Kontraktbrüchen nicht an, weil fie nun plötzlich den ganzen Handel als Gpielgeschäst betrachteten. Alle die tragischen Details mitzuteilen, die die Tulipomanie im Gefolge hatte, würde zu weit führen. Wenige hatten sich dabei be> reichert, die meisten aber waren finanziell zugrunde gerichtet, und es vergingen viele Jahre, bis sich Holland von den Schlägen erholte, die ihm der erdichtete Wert einer Tulpenzwiebel gebracht hatte. Heute gibt es schönere und weit zahlreichere Tulpenvarietäten als zur Zeit der Tulipomanie, und trotzdem gehört die jetzt immer noch als Winter- und Frühlingsblume beliebte Tulpe zu unseren billigsten Zwiebelgewächsen._ KünftUcbe Säe! steine. Von Hanns Günther . Stuttgart . Als die Naturforschung vor fünf Jahrhunderten neu erstand, hüllte sie sich zuerst in das phantastische Glitzergcwand der Alchemie. Aus der Goldmacherkunst jener ward die Chemie ge- boren, die die Untersuchung der Stoffe ausführt. Und aus der Chemie erstand die Physik, denn man sah bald, dah die Stoffe auch Kräfte in sich bargen. Chemie und Physik aber zeugten zusammen das Wunderkind unserer Zeit: die moderne Technik.„Sie macht aus Fensterglas Kanonen und Kronjuwelen aus Papier," so kriti- sierte sie einst Arno Holz in seinen„Liedern eines Modernen", und heute ist das spöttische Wort schon eine alte Wahrheit geworden. Heute zaubert uns Techne, die Kunst unserer Zeit, die Schätze Abdallahs in Tausend und eine Nacht aus einer Handvoll Staub. Der Traum der Alten war, Gold zu machen und dadurch mühelos Reichtümer zu gewinnen. Heute ist dieser Traum zur Wahrheit geworden. Wir zaubern edle Steine aus einer Handvoll Erde , und ich will hier erzählen, wie man das macht. Edelsteine nennen wir eine Reihe von Produkten des Mineral- reichs, die sich durch Seltenheit, schöne Farbe, grohe Härte und starkes Lichtbrechungsvermögen auszeichnen. Woraus bestehen die Edelsteine? Man kann das durch chemische Zerlegung— Analyse sagt dazu die Wissenschaft— nachweisen, und dabei zeigen sich merk- würdige Dinge. Diamanten, die uns durch ihr strahlendes Feuer entzücken, sind nichts als gewöhnlicher Kohlenstoff, der Kohlenstoff, aus dem auch unsere Heizkohle besteht. Nur ist er im Diamanten kristallisiert, in der Kohle amorph. In die Sprache des Laien über- setzt, heißt das: bei den Diamanten haben sich die kleinsten Teilchen des Kohlenstoffs nach bestimmten Gesetzen auseinandergelegt, bei der Kohle liegen sie in wirrem Durcheinander da. Je freier von fremden Beimengungen nun der kristallisierte Kohlenstoff ist, desto farbloser, reiner ist auch der Diamant. Sind aber färbende Stoffe vorhanden, so gibt es gelbe, blaue, schwarze Diamanten usw. Beim Diamanten sieht inan aber meist die Farbe nicht gern. Je reiner der Stein, desto schöneres„Feuer" zeigt er nach dem Schliff. Anders die farbigen Edelsteine! Je satter und tiefer da die Farbe leuchtet, desto wertvoller scheint uns der Stein. Wir wollen hier nur zwei Beispiele heranziehen, weil sie wohl jedem bekannt sind: den roten Rubin und den blauen Saphir. Beide bestehen aus ganz gewöhnlicher Tonerde, aus dem Stoff, aus dem wir unsere irdenen Töpfe machen. Das leuchtende Rot verdankt der Rubin ganz ge- ringen Spuren von Chromoxyd. Das tiefe Blau der blauen Saphire geht auf das Vorhandensein von Kobaltoxyd zurück! Als man so die Zusammensetzung der Edelsteine enträtselt hatte, da war bei ihrem Wert natürlich sofort das Bestreben ge- geben, sie nun auch künstlich herzustellen. Das ist eigentlich nicht einmal ein ganz neues Problem, wenn man es in etwas weitcrem Sinne saht. Schlagen wir unseren Plinius auf, so finden wir schon bei ihm die Nachricht von Edelsteinfabriken in Rom , und Seneca erzählt von Leuten, die den Smaragd so schön herzustellen wußten, daß er von natürlichen Steinen nicht zu untm-en war. Aber im Grunde hat das mit unserer Frage nichts zu tun, denn damals handelte es sich um gefärbte Glasflüsse, um Bleiglas oder plumdum vitnum, wie die Römer sagten. Auf solche„Edel- steine" fallen wir heute nicht mehr hinein. Dies kleine Streiflicht aus dem Altertum gibt uns jedoch Gelegenheit zu einer Begriffs- bestimmung. Man muh nämlich unterscheiden zwischen„gefälsch- ten" und„künstlichen" Edelsteinen. Künstliche Steine sind den echten, den natürlichen, in allen Punkten gleichwertig. Von den gefälschten kann man das gerade nicht behaupten. Wenn man heute fälschen will, ist man allerdings ein wenig geschickter, als jene alten Herren. Wir haben ja nicht umsonst in der Zeiten Lauf zugelernt. Nur ein ganz modernes Kapitelchen sei da ge- streift. Vor zwei Jahren starb in Paris M. Bcrthelot, einer unserer größten Chemiker. Der hatte einen Assistenten namens Bordas. Dieser Herr Bordas kaufte eines Tcches ein paar schlechte Korunde, Steine, die auch aus kristallisierter Tonerde bestehen, wie der Rubin und der Saphir . Nur sind die Korunde nicht schön klar und rot oder blau gefärbt, sondern trüb und wolkig. Das Zeug dient seiner Härte wegen in der Technik als Schleifmittel. Solche Korunde kaufte Bordas— Stück für Stück um 2 Frank— und setzte sie dann der Einwirkung von Radiumstrahlen aus. Einer der Steine war anfangs weingelb, aber ganz trüb. Vier Wochen lang ließ thn Bordas zusammen mit einer Radiumverbindung in einem Kästchen liegen, und als er ihn dann auspackte, war er zu einem herrlichen Rubin geworden. Flugs ging Bordas zu dem Juwelier, hei dem er vorher die Korunde gekaust hatte und fragte ihn, was er für diesen Rubin zahlen wolle. Der bot ihn« nach genaue Prüfung 600 Frank!! So kann man Smaragden aus bläulichen« weiße Saphire, die an Schönheit mit Diamanten wetteifern, aus violetten Korunden machen. Aehnlich wie das Radium, nur noch! heftiger, wirken die Röntgenstrahlen. Mit ihrer Hilfe lassen sich in vierzig Minuten aus Bergkristall , dem Stoff, aus dem man neuerdings vielfach Brillengläser schleift, prächtige Rubine, aus Zitrin, einer anderen billigen Ouarzart, gelbe Saphire herstellen, Von diesen Kunststückchen sprechen wir nun nicht, wenn wiv von künstlichen Edelsteinen reden. Der Chemiker drückt sich da ge« nauer aus: er spricht nicht von„künstlichen", fanden von.syntheti« schen" Edelsteinen und meint damit Steine, die aus ihren natür- lichen Bestandteilen im Laboratorium von Grund auf neu erzeugt wurden. Das scheint ja an sich recht einfach zu sein. Diamant ist kristallisierter Kohlenstoff, also läßt man Kohlenstoff kristallisieren und hat Diamanten in Menge. Mit Tonerde macht man daS gleiche, fügt den entsprechenden Farbstoff hinzu und schon liegen Indiens Schätze vor unseren Augen. So schnell vollbringt aber selbst unsere Zeit diese Wunder noch nicht. Da sind nämlich noch ein paar kleine Schwierigkeiten, an denen lange alles zu scheitern drohte. Ter erste der Edelsteine, den man auf synthetischem Wege gewann, war der Diamant. Daß er aus Kohlenstoff bestand, be» hauptcte schon der alte Newton, und Lavoisier , der Vater der moder» nen Chemie, ein Zeitgenosse der französischen Revolution, bewies das haarscharf durch Verbrennungsversuche. Um nun Kohlenstoff zum Kristallisieren zu bringen, mußte man ihn zuerst auflösen. Das Zeug löst sich aber nicht etwa in Wasser, wie etwa unser Zucker, sondern ausgerechnet nur in geschmolzenem Eisen. Davon wußte man anfänglich gar nichts, und so hat man sich lange Jahre vergeblich damit abgemüht, das Problem zu lösen, bis es— gerade zehn Jahre ist es jetzt her— Henri Moissan , einem zu früh ver- storbcnen französischen Elektrochemiker, gelang, den großen Wurf zu tun. Moissan fand einst mitten in Meteorsteinen, also in jenen Eisenmassen, die aus der Unendlichkeit des Raumes hinab auf den Erdstern stürzen, kleine Diamanten. Das war ein Wink, den er sich zunutze machte. Wahrscheinlich war der Kohlenstoff, aus dem diese Diamanten bestanden, aus dem Eisen der Meteore selbst her» auskristallisiert. Andere Tatsachen, die ihm bei unablässigem Tasten und Suchen auffielen, wiesen darauf hin, daß ein äußerst hoher Druck bei der Kristallisation stattgehabt haben müsse. Was lag näher, als den gleichen Weg zu gehen und Kohlenstoff in geschmol- zenem Eisen unter hohem Druck zum Kristallisieren zu bringen. Dazu gehörte nun zunächst einyial eine ungeheuer hohe Temperatur. Um diese zu erzeugen, mußte. Moissan erst einen neuen Ofen er- finden, denn die Hitzegrade, die man damals kannte, reichten bei weitem nicht aus. Er konstruierte daraufhin den ersten elektrischen Scbmelzofen. einen viereckigen Kalkblock, der in der Oberflächen- mitte eine kleine Vertiefung hat. In diese Vertiefung ragen vgA beiden Seiten zwei Kohlenstäbe hinein, zwischen denen bei Strom- zufuhr ein elektrischer Lichtbogen übergeht. Ein Teckel mit einer kleinen Vertiefung schließt das Ganze ab. Auf die kleine Höhlung, in der der eiserne Schmelzticgel mit EisenfeUspänen, darauf ge- pulverter Buchenholzkohle und wieder Eisenfeilspäncn steht, be- schränkt sich nun die ganze gewaltige Hitze des Flammenhogens, die etwa 4000 Grad Celsius beträgt. Damit war die erste Bedingung geschaffen. Nun der hohe Druck. Es gab nur eine Möglichkeit. Man mußte den Tiegel plötzlich in kaltes Wasser tauchen, dann kühlte sich das Eisen von 4000 Grad auf etwa 10 Grad Celsius ab, und dabei zog es sich so rasch zusammen, daß ein ganz ungeheurer Druck im Innern entstehen mutzte. Dies Experiment, von dem man so einfach liest, war aber eine verteufelt gefährliche Sache, da gar keine Erfahrungen darüber vorlagen, was bei der Geschichte passieren konnte. Moissan wagte es, und es gelang. Erst kristalli- sierte der Kohlenstoff in schwarzer Form als Graphit, später ge- langen die Versuche immer besser, und schließlich bekam Moissan Steine, die wirkliche Diamanten waren. In unseren Tagen ist die Sache von einem französischen Chemiker angezweifelt worden, und auch in Deutschland hat man sich erzählt, die ganze Geschichte sei Schwindel. Das entspricht keineswegs den Tatsachen. MoissanS Versuche sind— Dr. Neuburger hob das erst kürzlich in einem Vortrag, den er in der Polytechnischen Gesellschaft zu Berlin hielt, scharf hervor— so fest fundiert und in seinem Buche über den elektrischen Ofen so eingehend beschrieben, daß an der Tatsache kein Zweifel möglich ist. Seine Steine waren allerdings sehr klein, und ihre Herstellungskosten waren weit größer als ihr Wert, so daß das Verfahren keine praktische Bedeutung hatte. Darum aber hat sich Moissan nie gekümmert. Als er die Frage experimentell gelöst hatte, stellte er, darin eine echte Gelehrtennatur, seine Ver» suche ein. Ein Engländer, namens Henri Fisher, nahm die Ver, suche wieder auf. um sie praktisch auszunutzen. Eine kleine Ab, änderung des Moissanschen Verfahrens ließ ihn größere Steine be« kommen, aber für Handelszwecke waren auch sie noch zu klein. Zweifeln läßt sich aber nicht daran, daß man hier bald weiterkommen wird, und wir können das Problem der künstlichen Herstellung echter Diamanten heute als gelöst bezeichnen. Glücklicher noch ist man beim Rubin gewesen. �Man erzeugt da heute Steine von einer Größe, die bei natürlichen Steinen selten ist. Und die Stücke sind zugleich von einer Schönheit und Reinheit, die ebenfalls nicht übertroffen werden kann. Kein Mensch vermag sie von natürlichen Steinen zu unterscheiden, und wir stehen nicht an, auch sie als.echt" anzuerkennen, weil sie in jeder Hinsicht dCffl
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28 (23.3.1911) 58
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