Aetse gewartet hatte. Wäre es nicht besser, er schriebe chr nochdurch Rohrpost ab, uni nicht hinter dem Rücken des Freundeszum Verräter zu werden? Schon hatte er die Feder ergriffen,als er sich wieder erhob, durch das Atelier wandelte und halbunbewußt, wie ein im Traum handelnder, Kempens großesModell aufdeckte, das er lange betrachtete. Und in die erneuteBewunderung mischte sich der grüne Neid, der alles Bessere inHm erstickte und den starren Trotz emporwachsen ließ, dernichts mehr von Schwäche wußte. So wie sie herrlich hierlag, so sollte sie ähnlich unter seinen Händen auserstehen, ummit ihrem göttlichen Leib die Beschauer zu entzücken.Noch niemals war er flinker gewesen, um die nötigenBorbereitungen zu treffen. Er zog sich den weißen Kittelüber, legte tüchtig in den Ofen ein, brachte unnötiges Beiwerkbeiseite, rückte den Tritt zurecht und baute das Tonskelett inhalber Lebensgröße aus. Dann wusch er sich wieder die Hände,frühstückte behaglich, holte die letzten Kaffeebohnen hervor,dazu den Kuchen aus dem Mantel und wartete dann unruhigauf seine Erlösung von innerlichen Qualen.Eine Viertelstunde vor der festgesetzten Zeit stampste je-mand draußen mit den Füßen den Schnee ab, und als Lo-rensen die Tür öffnete, fuhr er enttäuscht zurück, denn Sörgel,eine alte Pudelmütze auß den Ueberzieherkragen bis über dieOhren geschlagen, trat mit einem„Guten Tag auch" vergnügtgrinsend herein, als hätte man bereits auf ihn gewartet.„Wiegeht's den Meistern?"„Ach, Sie sind's," sagte Lorenseu ernüchtert.„Ich hörtedoch gleich, daß ein Pferd trampelte. Mensch, was bringenSie für Schnee herein."„Dann kann ich wohl gleich kehren, man merkt, daß ichnicht hier war," sagte Sörgel mit derselben Gemütlichkeit, vonfrüher daran gewöhnt, mit solchen schönen Worten ausge-zeichnet zu werden. Und er zog die Mütze ab, spritzte die Nässeauf die Steine aus und machte dann Anstalten, das bunteBauerntuch vom Hals zu nehmen und den derbslockigenWinterrock abzuziehen. Während sein Blick rasch im Kreiseging, als sähe er wieder eine neue Welt vor sich, sog er mitBehagen die Wärme ein; und sein Auge blieb dabei ameisernen Ofen hinten hängen, wo so oft um diese Zeit seineliebste Stelle war.„Nein, nein, das ist nicht nötig," siel ihm Lorensen insWort, der ihn so rasch als möglich wieder hinaus haben wollte.„Heute gibt's noch nichts zu tun, in acht Tagen vielleicht.Herr Kempen ist in Hamburg."„Das schadet nichts, Herr Lorcnsen," sagte Sörgel gefaßt.„Ich mach mich gern nützlich, eine Schlafstelle hat« ich schon.Es ist ja nur, weil ich mal wieder vorsprechen sollte."„Das ist alles sehr hübsch, Anton, aber:ch kann Sie nichtgebrauchen," wandte Lorcnsen wieder ein.„Ich bekommegleich Modell."„Aber das tut doch nichts, Herr Lorensen, ich geniere michnicht," erwiderte Sörgel stcifnackig, erstaunt darüber, daßman mit einem Male so viel Aufhebens davon machte.„Ach, es ist ja eine feine Dame, da können Sie nicht hierbleiben," redete sich Lorensen, der wie auf Kohlen stand,weiter aus.!(Fortsetzung folgt.h)Ziif k)ermgsfang.Von Martin Andersen Nexö. Autorisierte Nebersetzungvon Hermann Kiy.Der eine oder andere hat wohl, während er beim Frühstilck diegoldene Haut von seinem«echten Bornholmcr" abzog, einen fragenden Gedanken nach da draußen zur Tiefe gesandt, wo die Herings-schwärme ziehen. Ich Hab' den Gedanken weiter verfolgt und bineines Nachts auf Bornholm mit hinausgefahren: hier ist daS Er-gebnis meines Fanges— ein Stück von der Chronik des Herings.Am Nochmittag fand ich mich, der Verabredung nach, in demkleinen Fischerdorf Melsted ein, um mit„auf Siromfang" aus-zuziehen. Es wehte aber zu stark, um auf offener See zu liegenund die Garne auszuwerfen; die Fischer gafften am Hof?» zu denWolken hinauf und warteten daruuf, daß das Wetter etwasabflauen sollte. Gegen fünf Uhr legte sich der Wind«in wenig, und die vier überdeckten Boote— die ganzeflotille des Dörfchens— rüstete sich zur Ausfahrt. Frauen undinder und alte Männer vom Ofenwinkel rollten die Fanggeräteherbei und verstauten sie im Boote, schweren Ganges kamendie Fischer, ihre Proviantkästcn auf dem Rücken; der schlechtegang eines ganzen Sommers hatte diese Menschen mißmutig undmüde gemacht.Wir waren die letzten; wir saßen schon im Boot— zwei Fischerund ich— und warteten nur noch auf den dritten Mann. AlleSegel waren gesetzt, und„Mary" zerrt« ungeduldig an ihrer Ber»tauung. Dann kam er, ein junger, rotbackiger Gefell mit einemblonden Haarbüschel auf der Stirn; er hatte ein Fischermädchen mitSommersprossen an der Hand, und die beiden schlenderten mitwiegenden Händen die Mole entlang. Sie sahen einander nicht anund sagten nichts, standen nur eine Weile Hand in Hand da—glücklich verschämt. Dann sprang er ins Boot und ergriff dieRuderpinne, wir lösten die Vertauungen, und„Mary"stach in See. Nun strahlte und funkelte der Bursche nicht mehr,hart und muskulös hielt seine Hand das Ruder umfaßt,er hieb den Blick scharf aus einen Punkt draußen in der Ferne—und biß zwei Zoll Kautabak ab. Wie er da so saß, sah er höchstzuverlässig aus mit seinen achtzehn Jahren; er war ein ganzerMann, der binnen zwei Minuten das Weib und all sein Wesen vonsich abstreifen konnte.Wir andern lagen ausgestreckt aus Deck und plauderten—hauptsächlich natürlich vom Hering. Wir waren ungefähr gleich-altrig. Damals, als wir Knaben waren, fiel der Heringsfang anden Küsten von Bornholm weit reichlicher auS. Mit der Ausfuhrwar es zwar nicht weit her, der Boruholmer wurde allein damitfertig. In allen Hänsern aß man zwei- bis dreimal am Tage ge-salzenen Hering. In jenen Zeiten war es keine Seltenheit, daß dieBoote dem Sinken nahe vom Fange heimkehrten; und die Kundeverbreitete sich wie ein Lauffeuer übers Land. Aus den Höfen derBauern logen die gewaltigen Salzfässer bereit, sie spannten diePferde vor die geräumigen Wagen und fort ging es, zur Stadt oderzum Fischerdorf. Zehn Ol") auf jeden Erwachsenen und 3 bis 4 Olauf jedes Kind rechnete man; und überall auf der Insel salzte manHeringe als Wintervorrat ein. Trotzdem fiel der Fang mitunter soreichlich aus, daß der Preis auf 16 Oere für daS Ol sank und daßdie Heringe nicht abzusetzen waren und in großen Ladungen alsSchweinefutter verkauft oder auf den Kehrichthaufen geworfen werdenmußten.Es war eine Sünde und Schande. Doch da verfielen einigedaraus, die überflüssigen Heringe zu braten und nach Deutschland zusenden. Der Gedanke schlug jedoch nicht richtig an, und ebensotvcnlgdie Ausfuhr des frischen Hermgs auf Eis. Der Boruholmer Heringist nur klein und er kann sich in der weiten Welt nur in geräuchertemZustande behaupten— und zwar nur, wenn der Boruholmerselber ihn räuchert. Niemand in der Welt kann den Hering räuchernwie er.Jetzt sind die Absatzverhältnisse in Ordnung, rings an den Küstenvon Bornholm stehen Hunderte von birnsörmigen Räucheröfen, dieden silberglänzenden Hering verschlingen und ihn golden wieder vonsich geben, und die viel, viel mehr in fich aufnehmen können, alsder Fischer zu sangen vermag. Nnd da draußen in der Welt ißtnca n zehnmal so viele„echte Boruholmer", als die Oefen her-stellenj; so viel Raum hat der Markt— der Boruholmer Fischersteht auf der Höhe seiner Zeit. Trifft der Hering am Morgen ein,so wird er sofort zurecht gemacht und in Rauch gehängt; am Nach-mittag wird er dann in Kisten gepackt und mit dem Dampfschiffgeht er ab; der Kopenhagener hat ihn am nächsten Tag aus demFrühstückStisch.Aber jetzt, wo der Fischer nicht mehr zu überrumpeln ist, be-reitet auch der Hering keine angenehmen Ueberraschurgen. Es erregtweit und breit Aufsehen, wenn ein Boot mit hundert Ol heimkehrt;und es kommt vor, daß die Fischer Nacht für Nacht mit leeren Netzenzurückfahren. Die Lachsfischcrei, die einer Boruholmer Bootsflotillein einsr Nacht 600 Kronen einbringen konnte, ist jetzt ein absterbenderErwerbszweig; und um das Leben durch die Heringsfischerei zu fristen,muß der Boruholmer Fischer Monatszüge in die Ostsee unter-nehinen— im Frühjahr an die preußischen Küsten, im Herbst in dengroßen und kleinen Belt und nach Gedser.„Aber jetzt hoffen wir auf guten Fang", sagen sie, und ihreAugen leuchten. Heut nacht bin i ch für sie das Ungewöhnliche, dasihnen Glück bringen soll. Die Fischer nehmen leicht etwa? als Vor-bedelttung hin; ihr Erwerb ist launenhaft wie das Spiel, und dasveranlaßt sie, dem Gleichgültigen Bedeutung beizumessen. In demniedrigen Volke sind sie etwas ftir sich, Kapitalisten ohne Besitz, dieSchmalzschnitten essen und mit großen Zahlen operieren. Durch ihrePechhände wandern wohl 2 bis 300 Kronen in einer Nacht ins Boothinein; nnd im Handumdrehen kann ihnen das Meer für 1 bis 2000Kronen Gerätschaften fortnehmen.Das Boot stampft vorwärts über das aufgeregte Meer hin, woeine Welle der anderen gleicht, soweit daS Auge sieht. Aber dieFischer, die still überlegen, wo sie heut nacht die Garne aussetzensollen, haben Namen für jede Stelle, die wir passieren. DaS Meerist eingeteilt und benannt wie die Parzellen in einem Dorf.Jetzt segeln wir über die„Schäbel" hin und die Leute gelangenzu dem Resultat, daß die„Nordwestbänke" die Stelle find, wo dieNetze ausgeworfen werden müssen. Wir kommen von Süden her;andere Boote kommen von Westen, kreuzen unseren Weg und segelnnach Osten auf die«Ostbänke" und die„Äirchenbanl" vorSvaneke zu.Das erinnert so menschlich an die Kopenhagener Hausfrauen,die gern ihre Waren in einem anderen Stadtteil holen und nicht da,wo sie wohnen; und ich lausche, um den Erörterungen der Fischer*) 1 Ol 80 Stück.