die Kinder, wenn sie spät nach Vanse?ameni. ordnete ihreBetten und gab ihnen ein wenig Essen und fesselte sie auf ihreWeise an sich,— so wie es nun einmal war.Madame Hansen hatte viele Tinge in ihrem Leben der-sucht, und alles hatte sie stufenweise tiefer heruntergebracht.Vom Dienstmädchen zur Kellnerin, an der Waschfrau vorbeibis zu dem herunter, was sie jetzt war.Jeden Morgen früh, ehe es hell wurde, kam sie über dieKnüppelsbrücke nach der Stadt mit einem schweren Korb aufjedem Arm. Aus den Körben guckten Kohlblätter und Mohr-rübenkraut hervor, so daß man meinen könnte, sie mache sichein Geschäft daraus, bei den Bauern draußen in AmagerGrünwaren zu kaufen, um sie dann in Aabenraa und da inder Nähe zu verkaufen.Trotzdem trieb Madame Hansen keinen Handel mitGrünwaren, dagegen aber einen kleinen Kohlenhandel: sietrieb ihn halb im geheimen und in kleinen Portionen, und ihreKunden waren lauter arme Leute wie sie selbst.Diese scheinbare Inkonsequenz wurde in Aabenraa nichtweiter beachtet; nicht einmal Schutzmann Frode Hansen schienan Madame Hansens Geschäft etwas Aufsallendes zu finden.Wenn er ihr am Morgen begegnete, wo sie mit den> schwerenKörben angeschleppt kam, konnte er vielmehr ganz freundlichfragen:„Nun, Madame Hansen, waren die Rüben billigheute?"Und war sein Gruß weniger freundlich, wurde er imLaufe des Tages mit einem Glas Bayerisch bewirtet.Dies war eine stehende Ausgabe für Madame Hansen,und sie hatte noch eine solche. Jeden Abend kaufte sie eingroßes Stück Kuchen, mit dickem Zucker bestreut. Sie atz esnicht selbst; auch war es nicht für die Kinder; niemand wußte,was sie damit machte, und es gab auch niemand, der es weiterbeachtete.—Gab es keine Aussicht auf ein GlaS Bier, so führte Schutz-mann Frode Hansen seinen Koeffizienten mit Würde dieStraße auf und ab spazieren.Wenn er dann Treu oder einem anderen seiner Freundeunter den Hunden begegnete, so blieb er immer lange stehen,um ihn hinter den Ohren zu krauen. Und wenn er die großeUngeniertheit sah, mit der die Hunde sich auf der Straße auf-führten, so war es ihm ein wahres Vergnügen, sich mitStrenge auf eine unglückliche Mannsperson zu werfen- und sichihren vollen Namen und ihre Adresie zu notieren, weil sie sicherlaubt hatten, ein Kuvert in die Gosse zu werfen�(Fortsetzung folgt-jjLiterarbirtorifchcs Schrifttum.T.Die bürgerliche Literaturgeschichtsschreibung ist, bis in unsereTage hinein. Heldenverehrung, das heißt: sie wird von der An-schauung geleitet, die von jeher, auch gerade in der alten AollS»dichtung, über das Verhältnis von Persönlichkeit und.Milieu" imSchioange war. Nicht die Geschichte der Völler, sondern die Geschichteder großen Männer sei die Weltgeschichte. Nicht die Dichtung ganzerNationen, sondern die dichterkünitlerischen Leistungen Einzelnerrepräsentiere die Geschichte der Literatur. Aus dieser Anschauungheraus schrieb der Engländer C a r l y l e(sprich Karlüle) vor70 Jahren sein Buch:„Helden und Heldenverehrung". Und denTypuS eines unüberwindlichen Heldentums, den er bier Dante undShakespeare verlieh, ihn hatte er bereits zuvor bei Schiller und Goetheangewendet. Es ist um die Richtigkeit und Verkehrtheit dieser Theorie sehrheftig gestritten worden, je nachdem, daß der Einfluß des„Milieus"unter schätzt, dagegen die Bedeutung der einzelnen Persönlichkeitmaßlos über schätzt wurde. Run lehrt uns aber die materialistischeGeschichtsauffafiung, ohne daß wir die Ungleichheit der intellektuellenKräfte bei den Menschen, also natürliche Unterschiede jemals ge-leugnet haben, daß jeder Mensch, auch gerade der schöpferisch ver-anlagte, doch in der Hauptsache abhängig ist vom Milieu, was so-viel heißt, daß er das Produkt der Verhältnisse und seiner Umgebung ist. Eine Auffassung, wie Carlqle, der zudem konservativbis auf die Knochen war, sie damals vertreten konnte, ohne bei denZeitgenossen auf entschiedenen Widerspruch zu stoßen, ist heutzutageschlechterdings nicht mehr angängig. Trotzdem beansprucht das vondiesem paradoxen Schriftsteller ausgestellte Goetheporträt auch nochgegenwärtig ein hohes Interesse. Samuel S aenger konnte daherdie Herausgabe eines Buches:„ThomasCarl'yle: Goethe"(Oesterheld u. Co. Verlag, Berlin, Preis 2 M) sehr wohl wagen. DennwaS man auch sagen möge: Carlyles Auslassungen über Goethesind, wenn abgesehen wird von seiner einseitig das religiöse Momenthervorkehrenden Ausfassung, noch immer das Gescheiteste nnd Tiefsteunter allen Untersuchungen geblieben. Nicht bloß dies allein; auch' viel Endgültiges, Abschließendes liegt darin, ganz zu geschweigender menschlichen Größe, die in den Beziehungen zwischen diesenbeiden Persönlichkeiten offenbar geworden. Unter berechtigtenStreichungen alles durch die Zeit hinfällig gemachten hat der Heraus»geber, ein guter Kenner Carlyles, aus dessen Schriften das PorträtGoethes uachgezeickinet.In noch weit höherem Maße gilt dies Gesagte von. S ch i l l e tßGesprächen", das sind Berichte seiner Zeitgenossen über ihn. dieJulius Peters in vortrefflicher Wahl und zeitlicher Anordnung imJnselverlaz zu Leipzig herausgebracht hat. In allen diesen Aeuße-rungen anderer, die mit ihm umgingen, lernen wir Schiller voi»viel neuen Seiten kennen. Es zeigt sich da, wenn wir es nicht schonaus seinen Schriften wüßten, welch idealer Geist und wunderbarerMensch er gewesen. Nur so erklärt es sich auch, warum er— heutemehr denn je— lebendig wirkend durch seines Volkes Mitewandelt. Dies herrliche Buch in seiner einfach würdigen buchhändle-rischen Aufmachung bedarf keiner Empfehlung; es genügt zu sagen,daß es jedwede Lebensbeschreibung des Dichters von nachsage-lahrten Köpfen überflüssig macht; eS ist ein frisch sprudelnder Quellzwischen dürrem Literatorengestrüpp. Der Preis des 490 Seiten um-fassenden Buches, dem natürlich ein Verzeichnis der abgekürztenQuellenangaben nebst einem erklärenden Namen- und Sach-registcr beigegeben find, beträgt nur 3 Mar! in Pappband, 4 Mar!in Leinen.Auf das Eindringen in weitere Kreise ist auch die von HansDaffis besorgte Ausgabe der Freundesbriefe HeinrichHeines(Panverlag Berlin. 459 Seiten, 3 M.) berechnet. Und esbraucht wirklich nicht betont zu werden, welche wichtige Stelle sieeinnehmen, oder wie sehr sie geeignet seien, alleS Gerede, besondersalle Verunglimpfungen der Sirtlichkeitsschnüffler und sonstigen Ge-lichters bis in unsere Tage hinein ins rechte Licht zu rücken. WennBrieie an und für sich schon die wertvollsten Zeugnisse für einesMenschen Denkungsart und Gefühlsleben sind, so noch weit mehrfür einen revolutionären, radikalen Dichter und Satiriker, über densich noch immer alle Literaturpfaffen herumstreiten, der gewisser-maßen zwei geistige Weltalter in sich vereinigt. In ihm gor ja nochder Dunst der deutschen Heublümeleinromantik, die er dannmit den giftgeträiiktcn Pfeilen seines aristophanischen Spottes ver-flüchtigte, um zum ersten sozialen Sänger nicht bloß seiner, sondernaller Zeiten zu werden und dem Geiste moderner Entwickelung licht-volle Bahn zu brechen. Es ist nichts mit dem Lügengewebe: Heinssei bloß eine männliche Kokotte gewesen, der mit Gedanken und Ge-fühlen ein launisches frivoles Fangballspiel getrieben habe. Werdas noch immer glaubt, der nehme diese Briefe zur Hand; und erwird darüber belehrt werden, daß Heine gegen sich selbst einen un-erbittlichen WahrheitSmnt bewiesen. Seine ganze edle Natur brichthier hervor mit einen: Glänze, der, weil er ans Seelentiesen stammt,jeden Leser bezaubern muß.Zu den famosen Briefschreiben: wird auch Theodor Fontanegerechnet. Zwei Bände iciner Briefe find ja bereits voreinigen Jahren herausgekommen. Manch KnorngeS und Echtessteht in ihnen; und das Bild des Alten, der nichts als ei«enragierter Preuße fein wollte, ist durch jene Herzensergießungen,wenn nicht gerade erweitert, so doch um prächtige Farbentupfen be-reichen lvorden. Eine abermalige Ergänzung erfährt FontanesPersönlichkeit durch die Herausgabe seines Briefwechsels mit Wilhelm23 o l f s o h n, seinem Jugendfreunde, der, ein talentvoller Dichter»in frühen Jahren starb. Wir werden da in die Werdezeit des jungenFontane eingeführt, der schon, während er noch das Metier eines„Giftmischers" versieht, tüchtig Verse schmiedet und auchbereits die ersten Früchte seines Talents zu Marktebringt. Er hängt dann den Beruf an den Nagel undgeht zun: Journalismus über, heiratet, macht Fahrtennach England und tut sich, indem er Reisebriefe für deutscheJournale schreibt, sehr tüchtig in der altenglischen Literatur um.Eine Reihe prächtiger Balladen, vermehrt durch solche aus demsoldatischen Heldentum des Friderizianischcn Regimes, bleiben ihman den Fingern hängen, um fortan seinen Ruhm als Dichter zubegründen. Kurz, dieser Berufswechsel ist interessant; auch insofern,als er Einblicke gewährt in die literarischen und gesellschaftlichenZustände zwischen 1849—69. Wilhelm Wolters, der SohnWolfsohnS, hat diesen Briefwechsel aus Familienpapieren ans Lichtgezogen. Da» Büchlein, bei Georg Bondi, Berlin, erschienen, erhieltaußerdem einen besonderen Reiz durch die Beigabe von neun Bildemder beiden jungen Brieffchreiber.Im Anschluß hieran sollen auch gleich die unter dem Titel„Blühender Lorbeer" vereinigten„Plaudereien und An-dachten über deutsche Dichter" von Otto Ernst(VerlagL. Staackmann, Leipzig) genannt sein. Dies zunächst deshalb, weilsich der Verfasser da in der ersten„Plauderei" des Buches mitTheodor �Fontane befaßt. Und zwar entwirft er von diesen:«insehr zutreffendes Konterfei. Räch Fontane werden Auzengruber derTendenzdichtcr, Gottfried Kellers Verse, der hundertjährige Reuter;Friedrich Hebbel als dramatischer Dichter, Heinrich HeineS Seele,Goethes Gesellige Lieder, Schiller und Lessiug der Dichter behandelt.Kluge Worte und Anmerkungen eines Einsichtigen, der ja selbst sichals Dramatiker und Romandickter zu mehr als modischer Beliebt»heit gebracht hat. Die„Plaudereien" sind es nun gerade nicht, diemir am besten zusagen; der darin angeschlagene etwas philiströseTon geht mir wider den Strich. Flüssiger, konzentrierter, ich möchtesagen, verwachsener mit dem jeweiligeu Wegenstande, erscheinen mir