Anterhaltungsblatt des Vorwärts

Nr. 3.

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Donnerstag den 5. Januar.

( Nachdruck berboten.)

Pelle der Eroberer.

Roman von Martin Andersen Nero. Autorisierte Uebersetzung von Mathilde Mann .

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gung.

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1911

hatte Belle in hohen Tönen von diesem Lande erzählt, in dem die Löhne so unfaßbar hoch waren und wo man zuweilen Belag zu dem Brot bekam und immer Bier dazu, so daß der Wasserwagen in der Ernte nicht bei den Arbeitern um­herfuhr, sondern nur für das Vieh da war. Und ja, wen wollte, der konnte Branntwein wie Wasser trinken, so billig Die Bauern sind jetzt ganz wach geworden. Wer die war der, aber er war so stark, daß es einen schon beim dritten Pferde verlassen kann, mischt sich unter die Menge, die anderen Glas umstieß. Sie brannten ihn aus richtigem Korn und wählen sich ihre Arbeitskraft mit den Augen aus und rufen nicht aus franken Kartoffeln, und sie tranken ihn zu jeder die Betreffenden an. Jeder legt seinen Maßstab an Mahlzeit. Und nie brauchte der Junge da zu frieren, denn Schulterbreite, bescheidene Haltung, Erbärmlichkeit; aber vor da trug man Wolle am bloßen Leib und nicht diese unge­den narbigen und boshaften Gefichtern haben sie Angst, die bleichte Leinwand, durch die es so kalt hindurchblies; aber überlassen sie den Verwaltern auf den großen Gütern. Es ein Arbeiter, der sich selbst beköstigte, bekam leicht jetne zwei wird geboten und gefeilscht, jeden Augenblick kriechen ein oder Kronen den Tag. Das war ganz was anderes als die zwei Schweden in das Stroh hinten im Wagen und rollen laufigen achtzig Dere des Gutsbesizers bei eigener Bekösti­davon.­Ein wenig abseits stand ein älteres gebeugtes Männchen Belle hatte dasselbe schon viele Male gehört- von mit einem Sad auf dem Rücken und einem acht- bis neun- dem Vater, von Ole und Anders, von Karna und hundert jährigen Jungen an der Hand; zu ihren Füßen lag eine anderen, die auch hier gewesen waren. Im Winter, wenn die grüne Riste. Sie folgten aufmerksam den Vorgängen und Luft treibend did war von Kälte und Schneegestöber und jedesmal, wenn ein Wagen mit ein Paar von ihren Lands- der Not der armen Leute, redeten ganz einfach alle davon Jeuten davonrollte, zupfte der Knabe ungeduldig den Alten, in den kleinen Orten daheim. Und für die, die nicht selbst der ihm dann beruhigend zuredete. Der alte Mann unter- auf der Insel gewesen waren, sondern nur davon hatten er­fuchte die Bauern einen nach dem anderen mit bekümmerter zählen hören, trieb die Vorstellung ganz phantastische Schlüsse Miene und bewegte dazu die Lippen er dachte. Beständig um die Wette mit dem Frost an den Fensterscheiben. liefen ihm die roten, wimperlosen Augen in Folge des Belle wußte es ganz genau, daß hier selbst die ärmsten Starrens über und er trocknete sie mit dem groben, schmugi- Jungen immer in ihren besten Anzügen gingen und Schmalz gen Sadhals ab. brot mit Zucker darauf aßen, so viel sie nur wollten. Hier floß das Geld ganz einfach so wie der Dreck an den Wegen entlang, und die Bornholmer mochten sich nicht einmal die Mühe machen, sich zu bücken und es aufzunehmen. Aber Pelle wollte es aufsammeln, so daß Vater Lasse das alte Gerümpel aus dem alten Sack schütten und die Beilade in der grünen Kiste leeren mußte, um Platz zu schaffen. Und felbst dann würde es noch knapp damit sein. Wenn sie jetzt nur bald weg fämen er zupfte den Vater ungeduldig.

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,, Siehst Du den da?" sagte er plötzlich zu dem Jungen und zeigte auf einen kleinen, dicken Bauer mit Apfelwangen. Was meinst Du? Der ist gewiß gut gegen Kinder. Wollen wir es mal versuchen, Junge?"

Der Kleine nickte ernsthaft und sie steuerten auf den Bauern los. Als er aber hörte, daß sie zusammenbleiben mußten, wollte er sie nicht haben, der Junge sei zu klein, um fich sein Brot zu verdienen. Und so erging es ihnen jedesmal. Es waren Lasse Karlsson aus Tommelilla in der Ystadergegend und sein Sohn Belle.

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Ganz fremd war Lasse ja nicht, er war schon einmal auf der Insel gewesen vor ungefähr zehn Jahren. Aber da­mals war er jünger, sozusagen in seiner besten Arbeitskraft und hatte nicht den kleinen Jungen an der Hand, von dem er sich um alles in der Welt nicht trennen wollte das war der Unterschied. Es war in dem Jahr, als die Kuh in der Mergelgrube ertrant und Bengta ihrem Wochenbett ent­gegensah. Marg sah es ja nur aus, aber Lasse fette alles auf eine Karte und benutte die paar Kronen, die er für die Haut der Kuh bekam, um dafür nach Bornholm zu fahren. Als er im Herbst nach Hause zurüdfehrte, waren sie drei Münder, aber da hatte er auch hundert Kronen, mit denen er dem Winter entgegensehen konnte.

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Lasse war damals imstande gewesen, die Situation zu retten; und noch heute konnte sich seine alte Gestalt straff aufrichten, wenn er an die Heldentat dachte. Später, wenn Schmalhans regierte, sprach er immer davon. den ganzen Plunder zu verkaufen und für immer nach Bornholm zu ziehen. Aber Bengta fränkelte nach dem späten Wochenbett und es wurde nichts daraus nicht eher, als bis sie nach achtjährigem Elend starb, jeßt, kürzlich im Frühling. Da verkaufte Lasse die Ueberreste unter der Hand und erhielt knapp hundert Kronen dafür; die gingen damit drauf, jedem das Seine zu bezahlen; die lange Krankheit hatte gezehrt. Das Haus und der Boden gehörten dem Gutsbesizer. Eine grüne Kiste, die zu Bengtas Aussteuer gehört hatte, war das einzige Stück, das er behielt. Da hinein packte er ihre Ge­brauchsgegenstände und einige von Bengtas Kleinigkeiten und schickte sie mit einem Roßkamm, der Pferd und Wagen hatte, vorauf in die Hafenstadt. Allerlei altes Gerümpel, worauf niemand bieten wollte, stopfte er in einen Sad, und den über dem Nacken und den Knaben an der Hand, machte er sich auf die Fußwanderung nach Ystad , wo der Dampfer von Rönne anlegte. Das Geld reichte gerade zur Ueber­fahrt.

Er war seiner Sache unterwegs so sicher gewesen und

Ja, ja," ſagte Lasse, dem das Weinen im Halse steckte, ,, ja, ja, Du mußt wohl Zeit lassen!" Er sah sich unschlüssig um. Hier stand er nun mitten in all der Herrlichkeit und fonnte nicht einmal einen bescheidenen Platz für sich und den Jungen finden. Er begriff das nicht. Hatte sich denn die ganze Welt seit seiner Zeit verändert? Es zitterte ihm bis in seine rauhen Hände, als der letzte Wagen von dannen rollte. Eine Weile starrte er ihm hilflos nach; dann schleppten er und der Junge die grüne Kiste an eine Mauer, und Hand in Hand wanderten sie der Stadt zu.

Lasse bewegte die Lippen beim Gehen er dachte. Für gewöhnlich dachte er am besten, indem er laut mit sich selbst redete; aber heute waren alle seine Fähigkeiten in Bewegung und er fonnte sich damit begnügen, die Lippen zu bewegen.

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Und während er so dahintrabte, gestalteten sich seine ent schuldigenden Gedanken zu entschuldigenden Worten. Zum Teufel auch," rief er aus und fandte mit einem Stoß des Rückens den Sack weiter über den Nacken hinauf, man soll auch nicht gleich das erste beste nehmen, was sich bietet; das is nich mal flug! Lasse hat ja Verantwortung für zwei, sollt ich meinen, und er weiß, was er will na ja! Bin doch schon früher im fremden Land gewesen, weiß Gott . Und das beste tommt immer zuletzt, daß Du Dir das merkst, Jung'!"

Belle hörte nur schwach zu. Er hatte sich bereits ge­tröstet, und die Worte des Vaters, daß ihnen das beste noch borbehalten sei, waren ihm nur ein schwacher Ausdruck einer mächtigen Wahrheit- daß nämlich die ganze Welt ihnen ge­hören würde, mit allem, was sie an Wunderbarem enthielt, mit Stumpf und Stiel. Er war schon im Begriff, sie in Besitz zu nehmen mit weitgeöffnetem Munde.

Er ging mit einer Miene einher, als wolle er den ganzen Hafen verschlingen, mit allen seinen Schiffen und Booten und den großen Bretterstapeln, die wohl so aussahen, als seien sie inwendig hohl. Ja, hier war ein Spielplat aber da waren feine Jungen! Ob die Jungen hier wohl auch so waren wie die zu Hause? Er hatte noch keine gesehen. Am Ende hatten sie eine ganz andere Manier, sich zu prügeln aber er wollte schon mit ihnen fertig werden wenn sie nur

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