— 152-in seinem Hafen. Doch war dveS vergeblich. NI» da? erstefurchtbare Wüten der Pest vorüber war, sann man auf Abwehrür spätere Fälle. Der Vicomte Bernabo von Reggio verordneream 17. Januar 1374. daß jeder Pestkranke seine Wohnung verlassen und sich aufS Feld oder in den Wald begeben müsse, umdort zu sterben oder zu genesen. Niemand dürfe bei Todesstrafeund VcrmögenSt>erlust den Kranken beistehen, außer den dazubestellten Leuten, die ebenfalls abgesondert gehalten werdenmüßten. 1377 befahl der Stadtrat von Ragusa, daß alle Ankömm»linge aus verpesteten Orten vom Stadtbezirk ferngehalten werdensollten, falls sie niichi vorher an einem bestimmten Ort«zurvieinigung" dreißig Tage geblieben wären. Diese 30tägige Ab-sonderung(„Tecntina") ward bald zu einer 40tägigen erweitert,der«Ouarantina"; die erste Quarantäne st ation wurvet333 in Marseille errichtet, die zweite 1403 in Venedig und nochandere folgten bald. Die strengsten Erlaffe gingen aus: keineSchweine durften geschlachtet, andere Tiere überhaupt nicht ge-halten werden; die Bäder wurden geschlossen, Versammlungenverboten; Waren aus Pestgcgenden unterzog man einer genauenPrüfung und Lüftung. Als all das nichts nützte, wurden die Maß-regeln verschärft. Die Aerzte und ihre Gehilfen wurden ab-gesperrt: tauchten sie in ihren roten Wämfen mit den weißenPeststäben auf. ihr Nahen durch das Klingeln der Fußschellen an-lündigend, dann mußte jeder fliehen. Wer den geringften Verstoßgegen die Pestgesetze beging, wurde ausgepeitscht, die Ohrenwurden ihm abgeschnitten oder er wurde getötet. Viele glaubten.daß nur die Flucht sie retten könne und verließen in panischerFurcht Hau? und Stadt. Gegen dieses gottlose.Fliehen vor demSterben" wetterte Luther, der in seinem starken Glauben sogarPestkranke bei sich aufnahm, aber die Obrigkeit gegen die.pestilenzischen Mörder und Bösewichter" hetzte, die die Pest unterdie Leute brächten, wie man jemanden aus Schalkheit Läuse in denPelz setze. Viele Unschuldige wurden von der abergläubischenMenge als.Pestsalber" angeklagt, gepeinigt und getötet. DerP e st w a h n forderte feine Märtyrer wie der Hexcnwahn.Um diesem fanatischen Treiben des geplagten Volkes Einhalt«u tun und Aufklärung über die Seuche zu bringen, entstanden imIb., 1k. und 17. Jahrhundert eine lange Reihe von Pcfwerord««mngen, die in volkstümlicher Form, teilweise in Reimen,„eineguete Lere von der Pestilenz" erteilten. Die Anschauungen, aufdenen diese Traktate wie auch die wissenschaftlichen Arbeiten zu-meist beruhen, waren die des sogenannten.Kontagionismus". DiePest, die durch«inen lebendigen Pcstkeim verbreitet wird, stechtdanach nur an durch Berührung(Kontagion) des Kranken undhöchstens noch durch verpestete Gegenstände vermittels deS anklebenden Pestsamens. Daneben aber traten im 16. und 1?. Jahr-hundert auch schon Aerzte hervor, die gegen die offenbar nicht zu-treffende Kontagionstheorie protestierten und behaupteten, die der-unreinigte Lust der verpesteten Orte verursacht die Ansteckung, diePest sei eine Infektion. Die Kontagionisten wußten jedochauf lange hin, bis weit ins 19. Jahrhundert hnrein, die Herrschastzu behaupten. Abwehr der Pest war nach ihrer Meinung nur mög»lich, wenn jede Berührung mit Kranken vermieden wäre und dieverpesteten Sachen gereinigt, gelüftet und geräuchert würden. Sieerfanden die gewaltigen Ouarantänemaßrcgeln und setzten sie durch,hie die ganze zivilisierte Welt gleichsam mit Wällen und Mauerndurchzogen, alles der strengsten Kontrolle unterwarfen und allmäh.lich mehr noch als zu einer sanitären, zu einem politiscbcn Macht-saktor wurden. Zunächst wurde die Untersuchung aller Schiffe, dieSeequarantan«, durchgeführt; kein Fahrzeug, auf dem diegelbe Peftflagge wehte, durste in den Hafen hinein, bevor einebestimmte Zeit verstrichen und alles gelüftet oder geräuchert war.Die Vorschriften gingen schließlich so weit, daß in manchen Staaten,z. B. in England, der Handel mit verpesteten Ländern überhauptverboten wurde, ohne daß der Zug der Pest sich aufhalten ließ.Nicht minder verhängnisvoll waren die Absperrungsmaßregeln zuLande, die zuerst von Rußland in der zweiten Hälfte des 16.JahrbundertS angewendet wurden, wobei all« Zuwiderhandelndendie Strafe der Verbrennung traf. Ein Jahrhundert lang hat dannOesterreich du Pestquarantäne als Dauereinrichtung gegen dieTürkei austecht erhalten und ein Heer von Beamten besoldet, dievon der Pestgefahr lebten, daher böswillig Pestgerüchte verbreitetenund in dem allgemeinen Schrecken Gewalttätigkeiten aller Art ver-übten. Irgend welchen Nutzen hatten die rigorosen Absperrungenweder zu Wasser noch zu Lande. Immer wieder durchbrach diePest alle von Menschenhand errichteten Schranken und blieb diechlte entsetzlich« unbesiegbare Geißel.Da den Menschen die von den Staaten und öffentlichen G>.-sundheitsämtern getroffenen Sckutzmethodcn nichts helfen konnten.nahm man zu allerlei übernatürlichen und natürlichen MittelnZuflucht. Von Gläubigen wurden die zahlreichen Pestpatrone, be-sonders St. Sebastian und St. Rochus, angerufen; man trugwundertätig« Amulette, pestschützende Steine, wie Saphire undSuiaragde, legte Kröten auf,„weil sie so abscheulich sind wie diePest", nach der Begründung des berühmten Arztes van Helmont.Kräuter und Salben wurden angewendet, Riech, und Räucher-mittel kamen in Aufnahme; die Mode der Parfüms blühte. Manrieb sich mit Pestölcn ein, trank Thcriak in Massen und noch mehr— Branntwein. Die schon um lSOO aufkommende Pesttracht sollt«gegen jede Berührung schützen; vor allem die Hand wurde gegendie AußenweU abgeschlossen, soll doch sogar die Erfindung oderwenigstens der allgemeine Gebrauch von Handschuhen aus Pestzeitenherrühren. Die Aerzte erteilten nur durch die Fenster Ratschlägeund öffneten die eitrigen Bubonen mit 6 Fuß langen Messern; diePriester reichten an ebenso langen Stäben die letzte Oelung.All dies waren Folgerungen aus der Lehre von der Kontagionxaber allmählich wurden die Zweifel gegen diese Theorie immerstärker. Nichts wollte mit ihr zusammenstimmen. Die Quaran-tänen hatten gar keinen Erfolg; ja, die Pest hörte sogar vielfachauf, wenn man die Absperrung aufhob. Sie brach unversehensin völlig isolierten Häusern aus und verschonte gerade die Lazarettemit Ansteckungen. Tapfere und selbständige Geister lehnten sichgegen dies überall spukende Gespenst der Pestfurcht auf, s«Napoleon, der in Jaffa absichtlich Pestkranke und-Leichen berührte,um seine Soldaten zu beruhigen, und bei seiner Rückkehr ausAegypten die Quarantäne durchbrach, eine Tat, die jeder anderehätte mit dem Tode büßen müssen. Der erste Mediziner aber, derder Kontagionslehre mit Wort und Tat entgegentrat und ihr An-sehen stark erschütterte, war der ägyptische Arzt Clot-Beh. derbei dem Pestausbruch von 1835 in Kairo ohne jede Vorsichtsmaß-regel die Kranken operiert« und sich mit Pesteiter impfte. DiePestimpfung ist dann seit 1397 von dem Russen Hafskine zu demeinzig bisher erprobten Mittel gegen die Seuche ausgebildet worden.Clot-Bey vertrat, von einer Anzahl französischer Schüler unier-stützt, die heut« als wahr erkannte Ansicht:.Die Pest kommt auSdem Boden"; die Pestgefahr hafte an den Häusern, deren Bodenverseucht ist. Daß aber die Verseuchung des Bodens durch ver-pestete Ratten bedingt sei, das wußte er noch nicht, daS hat manerst ein halbes Jahrhundert später in Bombay entdeckt.Ein letzter scheinbarer Triumph und doch zugleich die besteWiderlegung des KontagioniSmuS war die Tatsache, daß die Pest1341 völlig auS Europa und 1846 auch aus ihrer HauptbrutstütteAegypten verschwand. Was die Absperrungsmethoden durch vieleJahrhunderte nicht vermocht, sollten sie nun vollbracht haben. Wieirrig dies war, bewiesen die jüngsten Forschungen, die einsetzten»als 1834 die Seuche wieder in Asien ausbrach. Nach der Entdeckungdes Pestbazillus wurde dann 1896 in Bombay endlich auch dasRätsel vom Träger und Ueberträger der Pest gelöst. Die An-steckung erfolgt nicht von Mensch zu Mensch, sondern durch einMittelglied, durch Schmarotzer, hauptsächlich durch Flöhe, Ratten,Mäuse und andere Tiere, durch die der Pcstbazillus zumeist unter-irdisch vervielfältigt wird. Sie sind die Quelle der Epidemie, könnenaber dem Menschen nicht gefährlich werden, wenn nicht irgendwelcheSchmarotzer, Menschen- oder Nattenflöhe, die Ucbertragung desBazillus ausführen. Alle die Maßregeln, die eine Berührung mitPestkranken verhinderten, waren also verfehlt. Die völlige Ver»tilgung von Natten und Flöhen, die man heute versucht, wird frei«lich undurchführbar sein. Tos beste Mittel zur Abwehr der Pestist die strengste Reinlichkeit, eine immer größere Vervollkommnungder öffentlichen Gesundheitspflege und der Volkshygiene.kleines feuiUeton.Meteorologisches.Eine riesige Wasserhos«, die im südlichsten Gebiet derfranzösischen Küste am Gatcogner Meerbusen nah« der spanischenGrenze beobachtet worden ist, wird in einem Briefe an die«ftrono-mische Gesellschaft Frankreichs beschrieben. Da die Entstehung diesermerkwürdigen und in ihrem Verlauf auch oft recht großartigen Er-scheinung noch immer nicht genügend aufgeklärt ist. hat jede genaueDarstellung eines derartigen Vorganges Interesse. Es war aneinem regnerischen Morgen und gerade wahrend einer Regenpause.als die Wasserhose, von Südosten kommend, gesehen wurde. EineWolke schien durch einen Wirbel, der die Gestalt eine« um-gekehrten Kegels besaß, mit dem Erdboden verbunden zu sein,indem die fem ausgezogene Spitze die Erdoberfläche be-rührte. Man konnte den Dampf der Wolke mit reißender Ge-schwindigkeit uniherwirbeln und an der gesamten Drehung teil«nehmen sehen. Zuweilen zerstreute sich der Wirbel scheinbar siireinig« Sekunden, um sich dann von neuem zu bilden. Nur 30 bis40 Sekunden blieb der Wirbel sichtbar, ohne daß man eine Fort-bewegung nach irgend einer Richtung an ihm bemerken konnte.Dann war er plötzlich verschwunden, als ob er sich in Staub auf-gelöst hätte. Es dauerte aber nicht lange, bis die an der Küsteversammelten Leute anfS neue auf ein ähnliche« Naturwunderaufmerksam wurden, das nun aber einen ganz anderen Charakterannahm und geradezu eine Panik verursachte. Bon weitemsah die Wasserhose auS wie eine Rauchsäule, die sichmit größter Eil« näherte, während das Meer in einen kochendenZustand zu geraten schien. Der Wirbelsturm zeigte seine Gewalt anMenschen wie an leblosen Wesen. Ein auf dem Strande liegendesBoot wurde ergriffen und 40 bi» 50 Meter weit auf ein als Bade-anstalt dienendes Gebäude geworfen, wo es eine ziemlich gründlicheZerstörung anrikbtete, dabei aber selbst völlig in Stücke ging. Auchohne solche Wurfgeschosse demolierte der Wind sämtliche in der Näbebefindlich« Häuser. Der Umfang deS Luftwirbelö betrug 30 bis40 Meter und seine Gewalt schien schon nach emem Lauf von einigen100 Meiern ins Innere de? Lande« gebrochen zu sein.Aerantwortl. Redakteur: Ha»S Weber, Berlin.— Druck u. Verlag: vorwärtsPuchdruckerei u.Verlagsanjtalt PauI Singerz-Co., Berlin L�V.