kah Amerika mit seinen Sternwarten jetzt an der Spitze marschiert.Die Stiftungen zu diesen Warten entstammen privaten Händen.Die erste grotze wurde von Lick gemacht. Dieser Mann hatte zuerstvor. sich als Grabmal eine grotze Pyramide bauen zu lassen. Manüberzeugte ihn von dem Unsinnigen dieses Vorh�oens und er lietzsich bestimmen, statt dessen eine grotze Sternwarte zu errichten, inder er seine Grabstätte finden würde. Diese Sternwarte steht aufdem Mount Hamilton in Kalifornien, Lick ruht unter dem großenPfeiler des mächtigsten Instruments dieses Instituts. Seinerzeittvar der Lichtrefraktor, dessen Objektöffnung 36 Zoll(etwa 1 Meter)beträgt, das größte Instrument der Welt. Es ermöglichte Arbeitenund Entdeckungen, die Licks Namen zu einem der meistgenanntenin der astronomischen Wissenschaft machten. So ist Lick auf seineKosten gekommen und hat dabei der Wissenschaft einen großenDienst geleistet.Danach kamen die Leute in Amerika auf den Geschmack. Dergroße Eisenbahnkönig Merkes stiftete später für ein noch größeresInstrument, das Merkes-Observatorium, eine noch größere Summe.Auch er kam damit auf seine Rechnung. Die vorzügliche instrumen-telle Ausrüstung der amerikanischen Sternwarten ermöglichte denamerikanischen Astronomen, einen gewaltigen Vorsprung zu be-kommen, so daß die bis dahin so berühmte deutsche astronomischeWissenschaft in den Schatten gestellt wurde.Bei uns zu Lande sind die Millionäre Knicker. Zwar sind dieganz großen Vermögen nicht so zahlreich wie überm großen Teich,aber dennoch gibt es bei uns eine Menge Leute, die leicht ein paarMillionen verschmerzen könnten. Damit könnte manches geleistetwerden. In Deutschland haben wir nur ein einziges Institut, dasinstrumentell gut ausgerüstet ist, obwohl mans noch besser wünschenwüßte, da» ist das Kgl. preußische Astrophysikalische Observatoriumin Potsdam. Wohl besitzt die Heidelberger Sternwarte auf demKönigstuhl einige vorzügliche Instrumente— die sie übrigens derAmerikanerin Miß Bruce verdankt—, sie ist aber doch nur ein-seitig ausgerüstet, hauptsächlich für photographische Arbeiten be-stimmtcr Art. Sehen wir uns dagegen die alten Sternwarten an,die meist den Universitäten angegliedert sind, so können wir nurtraurig sein über die Dürftigkeit ihrer Ausrüstung. Was dasvornehmste Institut sein müßte, die Berliner Kgl. Sternwarte,zehrt noch immer an den Hilfsmitteln, die bei ihrem Neubau vor15 Jahren unter Encke angeschafft worden sind. Das Institut er-stand damals auf das eifrige Bestreben Alexanders von Humboldtim Neubau. Sein Hauptinstrument ist wie damals noch immerder alte VJ�zöllige Refraktor auf Holzsäule, mit dem schon Galleden Neptun entdeckte. Die neue Zeit scheint an diesem Institutspurlos vorübergegangen zu sein. Schon daß die Sternwarte solange in völlig umbauter Gegend mitten in der dunstigen Stadtstehen konnte, ist ein Zeichen, wie wenig sich die Regierung genötigtsah, für das Institut etwas zu tun. Vielleicht mag daran schuldsein, daß der langjährige Direktor, der hochverdiente ProfessorWilhelm Foerster, einen zu noblen Charakter besaß, sich zu sehran edelmütigen freiheitlicheren Bestrebungen beteiligte, als obenlieb war, daß man ihm aus diesem Grunde den Dämpfer der Nicht-bewilligung aufsetzte. Als Foerster sein Amt als Direktor nieder«legte, konnte kein Zweifel bestehen, daß ein neuer Direktor nun-mehr als Bedingung der Uebcrnahme des Direktorats einen Neubauund Neuausrüstung verlangen werde. Das war der Fall. Dennochhat sich die Sache bis jetzt hingezogen. Professor Struve, bis dahinin Königsberg, ist damit beschäftigt, der Wissenschaft das neueBerliner Institut einzurichten, das auf dem ausgedehnten Geländeam Babelsberge fan das Gebiet von Klein-Glienicke grenzend) er-baut werden wird. Das alte Gebäude in Berlin ist durch denKultusminister vorbehaltlich der Zustimmung des Landtages ver-kauft worden. Es war beabsichtigt, da? große Gelände für einenStraßendurchbruch zu erwerben, was aber an den hohen Kostenscheiterte. Der Grundstücksverkauf dürfte jedenfalls soviel ergebenhaben, daß davon der ganze Neubau und die Ausrüstung bestrittenwerden könnten.Zu den umfangreichen Baulichkeiten auf dem Babelsberge ge-hören auch ein MaschinenhauS mit hohem Schornstein sowie eindazu gehörender Kohlenschuppen, deren Einrichtung zuerst in An-Sriff genommen werden soll. Die dort wohnenden Villenbesitzerhaben Einspruch gegen diese Bauten erhoben. Hoffentlich nutztsihnen nichts, damit der Bau nicht noch verzögert wird; hoffentlichnützts ihnen aber soviel, daß alle diese Bauten mit Geschmack zurAusführung gelangen. Was aber am meisten zu wünschen steht,ist, daß bei der Neuausrüstung nicht geknausert wird, daß die in-ftrumcntcllen Hilfsmittel und personellen Verhältnisse so weit ge-regelt werden, daß dieses Institut den großen amerikanischenWarten nicht bloß ebenbürtig, sondern überlegen wird. Sollte einStaat wie Preußen nicht imstande sein, ebensoviel zu leisten, wieein einzelner Großkapitalist. drüben in Amerika? F. L.Kunst.Die Neue Sezession.(In der Galerie Macht.) Estst eine Dummheit, wenn der Kritiker glaubt, den Künstler lehrenzu können, wenn er ihm Ratschläge geben möchte, wie es eigentlichgemacht werden müsse. Noch nie hat die Kunst anderen Gesetzengehorcht, als denen, die sie sich selber schuf. Und wenn je sie dcSWerantwortl. Redattcur: Hans Weber, Berlin— Druck u. Verlag:Schulmeisters achtete, wurde sie matt und flügellahm. Was hättees wohl genutzt, dem lichttollen Rembrandt haarklein auseinander«zusetzen, daß es sich nicht gehöve, statt eines wohlgeordnetenGruppenbildes ein Drama, einen Gigantenkampf aus Hell uni»Dunkel, statt der Schützengilde, die das Bild bestellte, die„Nacht«wache" zu malen. Er wußte gewiß und besser als die Gelahrten,daß sich so etwas nicht schicke; er tat es aber dennoch, nicht umdie biederen Gildenbrüder zu kränken; er tat es, weil er es tunmußte. In solchem Müssen ruht das Geheimnis aller großenKunst. Im Müssen, nicht im Wollen; nicht im bewußten, tenden-ziösen, laut verkündeten Erfüllen eines Programmes.Das ist eine zweite und nicht minder große Torheit; wenn Künstlerdas Reue des Neuen wegen wollen, wenn sie sich zu Knechten einerTheorie, meinetwegen zu Herolden einer Idee machen. An solchemIrrtum muß der Neo-Jmpressionismus versanden. Es gibt in derKunst kein Dogma, keine Versklavung, aber auch kein trotzige?Wollen. Wohlverstanden: Michelangelo, als er die SixtinischeDecke malte, als er dort oben auf dem Gerüst lag. rücklings ver»krümmt, den Pinsel schwingend, damals wollte Michelangelo. Aber,das war nicht jenes Wollen, das auf eine Erkenntnis, auf einDogma sich richtet; Michelangelos Wollen war nur Gehorsam,blindwütige Unterwerfung unter die tausend Stimmen, die in ihmbrausten und danach schrien, zur Harmonie erlöst zu werden.Gewiß, solche Unterschiede zwischen Wollen und. Müssen wiegenfein; man kann sie kaum mit Worten fassen, aber sie sind da; siesind die realsten aller Tatsachen, die Kunst von der Manier unddas Ewige von der Mode zu scheiden.Um solche Weisheit auf die Gegenwart anzuwenden: Es isttöricht, denen von der Neuen Sezession Verwarnungen und Finger«zeige zu geben. Laßt sie gewähren; einerlei, ob sie zugrunde gehen,oder eine neue Welt erschließen. Dieses aber werden sie nurkönnen, wenn sie sich frei halten von Theorien und Systemen unddem krampfhaften Aufbäumen gegen die Konvention. Sie mögensich nicht irren; wer Empfindung hat, der empfindet, ob ein Bildnur gewollt ist. oder ob es werden mußte; ob damit die Philistergeschreckt sein sollen, oder ob dahinter ein in Schmerz und Freudezuckendes Herz dem Aufgang der Sonne entgegenwartet.Es gibt in der Neuen Sezession Manieristen; Leute, die nach-ahmen, Leute, die es bequemer finden, zu verblüffen, als zu ver-bluten. Dazu gehören H e ck e l und Kirchner, leider auchN o l d e und Schmidt- Rottluff. Ob sie es nötig haben, nach-zuahmen, was Stärkere schaffen, zu verzerren, was Gesünderein Reinheit hinstellen, das kann der Kritiker nicht sagen, dasmüssen sie selber am besten wissen; mögen sie sich prüfen.— ESgibt in der Neuen Sezession andere, die ebenso gut in einem orts-üblichen Salon hängen könnten. Sie sind nicht die Schlechtesten;Otto M u e l l e r, der zu ihnen gehört, ist sogar ein vecht tüchtiger.mit gutem Geschmack begabter Dekorateur. Aber er ist sanft, mabe,wienerisch: er wird von keinem Dämon gehetzt. Er macht ausMenschen Stilleben, farbige Scherze. Nicht minder harmlos istGeorg T a p p« r t; selbst sein„Loth", der zwar dem Motiv nachetliche Frechheiten begeht, bleibt doch als Malerei etwas Alltäg-liches.Anders steht es schon mit Harold B e n g e n; bei ihm denktman anfangs an Ludwig von Hofmann, später wird aber doch dasihm Eigene lebendig. Man spürt die Stimme, die hinter ihmund all dem wahrhaft Neuen ruft: das Verlangen nach der Wand.Noch deutlicher ist solch Verlangen bei Cesar Klein, am stärkstenbei P e ch st c i n. Klein malt Stilleben, ohne dabei Cezanne zuverleugnen. Was ihm dabei am meisten reizt, ist die Farbe, derenGluten und Kreisen. Man möchte meinen, daß er sich am wohlstenfühlen würde, wenn ihm statt der Oelfarbc, gläserne Scheiben zurVerfügung ständen, daraus brennende Fenster zusammenzufügen.Pcchstein hat längst bewiesen, wie stark und frei er die Wand mitbunter Schönheit zu schmücken weiß; er hat in Berliner Miets-Häusern die Treppenflurc ausgemalt und dadurch Temperamentund Freude in das graue Einerlei getragen. Die Orangen-schälerin, die er hier zeigt, ist so, wie sie da im schroffen Klangder Farben und im derben Getürm der Massen vor uns sitzt, er-schaut und erlebt. Noch klarer empfunden, schärfer gesehen undsinnlicher geliebt ist das Bildnis, das Pechstein von einem Kindemalte. Das Psychologische zeigt eine Verwandtschaft zu Wedekind:Frühlings Erwachen. Der Maler gab den seelischen und fleisch-lichen Extrakt seines Modells; er faßte ihn aber in ein Format,durch das die Analyse ihre Unruhe verliert, in daS Format derWand.Das scheint das neue Müssen: die Wand zu erobern. Wirtreffen es nicht nur bei dieser kleinen Gruppe; wir können es alsein gemeinsames Schicksal, ein gemeinsames Glück, durchaus inter-national verbreitet, langsam heraufkommend und immer stärkerwerdend, als das Wesentliche, was da reift, begreifen. Um wases sich jetzt handelt, ist die Qualität, das Können, die geduldigeHingabc, das bis zur Pedanterie getreue Arbeiten.Robert Breuer.vorwärtsBuchdruckereiu.Verlagsanstalt Paul SiugerötCo., Berlin LW/