bedeutete, deutet auf besondere Lorbedingungen, die allerdingsgegeben waren.Sein Land war, als er lebte(zirka 1037—1123 n. Chr.), seiteinigen Jahrhunderten vom Islam unterworfen, die konnige Lehre�oroasterS von der finsteren Strenge der Mobammeds erdrückt; dasPersische durch das Arabische verdrängt und beseitigt— ebenfallsbeseitigt oder doch ins Dunkel der Heimlichkeit verscheucht der Rebenkultdes alten Weinlandes. Aber die politischen Machthaber sahen sichdamit am Ende ihrer Macht; dem Geist, der im unterworfenenPersertum, in ihrer bohen Kultur lebte, unterwarfen sich die Fürstenund suchten sie zur Verherrlichung ihres Glanzes sich nutzbar zumachen. So konnte der persische Geist in arabischer Form seineWiederbelebung finden, konnte vor allem die Beziehung zur griechischenPhilosophie neu geknüpft, die Lehren des Plato. Aristoteles,Euklid, Hippokrates, PtzlhagoraS sowie die der Neuplatoniker anihren Schulen gelehrt werden. Aus der Orthodoxie des Islamsonderten sich inzwischen die ab, die dem Ki-metglauben. dem aneine Vorbestimmung, nichi anhingen, sondern diesem die Lehre vomfreien Willen entgegensetzten. Eine weitere Absonderung bildetendie Sufiten, die die Einheit Gottes und der Well und alsSinn deS Lebens die Wiedervereinigung mit Gott nochin diesem Leben erstrebten, Mystiker— später auch alsDerwische bekannt—, deren bedeutendster Vertreter, der ArztAvicenna, fast zu der Zeit und an dem Orte starb, an dem auchOmar sein Leben begann. Auch Avicenna hotte bereits Gedankenzu seiner Weltanschauung in die Form des Rubai gebracht.Wenn so an den Hochschulen PersienS die Ideen der griechischenPhilosophie überliefert und fortgesetzt wurden, werden wir unSnicht wundern, auch der Skepsis, dem Weltschmerz, sehr früh in derpersischen Dichtung zu begegnen, und so hat denn auch Omar zahl-reiche Vorgänger, die gelegentlich dem Weltschmerz ihr Opferbrachten, ohne etwas anderes als Ueberdrusi und Langeweile in denplatten Wiederholungen des Gedanken«:„Aber das letzte Wort hatnoch keiner gesagt" zu erregen. WaS ober Avicenna bereits lehrte— daß der Susi über Welt, Form und Gesetz erhaben sei— dasgab auch Omar mit der Grundlage zu seiner starken Stellung überder Umwelt.Die Skepsis aber, z» der Omar kommen mußte, wenn er dienun erreichte Kenntnis der Natur, des Seins übersah, sie brachte ihnin Kampfstellung zu allen Religionsformen seiner Zeit. Zuerst be-mühte man sich, seinen Ketzereien die Spitze abzubrechen, indemman unter Wein, Becher, Zypresse die Gottheit zu verstehen meinte.ein Versuch, der auch noch kühnlich von manchen Auslegern derneueren Zeit gewagt fwird, an einem Dichter, der den Vierzeilerschrieb:In Kirchen und Moscheen und SynagogenWird man um seiner Seele Ruh betrogen.Doch dem. der der Natur Geheimnis ahnt,Wird keine Furcht vom Jenseits vorgelogen.Man stößt sich auch neuerdings oft an der Verherrlichung desRausches und des Genusses und verweist, vielleicht nicht immer mitUnrecht, auf die Wahrscheinlichkeit, daß„Wein" ihm oft ein Sinn»bild der.freien Forschung", deS»selbständigen philosophischenDenkens" bedeute und man fich vor gar zu primitiven Deutungenzu hüten habe. Meist aber— wo nicht die Verzweiflung des Skep-tikers im Wein, im Leben deS Augenblicks Vergessenheit sucht— isteS ober wiederum eine Opposition gegen die Fremdherrschaft desKoran mit seinem Weinverbot. Perfien war, wie erwähnt, einWeinland, die Rebe, der Wein lange vor Omar ein Gegenstandperficher Dichtung gewesen, nun erhielt sein Kult eine neue symbolischeBedeutung. In den von den Eroberern zerstörten Städten und Ruinenfanden sich die heimlichen Anhänger der noch glimmenden Lehre ZoroasterSzusammen, dem Wein und den alten Lehren zu huldigen. Von denOrthodoxen erhielten ihre Stätten der Zusammenkunft die Spott-bezeichnung„Schenke", die in den Versen Omars oft vorkommt,also nicht ohne ernsten Sinn ist. Denn hier blieben auch die Stütz-Punkte der persischen Kultur. So kann man bei OmarS„Schenke"eher an einen Ort der Erhebung, Befteiung, Stärkung durch Ge-finnungsgenosien denken, statt, wie es von vielen.Anhängern" ge-schehen mag, die Stätte groben SinneSgenusseS verherrlicht zuwähnen.Wir finden die Opposition gegen dm vermeintlichen Weltschöpferdes Koran in dem Bers:Wer durste sich so freventlich vermessen,Mit uns dies Spiel zu treiben?— UnterdessenBedarf es manchen Trunks verbotenen WeinS,Um das Bewußtsein solchen Hohns zu löschen.Am ergreifendsten bleiben uns seine vielen Wendungen der Er-kenntnis, daß der Mensch zum Staub zurück muß:In ihrem Laubengang, wo neu die Blätter grünen-r-Trinken wir jetzt und müssen doch zu ihnenSo bald hinab, um selbst für fremde ZecherIm kühlen Grund als Lagerstatt zu dienen.Daneben war Omar unablässig gegen die Dunkelmänner seinerZeit an der Arbeit— ein Voltaire Persiens— für die Aufklärunggegen die„Jnfüme", oder milder gesagt»im Kulturkampf derer, diesuchen, und derer, die glauben gefunden zu haben". Fand er ausfeiner Skepsis noch nicht bewußt die Erlösung, unbewußt befreite erfich durch de» Kamps und dt« nächste Möglichkeit fich die Weltselbst umzugestalten, selbst Schöpfer seines Lebens zu werdetSpricht er doch bereits aus;— hätten wir beide freies WaltenMit jenem Weltenplan, dem schlechten, alten,Wie wollten wir in Stücke ihn zertrümmernUnd ihn dann neu nach Herzenslust gestalten.Hier haben wir wohl den Faden, der uns aus der betrachtendenSkepsis zu der Stellung unserer heutigen Känipfe führt, die gleichdenen Omars der Orthodoxie aller Kirchen gelten, durchaus ein»gedenk des umgestülpten Himmelsbeckens Omars, benutzen auch wirdie Hände nicht mehr, um fie dem Himmel betend, anklagend oderzweifelnd entgegenzustrecken, sondern um unsere ureigene Welt nacheigenen, Willen in den gegebene» Kräften umzugestalten, zu zerstörenund neu aufzubauen. P. G.Von deutschen Ausgaben der Vierzeiler Omar Chajjims findneben den älteren, in der Form oft willkürlichen Uebertragungen vonSchock und Bodenstedt zu nennen die kleine Auswahl in HendelsBibliothek, ferner als eme umfassendere, sehr getreue, mit eingehenderSchilderung des kulturellen Hintergrundes die in der deutschen Ver»lagsanstalt in Stuttgart von Rosen herausgegebene. Rechter Ver»tieiung dient die kostbar ausgestattete Ausgabe des Jnsel-VerlagSvon Gribble, die in weiser Wahl eine Anzahl der eigenanigsten Ge»danken in freie, sehr zugängliche Formen bringt und dadurch, daßjeder Vierzeiler für sich gelesen wird, jedem Gedanken die ruhig«volle Wirkung läßt._Die JVIenrchbcit im Kampf gegenden„rebwarzen XTod".Aus der Geschichte der Pestabwehr.Von Dr. Kurt Haack.Das unheimliche Gespenst der Pest, daS im fernen Ostenwieder so verheerend wütet und auch schon bei uns in Europaeine gewisse Beunruhigung hervorgerufen hat, wirft über weiteStrecken der Menschheitsgeschichte seine tiefen, düsterblutigenSchatten. Keine andere Seuche hat so zahllose Opfer gefordertund die Welt mit so furchtbaren Schrecken erfüllt; keiner anderengegenüber ist aller Menschenwitz und-verstand so machtlos ge»Wesen. Fast ein Jahrtausend hindurch haben sich die Völker mitaller Zähigkeit der Verzweiflung, mit all dem Kräfteaufwand, w,eihn nur die höchste Not im Menschen entfesselt, gegen die grausigeUmklammerung des schwarzen Todes gewehrt, haben ihn zu er»sticken und zu vernichten gesucht mit ihren Listen und ihrenWaffen; aber er hat all ihrer Anstrengung gespottet und immerwieder triumphiert in seinen mörderischen Siegeszügen. Wirwissen heute, was dies höhnisch-furchtbare Lächeln der Sphinxbedeutet, die an die Welt durch Jahrtausende ihre entsetzlicheFrage gerichtet und die Unglücklichen, die sich vergebens das Hirnnach der richtigen Antwort zermarterten, in ihren Armen erwürgthat. Das Rätsel der Pest ist gelöst, ihr Geheimnis entschleiert.Der neue Oedipus, dem das gelungen, war die Wissenschaft derBakteriologie, der Robert Koch die Wege gewiesen. 1öS4 fandenzwei Aerzte, der Japaner Kitafat«, ein Schüler Kochs, undder Franzose D e r s i n, ein Schüler Pasteurs, den Pesterreger;sie machten dem Auge jene mysteriöse, unzählige Male verfluchteund gesuchte Macht sichtbar, in der man die Pfeile eines zürnendenGottes, den Samen des Teufels, das Gift der Hölle, den In»begriff des Scheußlichsten und Schlimmsten auf Erden erblickthatte. Nun, da man dem innersten Wesen der Pest in ihremBazillus auf die Spur gekommen, dem schwarzverhüllten Dämonins Gesicht geblickt hat, find auch die Mittel der Erkenntnis undAbwehr der Krankheit im wesentlichen gesichert. Wir stehen alsoheute dem Ende jener langen historischen EntWickelung schonziemlich nahe, die durch labyrinthische Irrtümer und ver»hängnisvolle Mißgriffe geführt hat. Ueber ihre Etappen sind wirauf das genaueste unterrichtet durch das monumentale zwei-bändige Werk über die Pest, das der Kölner Professor GeorgSticker veröffentlicht hat und das wohl die umfassendste Geschichteund Darstellung einer Seuche bietet, die es bis jetzt gibt. Einvielaktiges, spannendes Schauspiel menschlichen Leidens, mensch»sicher Ohnmacht und menschlichen Irrens stellt dieser Kampf gegendie Pest dar, eine der gewaltigsten Tragödien der modernenWeltgeschichte. Aber auch in diesem lange erfolglosen Ringenoffenbart sich die zähe Energie, die unablässige Arbeit, der ni«versagende Lebensmut der Menschheit, die trotz größter Verlusteund ewiger Enttäuschungen doch weiterringt und schließlich ihremZiele immer näher kommt in der stolzen Gewißheit:„Ter Siegmuß uns doch bleiben!"Als um die Mitte des 14. Jahrhu»dertS der schwarze Tod dieWelt in seiner schrecklichsten Form verwüstete und in Europa alleingegen 25 Millionen Menschen tötete, da nahm man zum erstenmalden Kampf gegen die Seuche auf, von der man bald erkannte,daß die Ansteckung nicht nur vom Kranken allein ausging, sondernaus verpesteten Gegenden auch von Gesunden, von Schiffen,Kleidern usw. übertragen werden konnte. Einzelne Städte ver»scheuchten sofort alle Fremden von ihren dicht verrammeltenToren; Genua empfing fremde Schisse giit brennende» Pfeilen