Haustür und rief eine Droschke an, die zum Glück«den vorüberkroch.—„Die Straße hinunter und um Havelock Cresccnt— und sehen Sie zu, ob wir einen Herrn finden, der in einem Samtjackett und ohne Hut dort herumläuft." „Samtjackett und ohne Hut, gnä' Frau. Schön, gnä' Fraul" Und der Kutscher trieb sein Pferd so gleichmütig an, als führe er sein Lebenlang jeden Tag nach dieser Adresse. (Schluß folgt.) !?ronprm2enfakrt. Der deutsche Kronprinz unternimmt eine vergnügliche Welt- fahrt. Das ist eine Privatangelegenheit, die nur die neuerdings um Millionen erhöhten Einkünfte seines Vaters oder auch eine deutsche Schiffahrtsgesellschaft angeht, nachdem man offenbar den erst gehegten Plan aufgegeben hat, die Reisekosten sich vom Reich bezahlen zu lassen. Aber auf demselben Schiffe haben sich auch deutsche Schmöke eingenistet und fie verbreiten nun in der Presse weltgeschichtliche Reiseberichte. Schon übermitteln sie telefunkisch über Bombay dem entzückten deutschen Bürger die Kunde, daß auf dem Kronprinzen- schiff sportliche Spiele stattgefunden hätten und daß der Krön- prinz und seine Frau geruht hätten, dabei erste Preise zu ge- Winnen. Die bürgerliche deutsche Presse atmet noch in der Vormärz - lichen Stickluft, da die Zensur nur fünfbeinige Kälber und edle Züge von Potentaten dem Nachdenken ihrer Leser anvertrauen durfte. Und der deutsche Bürger, durch die monarchische Elephan- tiasis, an der Deutschland krankt, seit Jahrhunderten für Hos- geschichten gezüchtet, schleckt immer noch begierig das süße, klebrig blanke Zeug. Im Vormärz hat einmal ein Hauptmitarbeiter der Deutsch - Französischen Jahrbücher von Karl Marx , Ferdinand Cölestin Bernaus, eine grausam lustige Hinrichtung an den Redakteuren der deutschen Presse vorgenommen, die er wegen ihres winselnden Hofklatsches als„Deutsches Redactoren-Lumpenpack" entlarvte und stäupte. Aber damals wütete noch der Zensor über dem deutschen Geist und die Presse wurde gewaltsam verkrüppelt. Wie würde er heute die Redakteure der deutschen Presse erst nennen müssen, auf denen kein staatlicher Zwang mehr lastet, und die dennoch ihre Leser mit byzantinischem Hundekuchen über- füttern!... Es ist ein sehr interessantes, lebendig gebliebenes Büchlein, in dem Bernays 1843 die„Schandgeschichten zur Charakteristik des deutschen Censoren- und Redactorenpacks" erzählt hat; und es scheint fast, daß mit jedem Jahre der weiteren EntWickelung der deutschen bürgerlichen Presse jene Schrift aus dem Vormärz an Aktualität gewinnt, so daß sie einen Neudruck verdienen würde. Da nun die Leser der sozialdemokratischen Presse nicht das Glück haben, durch Spezial-Korrespondenten über die Er- eignisse der Kronprinzenfahrt tagtäglich unterrichtet zu werden, wollen wir ihnen als Ersatz so eine Art vormärzlicher Kronprinzen- fahrt vorsetzen, indem wir ihnen ein Stück aus jenen, in einer verschollenen Flugschrift begrabenen„Schandgeschichten" darbieten. Wir saßen ruhig beim Nachtisch zusammen, so berichtet Bernays, und tranken noch ein Glas Wein, als mein Vetter, der Redakteur der Mannheimer Abendzeitung, hereintrat. Wir sahen es ihm schon an, daß der Antichrist Censor Fuchs furchtbar gehaust haben müsse. Nun frag ich euch, rief er beim Entreten, ob ich nicht recht habe, wenn ich sage, der Fuchs sei der elendeste Bube, der unter Gottes Sonne lebel Er streicht mir folgenden Artikel, der eine bloße Kritik einer ehernen Statue enthält, die der Kaiser Nikolaus dem König Friedrich Wilhelm IV. geschenkt hat! „Berlin , 13. September. Die beiden kolossalen ehernen Rosse- bündiger von Baron Clot, welche der Kaiser von Rußland unserem König geschenkt hat, und welche die servilen Zeitungen natürlich pflichtstschuldigst mit Lobeserhebungen überschütten, find nicht viel wert. Es ist ein noch unfreier Geist, der sich in diesen Werken ausspricht. Die Rosse zeigen eine knechtische Naturnachahmung und den Mangel aller höher strebenden Idealität, und die Jüng- linge, welche die sich bäumenden Tiere halten, haben geradezu Sklavenseelen. Etwas Lebloseres ist uns nie vorgekommen, als die Köpfe dieser Rossebändiger. Dabei sind die Rosse auch auf das Geschmackloseste mit Decken(in Erz) belegt, um die Scham der Jünglinge bedecken zu können. Auch Scham muß der Sklave haben! Die freie Kunst kennt keine Scham, so wenig wie die Natur sie kennt. Die einzelnen Teile der Gruppen sind dagegen gut modelliert." Wir schimpfen nun natürlich alle auf den Barbaren, und kommen von den Censoren auf die Redactoren. Der Redactor der Mannheimer Abendzeitung behauptete, die meisten seien schlecht, «der alle viel dümmer als die Censoren! Ich stimmte mit ihm darin vollständig überein, und bemerkte, daß es zum Beispiel wohl eben so niederträchtig sei, wenn das Mamcheimer Journal etwa erzählte:„Unsere Stadt genoß heute das unverhoffte Glück, die Pferde seiner königl. Hohheit des Prinzen Karl an unserer Stadt vorbeiziehen zu sehen, höchstweiche dem hohen Herrn voraus zu den Manövern am Rhein eilen," als wenn Censor Fuchs gleich ganze Columnen strich— und nach wenig Minuten waren wir alle darüber einig, daß das redigierende Doctoren- und Professorenpack gerade so gut den Galgen ums deutsche Vaterland verdiene, als Censor Fuchs! Allein daß die Kerle durch den Schlendrian ihres schlechten Treibens auch ihr Restchen von Herstand eingebüßt hätten, das glaubten die wenigsten. Um dem Streit ein Ende zu machen, erbot ich mich, zehn gegen eins zu wetten, daß ich den Redactoren der ganzen servilen Presse in den nächsten acht Tagen fünfzig, sage fünzig Stück von den albernsten Erfindungen und Lügen aufbürde, denen es jeder Mann, der die Verhältnisse nur leidlich kennt, auf den ersten Blick ansehen muß! Wenn von fünfzig zwei nicht gedruckt würden, so will ich die Wette verloren haben. Doch ich hatte auf die Schlechtigkeit und Dummheit deutscher Zeitungsredaktoren gerechnet:>— Juchhe, Champagner her, ich habe die Wette gewonnen! Wie machte ich es, daß die Tröpfe alle meine Lügen glaubten! Ich verschaffte mir ein Siegel mit einer Grafenkrone über den Buchstaben C. v. R. und ein noch vornehmeres, nahm Postpapier mit Goldschnitt, vom feinsten Siegellack, unterzeichnete mich je nach Umständen als Baron, Graf, Regierungsrat, hatte in den Beglei- tungsschreiben alle Nachrichten von„hohen Militärs",„Banquier- Häusern",„Hofkavalieven",„aus offizieller Quelle" oder von einer „hochstehenden Person" und war hierdurch zu jeder Lüge autorisiert. Daß der Inhalt nur niederträchtig, hündisch und dumm, oder besser, albern zu sein brauchte, um für solche Kerle als w a h r zu gelten, davon hatte ich viele Beweise. Ich log also wie es mir gerade in den Kopf kam, darauf zu, und schickte immer die gröbsten Lügen an die klügsten Redactoren. Zuerst machte ich die Königin von Griechenland und die Krön- Prinzessin von Bayern schwanger. Ich beging damals den unver- zeihlichen Fehler, nicht auch zu gleicher Zeit der Erbgroßherzogin von Hessen zu gedenken, einige treue, deutsche Untertauenherzen mehr wären ob solcher Hoffnung einige Tage lang gehüpft! Ich schrieb also an die Rhein - und Moselzeitung so: (Karlsruhe , den 17. September.) Laut einer so eben auZ Aschaffenburg vom Hofe Seiner Majestät des Königs von Bayern hier eingehenden Nachricht, befindet sich Ihre königl. Höh. die Krön- Prinzessin von Bayern in einem Zustande, der ganz Bayern mit der höchsten Freude erfüllen muß.„Der Wittelsbacher Stamm wird, so hofft man in Aichaffenburg, einen neuen Ast aus seiner Mitte treiben, unter dessen Schatten das bayerische Volk auf Jahrhunderte hinaus in Glück und Frieden leben wird."(Worte des Hand- schreibens Sr. Majestät aus Aschaffenburg .)" Dieser Artikel findet sich reproduciert im Frankfurter Journal Nr. LSI. Oberpostamtszeitung Nr. LSI, Hamburger Correspondent Nr. 227, Preußische Staatszeitung Nr. 8ö, und in vielen andern Blättern. Ich wendete mich an das Mannheimer Journal: „(Heidelberg , 17. September.) Soeben kommt der Courier hier durch, durch welchen Sr. Maj. der König von Bayern unserem Hof in Karlsruhe melden läßt, daß sich Ihre Maj. die Königin von Griechenland in einem Zustande befinden, der daS griechische Volk zu den schönsten Hoffnungen für die lange Fortdauer der jetzigen Dynastie berechtigt. Diese Nachricht ist im gegenwärtigen Augenblick von um so größerer Wichtigkeit, als nunmehr neue An- strengungen von feiten der bayerische» Krone für den Fortbestand des griechischen Königreichs den Ansprüchen der drei Großmächte gegenüber vollkommen gerechtfertigt erscheinen." Ohne Bedenken abgedruckt in den beiden Frankfurter Fra« Basen Nr. 26V und fast allen deutschen servilen Zeitungen. Auch ein Brief des preußisch-nationalen Turners Maßmann wurde gläubig abgedruckt, vermutlich weil seine Schilderung einer militärischen Revue in Berlin ,„dem Centralpunkte der deutschen Waffenkraft" diesen blödsinnigen Satz enthielt:„Das sechste Hu- sarenregiment(Prinz von Braunschweig ) sah wirklich aus wie eine einzige goldene Schwadron, der Glanz der Pferdedecken verblendete mein an dergleichen nicht gewöhntes Auge so sehr, daß ich stets ge- zwungen war, hinter dem großen Fächer meiner Frau Schutz zu suchen." Große Blätter bringen als Beweis, wie sehr die österreichische Zensur auf Sittlichkeit halte, die schöne Geschichte, daß ein Berliner Komponist, Schüler C. M. v. Webers, die Erlaubnis zum Wiener Druck eines einer Gräfin gewidmeten Liederheftes erst erlangt habe, nachdem er das von der Berliner Polizei beglaubigte Attest seiner Gattin eingesendet,„daß sie gegen diese Widmung nichts einzu- wenden habe. Auch Lokomotiven mit Segeln fuhren in dieser Zeit durch die deutsche Presse. Am lustigsten aber ist die Ludwig I. von Bayern zugeschriebene Schöpfung eines Mäßigkeitsvereins für die Pfälzer , dessen Statuten die von Professor Bülau herausgegebene Deutsche allgemeine Zeitung zuerst zu veröffentlichen in der angenehmen Lage war, und die das Frankfurter Journal und viele andere Blätter nachdruckten. Diese königliche Verordnung begann also:„Ludwig usw. Nach Anhörung unseres Staatsrates und unseres Ministers des Innern haben wir beschloffen und beschließen: ß 1. In allen Gemeinden der Pfalz sollen Mäßigkeitsvereine gebildet werden. § 2. Mitglied des Mäßigkcitsvereins kann jedes Individuum werden, das sechzehn Jahre alt- Bckeni er einer der drei christlichen Eon-
Ausgabe
27 (29.11.1910) 232
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