SciS, und es würde lange währen, bis er wieder eine Kuh zu-schänden rannte. Aber zum Verwalter gehen und sich selbstmelden— und die Pntkche auf den bloßen Beinen zu fühlen— das sollte ihm denn doch nicht einfallen! Dann mochteGott der Herr lieber böse auf ihn werden— ob der nun auchwirklich alles sehen konnte? Schlimmer als der Zorn desVerwalters konnte er wohl nicht werden.Den ganzen Vormittag ging er bedrückten Sinnes ein-iher. Die Augen des Mannes ruhten auf ihm bei allem, waser unternahm, raubten ihm seine Unbefangenheit. Er tastetesich schweigend vorwärts und griff alles von einer neuen Seitean: es war nicht ratsam, Lärm zu schlagen, wenn man be-ständig vor dem Antlitz Gottes des Vaters wandelte. Erknallte nicht mit der Peitsche, sondern überlegte im stillen,ob er nicht auch die verbrennen sollte.Aber kurz vor Mittag kam Ru-d, und das Ganze war ver-gessen. Er rauchte auf einem Stück spanischen Rohrs, daser von dem Lffenreiniger seiner Mutter abgeschnitten hatte,und Pelle tauschte sich ein paar Züge für ein Stück Butter-brot ein. Zuerst setzten sie sich hin und ritten auf dem OchsenAmor, der dalag und wiederkäute. Er kaute ruhig, mit ge-schlossenen Augen weiter, bis Rud ihm das brennende Stückspanischen Rohrs gegen die Schwanzwurzel drückte, da spranger hastig auf und die Jungen trudelten über seinen Kopfherunter. Sie lachten und malten sich gegenseitig prahlendihre Purzelbäume aus, während sie an den Feldrain hinauf-gingen, um Brombeeren zu suchen. Von da ging es zu Vogel-nestern in den kleinen Tannen, und endlich machten sie sichan ihr bestes Spiel— Mäusenester auszugraben.Pelle kannte jedes Mauseloch in der ganzen Gegend: sielagen auf dem Bauch und untersuchten sie sorgfältig.„Hierist eins, das bewohnt ist," sagte Rud,„sieh nur, da ist derMisthausen."—„Ja, hier riecht es nach Mäusen," bekräftigtePelle und steckte die Nase in das Nest hinein.„Und dieStrohhalme wenden nach außen— die Alten sind offenbarnicht zu Hause!"Mit Pelles Messer schnitten sie den Rasen weg und fingenmit zwei Topfscherben eifrig zu graben an. Die Erde flogihnen um die Ohren, während sie schwatzten und lachten.„Na, zum Kuckuck auch, das geht ja fix!"„Ja, so schnell kann Ström nich arbeiten."— Ström warein berühmter Schnellarbeiter, der fünfundzwanzig Oere mehram Tage bekam als die anderen Schnitter und benutzt wurde,um die Arbeit zu„treiben".„Wir kommen gleich direktemang in den Bauch der Erderein."„Ja, aber da in is es glühendig heiß."„Ach was, Unsinn, nich?" Pelle hielt bedenklich mit demGraben inne.«Ja, das sagt der Schulmeister."lFortsetzung folgt.)*JVcuc ßeUetnftik.ii.Ein ganz wundervolles Buch ist D i e G es ch i ch t e des jungenOswald von Felix Sternheim(Hyverion- VerlagH. v. Weber, München). Auf melancholisch-philosophischem Grundeerblüht eine der köstlichsten Liebcsgeschichten. Einfach ist die Hand-luug. Die sorgsamen Eltern wollen dem jungen Doktor ihr Grctchennicht geben, bevor er einen äußeren Erfolg zu verzeichnen hat. Soarbeitet er rastlos an einem Drama(warum werden nur alle IIn-glücklichen Dichter?), ohne zu nierken, datz ganz allmählich in derWartezeit die Liebe des Mädchens zu ihm erkaltet. Als er demBruder jubelnd den Erfolg seines Buches und seine Ankunft meldet,wird ihm die vernichtende Antwort von der Verlobung seines ersehntenGrelchens. Aber nicht diese Tragödie hoffender Liebe und grau-samer Täuschung ist die Hauptsache, das Herrliche sind die von Lebenund Liebe durchhauchter. Schilderungen der ersten glücklichen Zeit,die Beobachtungen des frohen Kinderlebens, die begeisterte, idealistischeStimmung, die über dem größten Teil des Buches verschwenderischausgegossen liegt. Nicht minder von Wärme durchstrahlt sindWilhelm Hegelers: Sonnige Tage, die neu aufgelegtund im wesentlichen umgearbeitet aus dem Verlag Egon Fleische!,Berlin, vorliegen. Hegeler will kein moderner Grübeldichter sein,spricht nicht mit verkürzten, ahnenmachenden Sätzen, wirrt nicht dieBegebenheiten durcheinander, sondern fabuliert fröhlich drauf los.Wendet sich mit seiner ungekünstelten Darstellungsweise an einharmlos genügsames Publikum. Ein schwerblütiger Aktenmenscherlebt mit einem Mädchen, das seine Lebens- und Glücksbegierdeentflammt, sonnige Tage reichspendender Liebe, bis ihn ein Briefseiner schwermütigen Braut wieder aus den Höhen leichtlebigerFreude in die Normalebene treuer Pflichterfüllung zurückruft under als rechtschaffener Landgerichtsrat nur noch verstohlen, wehmütigseines schönen Abenteuers gedenkt. Ein UnterhaltungSbuch imbesseren Sinne. Das Land der Kindheit schließt fich auf in KurtHahns Erzählung: Frau Elses Verheißung(A. Langen,München).� Ein wenig an Ewalds Vaterbücher gemahnend, nur mitweniger pädagogischer Tendenz. Auch ist es hier die Mutter, anderen Seite, in deren segensooller Obhut der wilde Junge Erwinheranwächst mit allen seinen stürmenden Temperamentsausbrüchen,die die Mutter verzeiht, weil sie sie versteht. Der Autor geht inseiner Geschichte von dem kleinen Feuerkopf selbst mit brennendemStil los. so daß auch Stellen kommen, die ein wenig im Rauchliegen, aber immer wieder siegt das Dichterische, so datz man dasBuch mit Freuden bis zu Ende liest.Drängte sich in Kurt Hahns Buch ganz unmerklich eine erzieherischeAbsicht auf, so spürt man den gewollten Zweck noch stärker in nach-folgenden Tendenzbüchern. Jn L. SchrickelS: Zukunft(EgonFleischet, Berlin), Ewald Seeligers: Zurück zur Scholle(Georg Müller, München). und: Die zehn Schorn st einevon Adolf K ö st e r(A. Langen, München). Schrickel zeigt unsdie Umwandlung eines Charakterlumpen, einer egoistisch- brutalenStrebcrseele durch ein hochgemutes Weib. Das Erlösungsmotiv istangeschnitten, von der Frau Amtsrichter geht die Läuterung aus. sierettet den Mann aus Neinlicher Selbstsucht zu Erkenntnis beffererMenschheitsziele. Diese Zukunftsziele: Selbsttreue, Selbstentwicke-lung. Menschsein, Heiligkeit der Mutterschaft sind geschickt, wennauck, oft in etwas gespreiztem Stil in die Geschehniffeverflochten, im Propagandistischen geht allerdings manch-inal die poetische Gestaltungskraft unter. Seeligers Buchhandelt von der Misere des VolksschuNehrertums im deutschenOsten. Ein vom preußischen System verärgerter Lehrerhängt den Schulmeister an den Nagel und wird Landwirt. Auchhier wird der Roman zum Agitationspult, politische, konfesfionelle,Standes- und sonstige Vorurteile werden mit einer eindringlichenPlastik des Stils zur Sprache gebracht. Seeliger ist ein herzhafterund kundiger Anwalt des Volksschullehrerelends. aber sein Heil-mittel: zurück zur Scholle trifft nicht den Kern, obwohl es derkämpferischen Atmosphäre des Buches einen versöhnlichen Abschlußgibt. Von einer unerschütterlichen Lebensanschauung gelragen sinddie zwölf Novellen Adolf Kösters, prägnant in der Form und vollnachhaltiger Eindrücke. Wundervoll Jan SteenbeckS Wahlrede;Der Tod des jungen Osterley von Jacobsens Geist. Das Proletariat ist der Boden, in dem die Wurzeln der Kösterschen Ge-schichten liegen, und aus ihm heraus erblühen ihm Kraft und Schön-heit und Leiden.Ein Buch des Wahns könnte man Valerius BrjusoffS:Der feurige Engel nennen(Hhpnrion-Verlag H. v. Weber,München). Der Rusie Brjukoff, der in seinen ftüheren Werken schonmit gewaltigen Phantasien daherkam, läßt hier das 16. Jahrhundertin der Geschichte eines somnabulen Mädchens aufleben, dem derfeurige Engel erschienen, und das nun ihr Leben dafür einsetzt,dieser Luftgestalt einmal wirklich in Fleisch und Blut zu begegnen.So macht der visionäre Drang eine Abenteuerin aus ihr, sie schließtsich einem jungen Manne an, der ihr den Engel suchen helfen soll.Im' entfesielten Verlangen nach der lichten Traumgestalt ergibt siesich nach langer Wanderfahrt besten glühendem Begehren undtaumelnde Erotik schlägt über beiden zusammen. Doch wieder ringtsie sich los aus den Versuchungen deS Teufels, denn dieser eben wares, der in Gestalt des flammenden Engels daS Mädchen auf dieWege der Abenteuer und der Zwangshandlungen trieb, die ihr Ver-derben werden sollten. Sie fällt als Zauberin dem Jnquifitions-gericht anHeim, wird in den Kerker geworfen und als ihrGeliebter kommt, sie zu befreien, rettet sie der Tod,wie Fausts Gretchen aus den Krallen des Wahns. Wasdiese Geschichte lesenswert macht, ist der klare Chronikstil, derdas Zeitalter der Kabbalistik, der Alchemie und Magie wie ein Ge-mälde vor Augen führt, saftig in den Farben, ich möchte sagen,transparent, so daß wir zugleich die Gewalt der Kräfte hindurch-schimmern sehen, in deren Bann fich die Geschicke der Menschenformten. Obwohl das Buch von Leidenschaften fast fiebrisch durch-glüht ist, bleibt der Stil von jener ruhigen Bildkraft, wie wir ihnauf seine höchste Höhe gebracht in Ricarda HuchS: Das Lebendes Grafen Frederigo Confalonieri(Jnfel-Verlag, Leipzig)wiederfinden. Hier erhebt sich die epische Erzählungskunst zu einerfast statuarischen Kühle, aber plastisch, wie in Erz gegossen stehenauch die Gestalten da. Wer sich für historische Begebenheiten inter-essiert, die neben einem großen Menschenschicksal zugleich einengroßen Charakter zeigen, der wird in dieser Geschichte der Helden-haften Leiden des starkwilligen Grafen, der in der Zeit der italieni-schen Befreiungskämpfe hinter Kerkermauern sich im Dulden stählte,einen reinen, ungetrübten Genutz finden. Man darf mittieferer Bedeutung und mit Recht von diesem 350seitigenWerk sagen: ein großes Buch. Aus der Kühle chronisti-schen Berichtes in die gemütliche Kachelofenwärme führtRudolf Huchs Kleinstadtgeschichte: Die Rüben st edter«Georg Müller, München). Zwar nennt sie der Verfasser ein Sommer»buch, aber doch liegt über diesen Leutchen, die da mit ein bißchenIntrige, Essen und Trinken, ein bißchen Liebe und viel Humor ihrSchellenleben leben, so viel Familienstubenwärme von jener Art,die einem im Frost literatursüchtiger Besonderheitsbücher wohl tut.Rudolf Heuß ist ein Autor, der Behagen bereitet, mehr will er auch