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Gänzlich unbeachtet geblieben ft Menschengröße" von Gefichts gerade so gut mit une meint, wie der lieblich brein Wilhelm Heinrich Michelis( Verlag von Frizz Stater, Berlin ), schauende Sommer. aber völlig mit Unrecht. Der an der Schwelle des Greisen- Und dann lehrt uns das Laufen auf Schneeschuhen besser als alters stehende Verfasser hat in diesem Roman das Fazit alles andere Wandern: die Freiheit. Const ist uns jeder Weg feines wechselreichen Lebens in beiden Hemisphären gezogen. Er vorgemessen, und wenn einer anders will als die Behörden, so wird greifend ist zu leien, wie der Held die höhere lehramtliche Laufbahn er rasch eines besseren belehrt. Ueberall starrt es von Warnungs­im Ostpreußischen berläßt, um brüben in Amerika für die Ideale tafeln Verboten!" und obrigkeitlichen Androhungen von Geld­eines sozialistischen Menschentums zu kämpfen. Als er nach einem ftrafen. Der Schnee aber, der große Gleichmacher und Demokrat, Vierteljahrhundert wieder in die alte deutsche Heimat tommt, erkennt läßt sich bezirksamtlich nichts vorschreiben. Er bedt respektlos alle er, daß seine Ideale längst praktisch erfüllt erscheinen. All sein Tun Wege und auf den Höhen manchmal sogar die Wegweiser zu. Erst im überseeischen Westen war, wenn nicht zwecklos, so doch verspätet. da oben kann der Mensch nach seiner Fasson selig werden und seine Seine Frau, feine Söhne, damals in zartefter Jugend, gehen fremd Schneeschuhe laufen lassen, wohin ihn das Herz treibt. an ihm vorüber. Treues Gedenken bewahrte nur die, der er einst bou Herzen angehörte aber beide stehen im weißen Haar. Tren ist ihm auch der Freund aus jungen Tagen geblieben; aber wie fönnte der, nun ein Greis, noch Ermutigung zu einem gemeinsamen Stampfleben in Amerika finden? Einfam, wie er dort dem Höchsten nachgestrebt, ein Fremdling im deutschen Vaterlande geworden, muß er von allem, was ihm lieb und teuer war, Abschied nehmen auf inter .

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Um Furchtbares zu erleben, muß man schon in der ruffischen Literatur der Anklage Umschau halten. Kaum ein Roman, der frei davon. Angenehm unterhaltende Leftüre ift's sicher nicht. Rußland kommt einem vor als ein entießlich stinkender Leichenhaufen. Das Elend schreit zum Himmel; Verbrechen, viehische Lasterhaftigkeit, grenzenloseste Berzweiflung überall! Start Stuble' sozialer Roman Das Monopol"( Bita, Deutsches Verlagshaus, Berlin ) macht hiervon keine Ausnahme. Das ist eins der erschütterndsten Bücher, die aus dem russischen Volksleben unserer Zeit entstanden sind. Der Berfaffer zeigt die verbeerende Wirkung des Schnapses; denn die Regierung forgt schon, daß der Fusel in ihren allerorts etablierten Monopolschänten nicht ausgebt; ja fie hintertreibt durch ihre Spione, wenne nottut durch ihre Kosalenborden, gewalttätig jede anti­alkoholische Strömung. Rußland ist ein Herd höllischer Greuel! Wer's noch immer nicht zu glauben vermöchte, der lese diesen Tat­sachenroman, der in Rußland natürlich verboten und konfisziert wurde. E. K.

,, Wintersport ".

Das kann man in allen deutschen Mittelgebirgen haben. In den letzten zwei Jahren befamen meine Stier feinen Schwarzwald­schnee mehr zu fosten, dafür um so mehr die weiße, weiche Herr­lichkeit in den baherischen Alpen, dem Riesengebirge und auf anderen Höhen. Da fiel mir immer die große Verwandtschaft aller deutschen Mittelgebirge untereinander auf. Ueberall die grenzen­lose Bielgestaltigkeit des Terrains, die langen sanften Tälchen, die kapriziösen Abstürze. Die froststarrenden Tannen des Schwarz­waldes haben vor ihren Schivestern im Harz nichts voraus, und die untergehende Sonne glüht auch auf den Schneefeldern des Riefen­gebirges nicht feuriger, als auf dem Kamme der Vogesen . In ein mit frischem Bulverschnee über Nacht eingefegnetes Tal hinab gleitet es sich im Thüringer Wald ebenso göttlich leicht, als in den Bergen Oberbayerns , und die Brust weitet sich in der reinen Stahlluft der winterlichen Eifel ebenso, wie auf dem Gipfel des Fichtelgebirges.

Wie lange wollen sich die diesen Gebirgen nahewohnenden Ar­beiterturner, die doch auch ihre Sommerfonntagsfahrten machen, abhalten lassen, den Winter zu genießen?

Kleines feuilleton.

Phyfiologisches.

A. F.

Es ist an der Zeit, daß man es offen ausspricht. Es droht eine Strankheit zu werden, der Wintersport, und ist es sogar schon; eine Art Vergnügungspest der wohlhabenden Städter, womit fie die weiße Reinheit der Winterlandfchaft infizieren. Interessant ist dabei und für unsere Zeit charakteristisch, daß der Strankheits­träger das Kapital ist. Der Wintersport ist industriealisiert worden. Da, wo noch vor zehn Jahren eine kleine Schar von Ent­deckern neuer Naturwunder sich in rauher Einfachheit von der Haft des Städtelebens erholt hat, rodelt und stiert jebt ein vornehm- feine Spur von Arbeit während des Schlafes geleistet hat, denn das tuendis Modepublikum, richtiger Winterpöbel. Sie haben aus der Stadt den Lurus in Kleidung, Wohnung, Essen und Trinken mit gebracht, d. h. das in der Hotelindustrie angelegte Kapital ist ihnen mit den Ansprüchen der Neuzeit" bereitwilligst entgegengekommen. Diese Herrschaften sind der Ansicht, daß erst sie der.winterlichen Natur den richtigen Reiz verleihen.

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Ueberall entstehen auf den winterlichen Bergen Riefenhotels, die den Heiratsbureaus der eleganten und elegantfeinivollenden Welt starken Abbruch tun. Der Betrieb ist die Hauptsache ge­worden. Der Stimmungszauber intimen Beifammenseins, den die ersten Jünger des Stilaufs, meistens einsame Sonderlinge", die mit ihrem Tun lange genug verlacht worden waren, kannten und genossen haben, hat sich vor den Horden des Wintersports auf leisen Sohlen davongefchlichen und wenn man jeßt irgendwo noch die Wunderwelt des Winterwaldes in der großen Stille genießen will, dann muß man sich schon in eines der Blockhäuser zurüdziehen, wie fie jetzt von den einsamen Wanderern gebaut werden, die vor den modernen Schneehunnen geflüchtet find.

Ihnen ist der Schneeschuhlauf noch mehr als" Sport". Er ist ihnen noch die großartige leberwältigung der Natur in der herbsten Jahreszeit, das fühne Messen menschlicher Kräfte mit den Gefahren und Tüden des Winters, ein Zeitvertreib von großzügiger Bucht und eine Höhenkunst des Wanderns, die aus der winterlichen Enge und Lichtarmut der Städte für einen Tag hinaushebt in ein reineres, freieres und kraftvolleres Dasein.

Und da möchte ich wieder einmal alle, die am ersten berufen wären, dem Proletariat die Wunder des Winters zu erschließen, die Mitglieder der Arbeiter- Turnvereine, aufrufen zum Kampf gegen den Winter.

Der Winter und der Schnee, sie sind da, wie viele herbe Dinge auf der Welt, auf daß wir Meister über sie werden, Stark sollen wir uns an ihnen machen, bis sie uns anstatt einer Geduldsprobe ein Kraftmaß geworden sind. Nicht fliehen sollen wir sie, sondern fämpfen mit ihnen, wie der alte Erzbat.r Jakob, als er mit dem Engel so lange rang, bis er ihn segnete. Dann bekommt man es heraus, daß in dem Winter nicht nur der harte Mann", sondern ein berkappter guter Freund Steckt, der es troß seines unwirschen Berantw. Redakteur: Rich Barth, Berlin . Drud u. Verlag:

Die Lösung des Schlafrätsels beschäftigt die Ge­lehrten unausgefeßt. Mit allerhand scharfsinnigen Experimenten hat man das Wesen und das Zustandekommen des Schlafs aufzuklären bersucht; man hat zahlreiche Hypothesen darüber aufgestellt und ist doch immer noch nicht zu einem befriedigenden Ergebnis gekommen. Die Frage steht in engem Zusammenhang mit den Begriffen einer höheren und niederen Gehirntätigkeit oder eines Ober- und Unter­bewußtseins. Die höhere Gehirntätigkeit ist während des festen Schlafs jedenfalls ausgeschloffen und damit die Betätigung des Willens und der Aufmerksamkeit. Man kann aber nicht sagen, daß die Geistes­tätigkeit im allgemeinen völlig rubt. Es kommt wohl vor und sollte vielleicht das Normale sein, daß man sich des Morgens erhebt, ohne auch nur die geringste Erinnerung an die durchschlafene Zeit zu haben. Auch damit wäre freilich nicht erwiesen, daß der Geift Gedächtnis daran tönnte verloren gegangen sein. Tut doch mancher Mensch auch im wachen Zustand zuweilen etwas, vollkommen ohne eigentliches Bewußtsein. Außerdem ist jener als normal bezeichnete Bustand nicht die Regel, sondern eher die Ausnahme. Viele Menschen haben geradezu Veranlagung zum Träumen, und es wird oft ge­lingen, den Ursprung eines Traumes auf finnliche Wahrnehmungen namentlich des Gehörs und Gefühls zurückzuführen. Damit wäre also erwiesen, daß die Sinnestätigkeit während des Schlafes nicht gänzlich unterbunden ist. Die Tiefe und die Dauer des Schlafes wird bestimmt durch den Grad der geistigen und körperlichen Erschöpfung. Kleine Kinder, schwache Greise und Menschen mit niederem Intellekt, auch die Angehörigen der Naturvölker, brauchen viel Schlaf. Der tüchtigste weibliche Phyfiologe Rußlands , Maria v. Manaffein, die ein wertvolles Werf über den Schlaf geschrieben hat, erinnert an die Beobachtungen bei den Papuas in Neuguinea , die iofort einschlafen, wenn sie nichts zu tun haben und daher in den feltsamsten Stellungen schlafend angetroffen werden. Auch die armen Blödsinnigen, die man unter der Bezeichnung Kretins fennt, haben eine Schlaffucht, die bei geistig normalen Menschen nicht vorkommt. Berühmt ist auch in dieser Beziehung das Beispiel des Kaspar Hauser . Bei den Greifen zeigt sich das ge­nur entsprechend dem Erlöschen steigerte Schlafbedürfnis ihrer geistigen Tätigkeit, das zuweilen nur durch Mangel an Be schäftigung eintritt. Bewahrt sich ein alter Mann seinen Beruf und in diefem seine geistige Leistungsfähigkeit, fo geschieht es häufiger, daß er im Gegenteil unter Schlaflosigkeit zu leiden hat. Das iſt in den meisten Fällen daraus zu erklären, daß er nicht mehr so viel zu tun findet wie in feinen fräftigen Mannesjahren und daher sein Gehirn nicht mehr in demselben Grade ermüden fann. Schließlich sollte man in diesem Zusammenhang noch daran denken, daß sich die Verknüpfung von Schlafbedürfnis mit geringem Intellett auch bei den Tieren bewährt. Tiere ertragen viel leichter eine zeitweilige Entziehung der Nahrung als des Schlafs, und man hat bei Hunden durch völlige Behinderung am Schlaf schon in vier bis fünf Tagen unbeilbare Schädigungen des Gehirns auftreten sehen. Bei manchen barbarischen Bölkern ist daher die Entziehung des Schlafs geradezu als eine Art der Tortur gebraucht worden. VorwärtsBuchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW.