBücher in Fraktur drucken I Weshalb sollten gerade wir Germanenuns auch darin den Fremden anpassen?! Wer deutsche Bücher lesenwolle, müsse sich auch unsere Schrift aneignen I usw. usw. Höchstgewichtig wird dann weiter erklärt, daß wir unsere Schriftart durchlange Neberlieferung in voller Selbständigkeit gebildet und bewahrthätten. ES wäre falsch, von der„ureigensten" Art zu lassen.Ueber die Schönheit des Schriftbildes läßt sich nun leichtstreiten, aber schwer entscheiden. Lassen wir diesen Punkt alfo zu-nach st. Was aber die nationalen Motive anbelangt, so sind die„Teutschen" wieder mal gründlich reingefallen. Denn rein historischgenommen, haben wir zu allererst die lateinische Schrift gehabt. Wieso viele Worte und Gegenstände übernahmen wir zur Zeit, als Ger-manen in die europäische Geschichte eintraten, von den Römern auchdie lateinische Schrift. Getreulich zeichneten die Schriftgelehrlen desMittelalters Buchstaben für Buchstaben— Drucke gab es noch nicht— den römischen Pergamentrollen nach und setzten natürlich aus dengleichen Zeichen die eigenen Schriftstücke zusammen. Erst im spätemMittelalter, als die Mönche in ihrer Klause ewigen Fleißes dieWerke der alten Klassiker und„modernen" Theologen nach-malten, verführte die sauberste Sorgfalt dazu,� Worte mit demPinsel auszumalen. So entstanden Schnörkel und Ver»zierungen an den Anfangsbuchstaben und bei den Worte», die manbesonders hervorheben wollte. Allmählich übertrug sich diese Art