Zlnterhaltungsblatt des HoriviirtsNr. L53. Donnerstag t>en 29. Dezember.. 1910(Nachdruck verdoten.)u] Mas ist Ruhm?Roman von Max Kretzer.„Oh. oh." rief Klara aus und setzte ihm einen Stuhl hin,wobei sie fragte, ob sie ihm mit etwas dienen könne. Be°glückt nickte er zu ihr empor.„Wenn ich erst hier bin. sitzenSie mir einmal." sagte er wieder.„Ich mache etwas ausIhnen— ein zartes Engelköpfchen, wissen Sie, wie Sienoch als Kind aussahen, damals in der alten Bude. Es wirdein hübsches Relief, verlassen Sie sich darauf." Und als sieihm dann einen großen Kognak gegeben hatte, weil sie wußte.daß ihm das die beste Medizin für sein Leiden war. ergriff erihre weiße Hand und streichelte sie.„Sie sind noch die Besteunter uns allen.... Dieser Blankert hat dran schuld, daßich ganz außer Atem bin: er wird nächstens ein Schnelläufenabhalten, denn mit seinen Porträts kommt er doch nicht vor-wärts. Du, Kempen, weißt Du, er schmiert jetzt das Stückfür dreihundert Mark, um Lenbach tot zu machen. Die Kon-kurrenz ist ihm zu groß. Aber er hat immer Glück. Seinneuer Hauswirt ist mit einer Familie gesegnet, woran erfünf??ahre lang die Miete abmalen kann.... Uebrigens,dort könnte ich ganz gut stehen, ohne Dich viel zu belästigen,"unterbrach er sich und zeigte auf Lorensens verlassenen Platz.Blankert stand vor ihm und wippte auf seinen langen,dünnen Stelzen vor Vergnügen hin und her, denn solcheScherze erweckten stets sein lautes Lachen.„Er hat nochmeine Portiertochter vergessen," warf er dann ein,„die malich natürlich ganz gratis, eine hübsche Kröte, sage ich Euch."„Das wird ein Pendant zu seinem Lazarus, was dielangen Sitzungen anbetrifft," witzelte Schmarr weiter.„Schließlich verplempert er sich noch mit ihr. Die Schwieger-mutier mußt Du sehen!"Kempen, der dabei an Frau Münk dachte, gab dem Ge-spräch rasch eine andere Wendung, indem er auffallend red-selig wurde. Wenn Schmarr ein paar Wochen bei ihm bleibenwolle, gern, sehr gern! Das treffe gerade gut mit seinerReise zusammen, und überdies wäre dann sein Sörgel nichtallein. Man könne niemals wissen, was alles vorgehe.„Hurra, dann backst Du endlich meine Büste," riefBlankert lebhaft aus.„Ich bezahl sie Dir, sei versichert. Oderbesser, ich male Dich dafür."„Dann nehm ich schon lieber Geld," sagte der Kleine listig.„Woll'n sehn, woll'n sehn. Kempen, ich danke Dir.... BinDir überhaupt noch die Putte schuldig: aber ich wollte sie gernin Marmor...."Kcnipen beruhigte ihn. Man rief nach Walzmann, derjedoch verschwunden war. Endlich kam er herein gestolpert,an einer großen Mohrrübe knabbernd, die er sich draußenaus einem der Beete gezogen und inzwischen geschabt hatte.„Etwas muß man doch essen, wenn man hier geladen wird,"sagte er anzüglich, so daß Kempen sofort Klara den nötigenWink gab, aufzutischen, was noch da sei. Sörgel schleppteBier heran, und sie wurden vergnügt wie in der früherenZeit.Es war Mittag, als sie endlich gingen. Schmarr nahmetwas traurig Abschied von Kempen.„Also es bleibt dabei,"sagte er leise,„falls nicht etwas dazwischen kommt. Dennsiehst Du, manchmal will's mit mir nicht mehr recht gehen.Ich bin ein Heimatloser, das macht's.... Aber die Puttebekommst Du, verlaß Dich darauf. Und sollte ich sie nichtselbst bringen, dann nimm sie als letzten Gruß.... Undvergiß mich nicht! Ja, ja, ich rede Dummheit, ich weiß es!Also ich komme, ich oder mein Geist."Kempen drückte ihm die dünnen Hände mit den langenFingern, die feucht und kalt waren, und lachte ihn aus, umihn zu trösten. Als die drei dann wieder draußen waren,der Kleine schweigsam, die anderen beiden gut aufgelegt,auarrte Walzmann damit los, was ihm schon längst auf denLippen gelegen hatte:„Lorensen hat besser aufgetischt. DieDelikatessen, meine Söhne, die Delikatessen— die verstander. Kempen ißt am liebsten trocken. Aber ein Kerl, einKerll... Wo gehen wir jetzt lsint"17.Die„Erdrosselung" erregte in München allgemeinesAufsehen, denn selten hatte man ein Werk gesehen, das sodeutlich die gewaltige Sprache eines großen Bildners redeteund die Gemüter erzittern machte. Und dieselbe Frage wiein Berlin tauchte auf:„Wer ist Kempen?" Aber in andererWeise, nicht halb aus Mitleid geboren, sondern forschend, vonheller Neugierde erregt, über den Mann näheres zu erfahren,der mit einem mächtigen Sprung aus dem Dunkel des Un-bekanntseins in das strahlende Licht des Ruhms gesetzt loar.Dieses Mädchen, dieses Mädchen! Man sah es immer wiederan und fühlte den Schauer mit, der über seine keuschen,schönen Glieder lief.Die Flut des Lobes, ungetrübt durch Einflüsterung undAbneigung, sickerte auch nach Berlin durch, und zwar in denlangen Eigenberichten der großen Blätter, die die Fanfarenfür den neuen Mann bliesen in der bestimmten Erwartung,man werde ihn dort oben besser kennen als unten in derStadt der vielen Bräus, wo aber immer noch beim Klappernder Maßkrüge der Weckruf frischer Kunst hell genug er-klingen konnte. Und man kannte ihn, erinnerte sich wenigstens»seinen Namen schon gehört zu haben.„Ist es nicht der mit dem Bärenkämpfcr?" fragte derschwerhörige Runkel, Senatsmitglied der Akademie, einesAbends den kleinen kurzsichtigen Stenzel, als sie sich, beim-gekehrt aus der Sommerfrische, zu einem gemeinsainen Gangtraten und so von ungefähr auf die Münchener Ausstellungzu sprechen kamen.„Löwenkämpfer, Löwcnkämpfcr!" schrie ihm der Ver-grämte ins Ohr.„Es war doch ein Löwenkämpfer I"„Ei, versteht sich, ich entsinne mich jetzt," fistelte die Größezurück.„Ich versprach mich nur. War eine gute Arbeit, vor-züglich ausgeführt, ganz vorzüglich. Hatte, soweit ich michentsinne, einen vortrefflichen Platz.... Waren Sie nichtgegen die Aufnahme?"„Aber ich bitte Sie!" rief Stenzel überlaut beim Wagen-rollen.„Sie waren es ja, der an ihm herumnörgelte...,verglichen sogar die Bestie mit einer Kuh. Ich aber fanddie Gruppe prächtig, einfach prächtig."„Aber wie können Sie nur—?"Sie wurden erst einig, als ihr Gedächtnis sich ganz auf-frischte und man Heilke die eigentliche Schuld zumaß.„Ei, versteht sich, er war der Attentäter," warf Runkelmit Bestimmtheit ein, dann aber wieder geneigt, diese Bc-hauptung in Frage zu stellen.Doktor Golding, der nach München gereist war. hatteeinen sehr verständnisvollen Artikel über das Werk gc-schrieben und besonders erwähnt, daß er den„schweigsamenMann im zugeknöpften Rock" gelegentlich einer Gesellschaftbei Professor Heilke kennen gelernt habe. Und sofort hattees Stampf für nötig befunden, aus eigener Anschauung nichtzurückzubleiben, was er mit großem diplomatischen Geschicktat, indem er die Frage offen ließ, inwieweit„der berühmteGastgeber" schon vor Zeiten dieses Talent erkannt habe, alser es in den engeren Kreis seines Hauses zog. Das allesgeschah mit hübschen Wendungen, in denen zum Schluß dieBegeisterung der Münchener mit der Zurückhaltung der Ber-liner abgewogen wurde, die hoffentlich bald das Vergnüge»haben würden, selbst zu prüfen und zu ergänzen.„Man wird ganz verrückt, wenn man so etwas liest,"flötete Stenzel wieder.„Ter gute Felix richtet sich immernach dem Winde."„Ei, versteht sich," quiekte Runkel zurück, der diesmaljedes Wort verstanden hatte.„Mich soll's gar nicht wundern,wenn Heilke nächstens sagt, er habe uns nur aufs Glatteisführen wollen. Trau ich ihm schon zu.... Wie heißt:übrigens die neue Gruppe von diesem Kempen? Erwürgung,he?"„Erdrosselung, Erdrosselung!" tutete ihm Stenzelwieder zu.„Sie behalten solche Dinge nie."„Erdrosselung, richtig, ei, versteht sich. Sägte ich nichtso? Man hat so viel im Kopf..... Seien Sie doch sofreundlich, Herr Kollege, sich den Titel zu merken, denn man