Melanismus niH imTetWegs kaputt gemacht?" Und dann «lahmen sie ihn vorsichtig aus dem Sack und er war ganz heil.„Tiefer Junge, das war doch ein Wunder Gottes! Ein wahrer Prinz!" Drüben auf Kaasegaard wollten sie ihn durchaus zum Weihnachtsschniaus hereinnötigen, während sie die Einrich- tung in den Sack steckten: aber Pelle sagte nein und blieb auch standfest— er hate keine Zeit. Dann bekam er einen kalten Apfelkuchen draußen auf der Treppe, damit er ihnen uicht das Fest aus dem Hause tragen sollte. Sie sahen alle so freundlich aus den Augen und kainen alle zusammen herzu, als er den Sack aus den Nacken lud und damit nach Haus schleppte. Auch sie empfahlen ihm große Vorsicht und taten sehr besorgt— als ob er wohl gar nicht wisse, was er unter den Händen hatte. Es war eine gute Viertelmeile zwischen den Höfen, aber es währte anderthalb Stunden, bis Pelle nach Hause kam und da war er zum Umfallen. Er wagte nicht, den Sack niederzusetzen, um auszuruhen, sondern schlingerte vorwärts, Schritt für Schritt: nur einmal ruhte er aus, indem er sich an eine steinerne Umzäunung lehnte. Als er endlich auf den Hof schwankte, kamen alle Leute herbei, um des Nachbars neuen Selbstdreher zu sehen: und Pelle war sich seine Be- deutung wohl bewußt, als Ole ihm vorsichtig den Sack von der Schulter hob. Er fiel einen Augenblick gegen die Mauer, ehe er sein Gleichgewicht wieder gewann— es war so merk- würdig niederzutreten, jetzt, wo er von seiner Last befreit war— die Erde schob ihn förmlich von sich. Aber sein Ge- ficht strahlte. Gustav öffnete den Sack, der sorgfältig geschlossen war und schüttete seinen Inhalt aus das Steinpflaster aus— es waren Mauerbrocken, ein paar alte Pflugschare und der- gleichen. Pelle starrte verwirrt und ängstlich all das Ge- rllmpel an, er sah so aus, als sei er von einem anderen Erd- ball eben auf die Erde hembgeplumpst. Aber als das Gelächter von allen Seiten losbrach, begriff er den Zusammenhang: er rollte sich zusammen wie ein Klumpen und verbarg sein Gesicht. Er wollte nicht weinen, um keinen Preis— das Vergnügen sollten sie doch nicht haben. In seinem Innern schluchzte es, aber er kniff den Mund zusammen. Es durchzuckte sein Blut, krank vor Wut. Die Teufel— die vermaledeiten Satans— die!— Plötzlich stieß er Gustav mit dem Fuß gegen das Bein. .lFortsetzunx, falgt.)� Im Minter auf cUn Gottbardpaß. Er fuhr schon lange in einem Tempo, daß einige Neulinge seine Eigenschaft als Schnellzug in Zweifel zu ziehen begannen und im Zusammenziehen ihrer Branen die Absicht erkennbar machten, eine Protestnote an die Direktion der Gotthardbahn zu richten. Dabei war doch an den vielen Nasen, die sich an die breiten Scheiben des Waggons preßten, deutlich genug zu merken, daß die Sensation der Route begann: die tollen Abstürze, neben denen die Schienen keck entlang liefen, wie ein Knabe auf dem Brückengeländer, die genialen Kehrtunnel, in denen man einen heimlichen Spott gegen diese so trutzig, unantastbar starrenden, steinernen Niesen fühlt, mit denen schließlich das kleine winzige Geschövs. das als Bergsteiger der Mücke auf dem Elefanten gleicht, dock machte, was er nur wollte. Dazu drängten sich nun die hochgeschobenen Erdkrustschalen zu beiden Seiten engend zusammen, große Schneelasten und dicht geschlossen wie Orgelpfeifen hängende Eiszapfen erschienen als eine scherzhaft um- gehangene MaSke der Zone des ewigen EiseS, der Gletscher mit dem ganzen Tralala derer von 2500 und höher. Man glaubte aber etwas von der Langenweile und der Gleichgültigkeit zu spüren, die ein solches Anstarren nun schon seit Jahrhunderten in diesen Felsen- schönheiten hervorrufen muß. War es nun der nivellierende, alles mit monotonem Hellgrau überziehende Schnee, oder eine gewisse Enttäuschung einer viel leichter und großartiger bauenden Phantasie— jedenfalls blieb man der Scheibe fern und dachte viel lieber an die Hände und Hirne, die hier der Gattung.Mensch" Ehrendenkmale gesetzt hatten, in deren Anblick wohl der langgeschwänzten Vettern- schast von Borneo und Sumatra die Hoffnung sinken müßte, je diesen Stammbaumzweig zu erreichen. Je näher aber nun der große Moment, der Haupttunnel mit Göschenen rückte, desto merklicher wurde eine unbestimmte Unruhe, bis ein Gegenüber, das sich durch unmenschlich breit gezogene „Oah jäh" als Mittelgang zwischen Beefftea! und Sauerkohl, als Holländer, vorgestellt hatte, es aussprach, wo? mich quälte:„Man sollte wohl nicht so unten hindurchrutschen, oah jäh. oder meinen Sie nicht?", welches Tauende ich auch begierig ergriff:.Schaffner, über den Gotthardpaß kann man doch gehen?" Eben im Begriff, seine Amtsnase in die kleine Toilette zu stecken, um festzustellen, ob vielleicht ein kleiner pfiffiger Italiener auf diese: Weise seine Heimreise zu Polenta und Käse auszuführen gedachte. erwiderte dieser nur kurz und erstaunt:.Jetzt im Winter? DaS können Sie nicht, das dürfen Sie nicht." Und verschwand nun gänzlich in jener Zelle zur Fortführung der eingeleiteten Unter- snchung gegen.Unbekannt". Zwanzig Nasen aber, noch etwas blaß und platt von der Kälte und dem Gegendruck der Scheiben, gaben diese frei und recht schöne Felsenpariien nmßlen unbeachtet bleiben, weil der ganze Waggon ein unnötiges Gerede anhub, vielsprachig, da sich auch der italieniiche Teil schnell übersetzen ließ, um was es sich handelte und wenigstens durch erschreckliche Mienen und teuflische Gesten auf uns einzuwirken suchte. Nachdem die allgemeinen Adjektiva.Verrückt, wahnfinnig, leicht- sinnig" abgenutzt waren, ging man zur Aufzählung der in den letzten fünfzig Jahren aus dem Himalaja , den Kordilleren, Anden und sämtlichen Alpen bekannten und sämtlich nach dem Gotthard - paß verlegten Unglücksfälle über, bis endlich das Aechzen der Begeisterung über eine neue Aussicht eines neutral Gebliebenen sämtliche Nasen wieder aus unsere Angelegenheit heraus und an die Scheiben zurückbrachte. Nur einem, der wohl eben aus Bern das Patent als Eidgenosse brachte, entschlüpfte noch daS Geständnis der einstigen Zugehörigkeit zum deutschen Spießertum mit besten höchster und letzter Weisheit:.Die Regierung sollte etwas dagegen tun", worauf auch er den Konkav mit der Scheibe und der herrlichen Natur wiederherstellte. Wir beide, durch solche Siedehitze schnell zusammengelötet, disponierten inzwischen, ließen den Zug allein und krochen einem uns wie besessen umjagenden Schneesturme entgegen. Wir hatten unS nicht vorgestellt, krochen wechselnd, einer hinter dem andern, die Steilen hoch und atmeten tief und froh unter der kräftigen Um- armung einer derberen Natur. Einmal blieben wir unter dem Gefühl des starken Kontrastes stehen und sahen noch einmal nach unserem Zug, dessen Rauchsahne nur noch eben aus dem Tunnelloch herausflatterte. Mit den wenigen hundert Schritten war man so einfach von der Menschheit abgeschnitten, so jäh in eine andere Szenerie versetzt, als es nur auf der Bühne möglich schien. Eben noch Wärme, Kultur, Zeitung, der Atem der menschlichen Gesellschaft in Lächeln, Spötteln, Neid, nun nichts als zwei kleine Geschöpfe, verstummend unter einer übermächtigen großen Umgebung, die nur schwieg und handelte. Aber der Sturm ließ uns nicht lange Zeit zum Brüten, katzenartig sprang er uns an. Wir sahen vor uns die Bergwände, von denen feine kalten Hände den Schnee herabwischten— uns in die Augen. Aus eisverhangenen Kammern sprang die Reuß. wie eine Irr- sinnige den Zwangserziehungsversuchen des EiseS fich entziehend. stürzte sich von hohen Felsen herab, tauchte auf hundert Meter weit, daß man sie gezwungen, gepackt glaubte, und dann schnellte sie doch wieder mit tollem Satz heraus, stets von neuem umlauert von Eis- ketten, die sie immer wieder abwarf. Groß und ungeschlacht stellten sich Felsen und Geröll der Schnellen entgegen, mit ihren Schneepickelhauben und tolpasichiger Dienstbereitschaft drollige Karikaturen aus der lieben Heimat bildend. Da standen zu beiden Seiten hämisch, hochnäsig und doch besorgt die Granitmasten, deren uralte Geschichte und Steifbeinigkeit nicht hindern konnte, daß die Schäumende sie umwarf, zernagte, zermalmte— zu erbärmlichen Sand und Schutt, den erst tüchtige Fäuste zu nützlicheren Zwecken umformen würden— aus feudalen Nichtstuern und Schwadroneuren zu Kulturhelfern. Sie glaubten die Bewegung durch Starrheit zu hemmen und verstärften nur deren Stoßkraft, beschleunigten nur ihren eigenen Untergang. Aengstlich hob sich über dem Getobe da unten die schmale alte Steinbrücke hinüber. Da kommt aus dem Schnee der Klang eines GlöckchenS, ein Pferdekopf, hinter einander lautlos vier schmale beladene Schlitten. Schritt für Schritt die Steile hinauf in schwerem Schnee. Stumm sitzen die Führer, achten kaum auf den Gruß. Stumpfsinn und Gedankenlosigkeit möchtest du ihnen wohl unterlegen, da fie scheinbar einzig darauf achten, daß ihr Pferd heil und gesund in den Stall kommt. Du irrst wahrscheinlich. Der Einsame wird zum geübten Beobachter. Mit diesem flüchttgen Viertelsblick wissen sie alles von dir, von deiner Herkunft, deinen Verhältnisten, deinen Absichten, soweit diese fie angehen könnten und träumen fort von den ihren. Die Decke des Schweigens umhüllt auch fie. Aber setze ihnen einen„König " mit pfiffig zusammengebogenen uralten „Anrechten" und hunderttausend durch Aussicht auf schranken- lose Bestialität verführte Soldaten vor ihre Pässe, der fie ebenfalls zu„Untertanen" erheben will, und steh zu. wie diese„Stumpfsinnigen" zu feuersprühenden Titanen werden, sich mit Felsen auf die königlichen„Anrechte" stürzen, und sieh zu, wie die beutegierigen gekrönten Füchse ihre„Ansprüche" hurtig fallen lassen und nur eilen, um ans solch fatalen Pässen zu kommen.„Fürsten- und Adelsmörder" nannten die edlen Volks- mörder diese Widerspenstigen, die, die Ehrung durch den also um- gehangenen Orden kaum spürend, wieder in ihre Stumpfheit und zum Zeitvertteib auch in kleinliche Kantonslläffereien zurückfallen. Wir treten in die Lawinengalerie ein, in das Urner Loch, immer den Lärm des Kampfes im tiefen Flußbett im Ohr, dem die Straße folgte. Endlich eine Oeffnung zur Hochebene. DaS war das eine natürliche Tor der Gotthardbefestigung, überall in den Felsen- fronen Luken von Kasematten, Pulvergänge, Schildwachen, Kasernen, als einziger Durchgang zwischen furchtbarer Schlucht und starrer Felswand der hohe schmale Felspfad, der fich eng an die Wände hält, um dann vorsichtig aus hohen Futtermauern zu der festen Ebene
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28 (27.1.1911) 19
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