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foffen. Darauf fommt es an, alles Einzelne im Inneren Wefen zu sächsische Markt- und Stadtwääter der steinernen Rolandfigue an erfassen und niemals mehr und anderes zu geben, als der Gedanke dem zierlich unter den himmelanstrebenden und bis hoch hinauf des ganzen Gedichts mit Gewinn in seinem Bau aufnehmen kann. fensterlosen Turmwänden der Marienkirche gelagerten spätgotischen Der Wink gilt auch der Neigung Lessens, jeder Verszeile ein feier- Mathause mit seinem feineren Anbau und Nachbar in Renaissance liches, schöntönendes Glänzen zu geben. Könnte er diese Neigung, mahnt daran. Diese niederdeutschen Marktplägel Da schauen die die auf ein rhetorisch schilderndes Zeigen hindrängt, bändigen, wundervollen Woltenburgen des Flachlandhimmels auf einen so würde er wohl auch rhythmisch freier und reicher weiten, schlechtgepflasterten und etwas unebenen Blah, den heime mit dem Reichtum an Einzelschönheit, den fein Naturlige Häuser, hoch und niedrig, umstehen. Bim" schrillt kurz bei fchauen erntet, schalten fönnen. Zum Schönsten des Buches Johannes Strube die erloschene Ladenglode. Aling" flappt die zähle ich die innige Herzlichkeit der Gedichte, die ihm aus dem eichene Tür drüben bei Witwe Kluckhahn zu; ein paar Holzpan Sonnenglück des eigenen Heims zugeftrömt find: Das Freudejauchzen toffeln flappen in der mittaglichen Stunde über die dauerhaften um Weib und Kind, das Lebensmittag- Glück. Klinker und verlieren sich in der Ferne. Wie ein Klang aus längst­vergangener Zeit hallen feierlich zwölf Schläge voll und dumpf durch den stillen Mittag. Tiefe Stille. Da, eine schwarze Gala­futsche der erste Wagen seit undenklichen Zeiten, wie Du meinst fährt in schlankem Trabe vor das Tor zwischen den hübschen Renaissance- Giebelerfern. Klappernde Holzschuhe mit den dazu gehörigen großen und kleinen Kindern sammeln sich lautlos um die Kutsche und warten geduldig, bis das Tor fich wieder öffnet. Du lieft: Standesamt". Ach so. Wieder einer und wieder eine. Der Eindruck truhiger Wehrhaftigkeit, den die reich mit Blend ziegeln, mit Ertern und Zinnenkränzen, mit Wappen und Friesen berzierten Stadttore machen, ist so deutsch   und gotisch wie möglich. und doch gemahnen Geburtshaus nahe der Betrikirche und Wich­manns Denkmal an den bedeutenden und sich ganz in die Welt alt­klassischer Schönheitsideale verlierenden Sohn der Stadt, an den Altertumsforscher Johann Joachim Windelmann, der die Antife wiederentdeckte und dessen Geschichte der Stunst des Altertums" Goethe auf seiner italienischen Reise Reisegenosse und Gefährte war.

Tief berühren die Gedichte von Alfons Begold, die Josef Luitpold Stern   durch das Heftchen Troß alle dem!" weiteren Kreisen zuführt.( Wiener   Volksbuchhandlung, 25 Br.) Pezold, 1882 geboren, ist von Kindesbeinen an mit aller Not des Proletariers der Großstadt geschlagen gewesen und gewefen und fristet, als ein fränklicher Menich, auch heute noch sein Leben nur fümmer lich. Nur ein Mensch, der wie er die Hatz, Dual, Unsicherheit der proletarischen Arbeit gekostet hat, fonnte Gedichte schreiben, wie dieses Büchlein fie birgt. Sie haben die Farben und Töne der Arbeitswelt, von der sie zeugen, find Elendsgräfer, durch die ein tlagendes Frösteln streicht, und zwischen denen dennoch da und dort rote Nelken der Hoffnung aufgegangen sind. Sie sind durch schlichte Echtheit start, sind wirklich geschaut und oft in ihrer Einfachheit schön wie ein Bolkslied. In Bezolds Lyrif wirkt die geheimnisvolle Kraft, die in den Dingen lebendig wird, sobald sie als Gleichnis empfunden werden, diese Kraft, die den Dichter unerschöpflich macht. Was ihm gelingt, fage das Gedicht Der Blinde":

B

Ihm hat des Lebens stahlgefchiente Hand Im Vorbeginne schon das Licht entwendet. Mit toten Augen grüßte er das Land, Für das der Leib des Weibes ihn gespendet.

Um ihn erhebt sich eine hohe Wand, Die erst am Tage seines Todes endet. Doch sicher geht er an des Lebens Hand Vorbei am Abgrund, wie von Gott   gesendet.

Und Seele ist in jeder seiner Hände. Er fühlt um sich das ewige Gedicht Des großen Lebens bis zu seinem Ende.

Und jedes Ding voll Weisheit zu ihm spricht: Was find dir Rebelichleier, dunkle Wände! Du birgst in dir das allergrößte Licht!"

Franz Dieberich.

Du rüstest Dich sinnend zum Heimweg. Vom nahen leng Tingertor führt eine hübsche Promenade um die Stadt. Hohe alte Bäume beweisen, daß es mit dem vielen Sand und Staub der Altmark denn doch wirklich nicht ganz so schlimm ist. Der Weg führt wieder am Dom borüber, der das wertvolle altmärkische Museum mit Altertümern und naturwissenschaftlichen Sammlungen aufnahm, und bringt Dich sicher zum Bahnhof. Nun liegt er ber­dächtig still da, und Du hast alle Muße, über den königl. preußischen Eachlichkeitsstil so manch großen Bahnhofes nachzugrübeln. W. Peerk.

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Kleines feuilleton.

Ein neuer transatlantischer Flug. Daß irgendwann irgend jemand einmal den Atlantischen Ozean   in einem Ballon oder anderen Flugichiff überfliegen wird, daran braucht man nicht zu zweifeln. Ob dies Ereignis aber schon im nächsten Jahre zur Tatsache werden wird, ist eine Frage, deren Beantwortung wohl manchem recht un­

In der Vaterftadt Winckelmanns. fidher ericheint. Der Wille und Plan dazu ist jedenfalls vorhanden

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Spätgotit in der Altmart.

und auch sogar das Luftschiff scheint bereits fertig zu sein. Vielleicht ist es daher nur ein Versehen, wenn es in einem Aufsatz von Dr. Eugen Alt in Betermanns Mitteilungen" heißt, die Expedition Wenn ich gesagt hätte: Stendal  , so das bin ich über- folle erst Anfang März kommenden Jahres angetreten werden. Vielmehr Beugt hättest Du Dich im Zug in die Ecke gedrückt.... Es ist scheint sie schon für dies Jahr beabsichtigt zu sein. Das Luftschiff Abend. Du hast, von Hamburg   über Wittenberge   fommend, die hat einen Ballon von über 17 Metern im Durchmesser und von gewaltige Schleife um die Stadt gemacht und bist da staunend durch 60 Meter Länge; sein Rauminhalt beläuft sich auf 9400 Stubifmeter. eine Märchenwelt gefahren. Noch mit voller Schnelligkeit geht's Statt der Gondel hängt an diesem Ballon ein Boot, das kräftig bald zehn Minuten lang durch eine endlose Lichterallee. Endlich gebaut und ausgerüstet ist, um auch einer Seefahrt einigermaßen ziehen die Bremsen an: Du bist da. Hier brandet ein gut Teil gewachsen zu sein. Die Hauptsache ist, daß die Maschinen, die zum deutschen   Durchgangverkehrs; hier kreuzen die großen Schnellzug- Treiben der Luftschrauben bestimmt find, beim Eintauchen der linien Leipzig  - Magdeburg  - Hamburg   und Bremen  , Berlin  - Han- Bootgondel in das Meer noch eine Schiffsschraube bewegen können. nover- Köln  . Tag und Nacht fluten seine Wellen durch diesen Die Abfahrt soll von dem Ort Porto Grande aus den Cap Bahnhof, Tag und Nacht mühen sich die kleinen Rangierlokomotiven, Berdeichen Inseln erfolgen, und man hofft einen ständigen bie langen Wagenzüge zu entwirren. Folg mir in die Stadt, deren Nordostpassat während der Fahrt anzutreffen und benutzen zu altertümliche und das nahe Tangermünde   ergänzende Schönheiten können, so daß zusammen mit der Maschinenfraft in ungefähr fünf man in der modernen Haft, vorwärts zu kommen, vergaß. Tagen der Weg von 3500 bis 4000 Kilometer bis nach Amerika  Der erste Eindruck ist: eine fühle herbe Luft und eine aus zurückgelegt werden könnte. Am wahrscheinlichsten würde die Landung gesprochene Provinzstadt mit deutlichem Stich ins Ländliche. Die an der Küste von Guyano, vielleicht aber auch auf einer der Kleinen Antillen  Straßen sind so breit, daß ein ganzes Heer, ohne die Kolonnen erfolgen. Dr. Alt sett mun hauptsächlich die wissenschaftlichen Grund­zu ändern, auf ihnen durch die Stadt zichen könnte. Die Häuser lagen und zu erhoffenden Folgen einer solchen Expedition aus find ängstlich besorgt, nicht über zwei Stocwerke hinauszuwachsen. einander. Die Berechnung der Windverhältnisse ist selbstverständlich Eine Studienstadt der Spätgotif ist es. Wenn Du Dir die Kirchen das erste und wichtigste Moment. Der Nordatlantische Ozean liegt und Stadttore anschaust, wirst Du ausrufen: Ableger Branden in der Zone, die der Meteorologe als Gebiet der vorherrschend weste burgsl In der Tat: hier können wir die Backsteingotik der Mark, lichen Winde betrachtet. Immerhin sind die Winde nach Stärke und wie sie hauptsächlich ar Brandenburgs St. Katharinen sich bildet, Richtung so ungewiß und wechselnd, daß man dem famosen Wellman­studieren. Da haben wir den Tom und die Marienkirche. Beide fchen Versuch, den Atlantischen Ozean von Amerika aus mit Hilfe find zwei und spittürmig. Beide entstammen wie die zwei schön- der Westwinde zu überfliegen, von vornherein fein günstiges Weiter im Süden sind die Be­Sten Stadttore, das Tangermünder   und das lenglinger, dem Horojfop stellen fonnte. weil der 15. Jahrhundert. dingungen günſtiger, der Nordostpassat nördlich mit weit Wer durch eine niederdeutsche Stadt streift, den umfängt auf Tropen größerer weht. Zuverlässigkeit Sier also nur bem meist weiten und von alten Bäumen umftandenen Kirchplate wären mit die gelegentlich verheerender Kraft alle Webmutsstimmung der Vergangenheit. Die mächtigen Maße auftretenden Wirbelstürme zu fürchten, die von Westindien   her in der Kirchenschiffe erzählen, wie volkreich diese Städte einst waren, den Atlantischen Ozean eindringen. Sie pflegen fich aber im Winter die kleinen Bürgerhäuser ducken sich verschämt an den in schattigem und Frühjahr nicht zu zeigen. Diefer Expeditionsplan ist also nicht Dunkel liegenden Seiten des Plates. Ist auch der hohe Himmel nur weit verständiger als der von Wellman, sondern hat überhaupt der Altmark zu hell und positiv für solche Resignationsstimmungen, den aussichtsreichsten Weg gewählt, der zwischen Europa   und auf dem Domplat merken rir doch zum ersten Male, daß wir das Amerika   für die Luftschiffahrt nach unserer bisherigen Kenntnis ges mitteldeutsche Magdeburg   verlassen haben. Auch der trußige niedergeben ist.

Berantw. Rebatteur: Richard Barth  , Berlin  . Drud u. Verlag: VorwärtsBuchdruderei u.Verlagsanstalt Baul Singer& Co., Berlin   SW

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