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Sann stand er mit Pelle hart an der Türfüllung und lauschte.| diese Schwierigkeit noch nicht in der ganzen Schärfe empfinden, " Es is woll keiner da," flüsterte er ratlos.
Dann geh doch bloß rein," rief Pelle aus
ja nich den ganzen Tag hier stehen bleiben."
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Dann kannst Du ja zuerst reingehen, wenn Du meinst, daß Du Dich besser da auf verstehst," entgegnete Lasse verlegt. Pelle öffnete schnell und ging hinein. Es war niemand im Zimmer, aber die Tür zur Wohnstube stand offen, und da drinnen ertönte Kongstrups behagliches Prusten. Is da jamand?" fragte er.
" Ja, Lasse und Belle!" antwortete Rasse mit einer Stimme, die nicht gerade sehr tapfer Klang.
,, Könnt Ihr hier hereinkommen?" Kongstrup lag auf dem Sofa und las in einem Kalender, auf dem Tisch neben ihm lag ein Stapel alter Kalender und daneben stand eine Schale mit kleinen Kuchen und dergleichen. Er verwandte die Augen nicht von seinem Buch, nicht einmal als die Hand gewohnheitsmäßig nach der Schale langte, um etwas in den Mund zu stecken. Er lag da und sog es in sich hinein und schluckte es allmählich herunter, während er las; für sie hatte er feinen Blick- nicht eine Frage, was sie wollten oder irgend eine Aeußerung, die sie in Gang hätte bringen können. Dies hier war, als werde man ausgeschickt um zu pflügen und wisse nicht wo. Er war am Ende gerade bei etwas sehr Spannendem.
,, Na, was wollt Ihr denn?" fragte Kongstrup endlich mit feiner matten Stimme.
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wie wir sie heute empfinden müssen. Die Industrie hatte ihren ,, wir können berderbenden Einfluß auf die Familie wohl hier und da schon ges zeigt; aber noch konnte man hoffen, sie zu retten oder wiederher feither genommen hat, ist die Gefahr unabsehbar gewachsen. Sie zustellen. Mit der ungeheuren Entwickelung, welche die Industrie entzieht ja den Arbeiter, die Arbeiterfrau und oft das Arbeiterkind dem Hause. Immerhin, sie muß nicht das Hausleben sofort gana zerstören; man hat auf Schuh sich besonnen; ein Bestreben auf Kürzung der Arbeitszeit und Erhöhung des Arbeitslohnes hat träf tig eingesetzt, ist in beträchtlichem Umfang schon mit Erfolg ge frönt, und ein weiteres Vordringen in dieser Richtung ist möglicy und mit Sicherheit zu erwarten. Aber vielleicht erst die ernſteſte Schwierigkeit liegt darin, daß auch eine gewisse Bodenständigkeit der Bevölkerung, welche eine der wesentlichsten Vorbedingungen zum lebendigen Fortwirken eingewurzelter Sitte, dauernder, naher, unmittelbar wirkender menschlicher Beziehungen überhaupt, als be sonders die wesentlichste Vorbedingung für die Möglichkeit eines Hauslebens, wie es Pestalozzi vor Augen steht, jedenfalls ist, mit dem Vordringen der Industrie kaum vereinbar scheint. Die Maffenansammlung industrieller Unternehmungen in den Großstädten fälischen Industriegebiet) mit allen ihren unabsehbaren Folgen; und in großen Induſtriebezirken( z. B. dem Niederrheinisch- Westber starte Zustrom nicht eingesessener, zumal fremdländischer Be völkerung zu diesen Zentren; die mit der Industrialisierung un vermeidlich zusammenhängende Verleitung zu oft nichtigen Ges nießungen und Lebensgewohnheiten bei gleichzeitiger Verfeuerung des notwendigen Lebensbedarfs; die aus derselben Quelle stammende gewaltige Wermehrung der Verkehrsmittel und gelegen heiten, die eine so ungeheure Unruhe in das ganze Leben solcher Bentren bringt das und so vieles andere damit Zusammena hängende, was hier nicht alles einzeln aufgezählt zu werden braucht, tann ja nicht anders als auflodernd wirken auf einen fo zarten, vor allem auf eine gewisse Beständigkeit der Lebensverhält nisse angewiesenen Organismus wie den der Familie. Und so sehen wir das Hausleben überall schwer erschüttert, stellenweise schon fast entwurzelt. Besonders das junge Geschlecht, in welchem nicht die Ueberlieferungen des vorindustriellen Zeitalters noch mehr oder minder nachwirken, welches von der ungeheuren Flutwelle dieses modernen" Lebens, dem oft kein Gestern und fein Morgen mehr zu gelten scheint, widerstandslos gepadt und fortgeriffen wird, gibt sich ihm vielfach, ganz ohne Ahnung eines Unrechts, ohne Be wußtsein einer ernsten Gefahr, gefangen, und meint damit vielleicht gerade die rechte Freiheit sich zu erobern. Die Ehe selbst hat vielfach schon ganz den Sinn der lebenslangen Vereinigung verloren. Die Aufzucht der Nachkommenschaft, sonst noch der sicherste Halt für die Ehe selbst, wird mit ernstem Willen und Entschluß oft gar nicht mehr übernommen, wie sie denn auch durch die sich unablässig steigernde Not des Daseinstampfes offenbar zu einer immer drückenderen Last wird. Es tut bald nicht mehr not, daß da noch edle Volksfreunde auftreten, welche ausdrücklich davon abraten, mit dieser Bürde sich zu belasten; es bedarf solcher Predigt schon kaum mehr, da das Leben jedes Tages längst derber und brutaler, und damit nur um so wirksamer, dasselbe predigt. Die physische und moralische Zerrüttung freilich, die daraus nur folgen kann, fündigt sich gleichfalls in vielem schon an; es ist nachgerade unverantwort lich, an diesen Dingen vorbeizugehen und sich schönen Träumen von einer edleren Volkskultur hinzugeben, wo schon die erste Wurzel vielfach so angefault ist. Es muß hier eine Rettung gefunden werden, oder alle weitere Hoffnung ist vergeblich.... Ich denke mir die Lösung so: daß Verbände von Familien zieds gemeinsamer Erziehung zunächst der vorschul pflichtigen Kinder sich bilden. Sei selbst der größere Teil der Familien in Arbeiterkreisen außerstande, tagsüber den Kleinen Aufsicht, Zucht und erste Unterweisung in hinreichendem Maße zuteil werden zu lassen, einer Gruppe von Familien wird es biel eher möglich sein, eine oder einige Personen für diese Aufgabe frei zu erhalten, indem für sie der Unterhalt von den übrigen zugleich bestritten wird. Es müßten dazu natürlich die hierfür geeignetsten
Jaja, der Herr müssen entschuldigen, daß wir so mit was kommen, was nichts mit der Wirtschaft zu tun hat. Aber so wie sich die Sachen nu mal stellen, haben wir keinen anderen Menschen, an den wir uns wenden können, und da sag ich denn zu dem Jung: der Herr wird wohl nich böje werden, sag ich, er hat manch liebes Mal gezeigt, daß er Herz für uns arme Deubels hat und so! Nu is die Sache ja die, hier in der Welt, daß wenn man auch bloß ein armer Kerl is, der zu nichts nich gut is, als den Dreck vor den Andern aufzunehmen, so hat uns der liebe Gott sein Vaterherz doch nich von uns abgewandt. Und es kann einem ja weh tun, wenn man sieht, daß die Schuld des Vaters für den Sohn ein Knüppel zwischen den Beinen is." Lasse stockte. Er hatte sich alles vorher ausgedacht und es so zurechtgelegt, daß es auf schlaue und ansehnliche Weise zu der Sache selbst führte. Aber nun kam die ganze Geschichte in Unordnung, und der Herr sah so aus, als habe er auch nicht einen Muck davon verstanden. Er lag da und langte nach den Kuchen und sah hilflos nach der Tür hinüber.
Die Sache is ja auch die, daß ein Mann den Witterstand satt kriegen kann," begann Lasse von neuem, gab es aber fofort auf, den Gedanken zu verfolgen. Wie er sich auch anstellte, ging er rund um die Sache herum und konnte nirgends feinen Hafen einschlagen und nun fing Kongstrup wieder an zu lachen. Eine noch so kleine Frage von ihm hätte mitten in das Ganze hineinführen können; aber er pfropfte nur den Mund voll und faute so recht breit.
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Lasse war äußerlich niedergeschlagen und inwendig wütend, er stand da und schickte sich an zu gehen. Pelle glotte die Bilder und die alten, glänzenden Mahagonimöbel an, er bildete sich seine Ansicht über alles.
( Fortsetzung folgt.))
Hauserziehung und Volkskultur. Bersonen ausgewählt werden, für die man sich leicht auch eine ge
Bon Professor Paul Natorp in Marburg. *) Die Hauserziehung und die Erziehungsarbeit der öffentlichen Schule sind die Grundlagen der Boltserziehung überhaupt. Alle freie Arbeit an der Kultur des Volkes muß mit den Vorausjehungen rechnen, die durch sie hergestellt werden, und ob sie nun deren Werk in gleicher Richtung weiterführen oder ihre Mängel ergänzen, ihre Fehler verbessern will, sie muß den Boden kennen, auf dem sie ihren Bau errichten soll. Aus diesen Rüdjichten kann fie nicht gleichgültig sein gegen die Erziehungsarbeiten des Hauses und der Schule, gegen das, was sie ist, was fie unter geeigneten Bedingungen sein könnte und sein sollte. Mit einem Wort, wir follten von Pestalozzi gelernt haben, daß die Aufgabe der Erziehung zuleht nur als Ganzes ins Auge gefaßt werden darf, weil sie in fich ein unteilbares Ganzes ist.
Wir rühren damit an die vielleicht ernsteste Schwierigkeit der Erziehung gerade in der modernen Entwickelung. Pestalozzi konnte
*) Diese Ausführungen entnehmen wir dem Werke Boltskultur und Persönlichkeitskultur", das dem Sozialisten eine Fülle von Anregungen bietet.( Verlag von Quelle u. Meyer in Leipzig . Breis geh. 3 M., geb. 3,60 m.)
regelte Ausbildung, ähnlich der unserer Kindergärtnerinnen, borstellen kann. Ich denke mir zunächst fleinste Gruppen etwa zu 20 bis 25 Kindern unter zwei oder drei leitenden Personen, älteren verheirateten Frauen oder Witwen, oder auch unverheirateten jün geren oder älteren Mädchen; für Handfertigkeitsübungen, Gärtnerarbeit und dergleichen könnten es sehr wohl auch Männer sein, die vielleicht zu schwererer Arbeit nicht fähig, aber zu solcher Tätigkeit vorzüglich geeignet sind. Fehlte es in einer Gruppe an geeigneten Personen, so müßten solche aus benachbarten, stets aber gleich altrigen, also wiederum Arbeiterkreisen herangezogen werden. Für den Anfang natürlich müßten freiwillige Hilfskräfte aus den oberen Volksschichten gleichsam zur Pionierarbeit vorangehen, also folche Einrichtungen borerst getroffen werden für Arbeiterkreise von Nichtarbeitern, immer aber mit dem bestimmten ausgesprochenen Biele, mehr und mehr Kräfte aus den Arbeiterkreisen selbst dazu heranzuziehen und zu befähigen; mit der Bestimmung also, daß all mählich die ganze Organisation auf diese selbst übergehe. Die ges dachte Einrichtung würde, erst einmal da, übrigens ganz von selbst diese Wirkung haben; sie würde wie von selbst dafür taugliche Männer und Frauen der arbeitenden Klassen zu dieser Erziehungsarbeit anloden, ausrüsten und unvermerkt in sie hineinwachsen laffen.