Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 233
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Mittwoch. den 30. November.
( Nachbrud berboten.).
Was ist Rubm?
Roman von Mar Kreker Thormeher griff nach seinem umfangreichen feidenen Taschentuch, schneuzte sich ungeniert, legte das Tuch säuberlich zusammen, ehe er es wegsteckte, nahm aus seiner silbernen Dose bedächtig eine Prise, hielt sie Stampf vergeblich hin und fuhr gelassen zu dem andern fort, der die Ohren nach rückwärts spizte: Was hat unsereins lernen müssen, von der Pife an. Drei Jahre lang habe ich die alten Meister kopiert, in Rom , Paris , in Dresden und hier im Museum. Da kapiert man aber auch was. Lernt, woher' s Licht kommt, Du! Beleuch tung, lieber Felir, Beleuchtung! Das is doch so' ne Sache! Diese Palettenjünglinge aber packen ihre Leinwand zusammen und ziehn jleich raus ins Freie, wo sie der Natur eins auswischen. Schmieren was, das nachher Jemälde heißt.' ne Wiese,' n Jraben und drei Birken. Fertig is die Laube. Wenn's hoch kommt, is noch ne rote Sonne dabei, oder' n Mond, den's jar nicht jibt. Is es nich so? Fleich uff die Ausstellung! Verkoofen's ooch womöglich. Und die jewisse Art von Kritik-"
1910
Heilfe will's eben mit feinem verderben. Er war immen Diplomat. Das weißt Du doch. Dieser junge Mann hat neulich ein paar anerkennende Worte über ihn geschrieben. Und da hat er ihn gleich eingeladen. Er ist ja auch gekommen." ,, So, Heilfe hat er also gelobt. Die Gipsbolzen natür lich bleiben immer jung," schnauzte Thormeyer wieder, aber mehr in sich hinein, bergrollt, wie ein heiser gewordener Kläffer. Und als er sich jetzt nach Doktor Golding umsah, der lebhaft mit einer Dame sprach, geschah es nicht mehr so bissig; neugierig betrachtete er ihn, wie der Feind, der dem Gegner in irgendeiner Weise zu nahe kommen möchte, geschähe dies auch auf dem Weg der Ueberrumpelung. ,, Sie sind Hamburger? Ach was! Da sind wir ja Lands leute," fistelte der Kustos zu Kempen , dem er die Unter haltung förmlich herausgezogen hatte. Ja, ja, ich habe schon von Ihnen gehört. Haben Sie nicht die Büste von Senatog Hansen gemacht? Das ist ein Verwandter von mir." Es war ein Irrtum, aber es schadete nichts, denn es gab dem jungen Mann mit dem unsicher sitzenden, goldenen Pincenez auf der Adlernase, unter der der lippenlose Mund mit den spärlichen Bartborsten wie ein Messerschnitt lag, Gelegenheit, sich gehörig über seine Beziehungen in der großen Hansastadt auszusprechen. Er hörte sich gern reden und lachte ,, Nicht so laut, ich bitte Dich, nicht so laut," ermahnte ihn noch lieber über seine eigenen Scherze, wodurch er den Einleise Stampf, da er sah, daß an der Tür Golding stand, einer druck eines großen Kindes erweckte, was noch durch seine der jüngeren Kunstschreiber, ein schlanker, blondbärtiger hellen Kehlkopftöne verstärkt wurde. Unablässig rückte er ant Herr, der mit den Alten scharf ins Gericht ging und durch seinem Glas, fuhr mit den Händen in die Hosentaschen und die Verwegenheit seines Tons in einem viel gelesenen Blatt dann wieder heraus. Wie alle Menschen, die am Tage Amtssich rasch eine Gemeinde geschaffen hatte, die auf ihn schwor. staub schlucken müssen, wurde er in seiner Erholungsstunde Er machte seine Verbeugung vor den alten Herrn, die um so munterer; dann hätte man darauf schwören mögen, er Stampf gemessen erwiderte, Thormeyer aber nicht beachtete. fei mehr Farenmacher als Gelehrter.
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Sofort wurde dieser krebsrot, und ohne sich beherrschen zu Kempen nickte fortwährend und ließ alles über sich erfönnen, pustete er los: Gerade den den meine ich. Haft gehen mit der Ruhe des Einfilbigen, dessen Gedanken immer Du gelesen, was dieser Kerl über mich geschrieben hat? Wirft ganz wo anders sind. Heilke nahm ihn wieder in Anspruch, mich zum alten Eisen, schwatzt vom Mangel an Licht und Luft. und zwar aus ganz besonderen Gründen. Gern hätte er etwas Ich pinselte lauter Novellen..., ließe sie alle unter der be- aus ihm über Lorensens Lebensweise geschröpft, denn es war rühmten Linde spielen! Spricht von überlebter Kunst. Da ihm zu Ohren gekommen, daß der Blonde kein Geld leiden haben wir's! Das sind die Anmaßlinge, die Dummlinge, die fönne. den Geschmack des Publikums verderben. Is es nich so?" Er sprach lauter, erregter, frähte wie ein alter Kampfhahn, den der Kamm geschwollen ist. Stampf versuchte ihn aufs neue zu beruhigen, indem er ihm zuraunte:" Du fannst's doch ertragen."
„ Es hat wohl einen besonderen Grund, daß Sie die Rasse führen?" fragte er lauernd. Er soll gern Seft trinken Wie ist es denn mit den Mädchen? Hängt er an einem Modell? Sie haben doch großen Einfluß auf ihn. Er soll sich nur vor dem Ludern bewahren, namentlich mit diesem „ Das sagst Du so, das sagst Du so!" fuhr Thormeyer Walzmann. Der hat immer eine ganze Korona um sich, sofuchswild fort. Man malt doch nicht umsonst. Habe mir bald er praßt. Alles Sumpfhühner." meinen Namen ehrlich verdient. Ja es nich so? Hänge in ses nich fo? Hänge in Kempen lachte ihm ins Geficht. Lorensen ein leicht. der Nationalgalerie doppelt fogar. Habe die kleine goldene, finniger Junge, wie? Das sei das erste, was er zu hören behoffe immer noch auf die große, das fannst Du Dir doch komme. Im Gegenteil, sein Freund sei in dieser Beziehung denken. Kommt so'n Kerl und zerpflückt mir die Lorbeeren. fast ein Muder, in letter Zeit wenigstens. Könnte er auch Etwas bleibt immer hängen beim Kunstpöbel. Meine Alte sonst wohl so viel schaffen? Das müsse jeder Fachmann eindarf's gar nicht wissen, die trifft der Schlag... Schreibt sehen. drei Spalten über die Worpsweder , fertigt mich mit fünf Beilen ab. Was sind das überhaupt für Menschen, diese Worpsweder? Quetsch Dich doch mal aus. Wo liegt das Nest?"
Stampf, der wie auf Kohlen stand, weil er längst die Empfindung hatte, daß er sich demnächst mit dieser neuen Kunstrichtung werde beschäftigen müssen, um seines Lesepublikums wegen nicht rückständig zu bleiben, klärte ihn kurz über die kleine Malergemeinde auf, die gerade anfing, von sich reden zu machen. Es seien ein paar Persönlichkeiten darunter, mit denen man rechnen müsse.
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„ Das sagst Du auch schon?" warf Thormeyer entrüstet ein. Aus Dir wird man niemals flug... Ich verstehe nur Heilfe nicht, wie er diesen War noch nie mit ihm zu fammen hier. Du, das nächste Mal komme ich nicht, so gute Freunde wir auch find. Merkwürdig überhaupt, men er alles einladet... Was schreibt denn die da drüben, die mit der Spizen Nase?" unterbrach er sich. Schwatt fortwährend von ihren Romanen. Nie was gehört von der! Man kommt immer in Verlegenheit, wenn man jemand kennen lernt. Man kann doch nicht jeden Dreck lesen. Is es nich so?"
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Das ist doch merkwürdig," warf Heilfe betroffen ein, man hat mir da Geschichten berichtet... Uebrigens trinkt er hier gehörig seinen Stiebel."
,, Dann tut er's vielleicht nur, um Ihnen gefällig zu sein, Herr Professor," faute Kempen liftig hervor, da er wußte, daß Heilke in dieser Beziehung gern seinen Mann stand, wenn ein Gelage im Gange war.
,, Sonst ist er also nüchtern? So, so.".
Kempen ließ ihn bei dieser Meinung, schon weil das Herumbaden auf Walzmann zu absichtlich war. Auch sonst wäre es ihm nicht eingefallen, über Lorensen etwas Uebles zu sagen, denn seit Jahren waren sie gewöhnt, sich gegenseitig herauszustreichen. Als er Heilte aber den Rücken fehrte, vernahm er plößlich eine Stimme, die er zuerst für Täuschung hielt. Er sah Lorensen und Rensdahl zusammenstehn, und als er auf die beiden zutrat, hörte er gerade, wie der große Gönner seinem Schüßling den Grund seines Hierseins auseinandersetzte Seit vier Tagen in Berlin , habe er Heilte bei einem gemeinsamen Bekannten näher kennen gelernt und sich gefreut, dieser Künstlerindividualität" näher treten zu können.
Stampf sah das Feuer jetzt nach zwei Seiten eröffnet, Charmante Leute, sehr charmante Leute," mederte er faßte ihn am Arm und zog ihn beiseite, indem er sagte: selbstgefällig. Und dieses Heim, ja eh, dieses Heim, wissen