Anterhaltungsblatt des Vorwärts
Nr. 65.
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Treu.
Sonnabend. den 1. April.
KNachdruck berboten.)
Bon Alexander L. Kielland.
( Schluß.). III.
1911
Regen und nasse Schneeflocken machten ihn noch dichter; aben der Ostwind preßte ihn zwischen die Häuser hinein und füllte den ganzen Amalienplay mit Nebel, so daß Friedrich V. wie in den Wolken saß und die stolze Nase unbekümmert seiner 8 Halbfertigen Kirche zuwandte.
Es hatte seine Richtigkeit mit dem Schnee, wie der Großhändler erzählt hatte. Obgleich man noch ganz im Anfang bes Winters war, fiel mehrere Tage nacheinander gegen Morgen ein wenig nasser Schnee; aber es wurde ein feiner Regen daraus, wenn die Sonne aufging.
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Das war übrigens fast das einzige Zeichen, daß die Sonne aufgegangen war; denn viel heller wurde es den ganzen Tag nicht, auch nicht viel wärmer. Die Luft war von dickem Nebel erfüllt es war nicht der weißgraue Meernebel, sondern braungrauer, dichter, toter Russennebel, der beim Hinziehen über Schweden nicht leichter geworden war; der Ostwind brachte ihn mit sich und packte ihn gut und sicher zwischen die Häuser von Kopenhagen ein.
Unter den Bäumen längs des Kastellgrabens und in den Anlagen war es ganz schwarz infolge des Tropfenfalls von ben Zweigen. Aber mitten auf den Straßen und oben auf den Dächern der Häuser hatte der Schnee eine dünne, weiße Decke gebildet.
Es war noch ganz still drüben bei Burmeister u. Wain ; Ser schwarze Morgenrauch wirbelte aus den Schornsteinen empor, und der Ostwind warf ihn auf die weißen Dächer herab, so daß er noch schwärzer wurde, und wehte ihn über den Hafen hin zwischen die Takelung der Schiffe, die düster und schwarz in der Dämmerung dalagen mit weißen Schneestreifen die ganze Reihe entlang. Auf dem Zollamt sollten die Bluthunde bald eingesperrt und die Tore geöffnet werden.
Der Ostwind war heftig und wälzte die Wogen gegen die Range Linie, wo sie sich in graugrünem Schaum zwischen den Schlüpfrigen Steinen brachen, lange Dünnungen kamen bis in den Hafen hinein, plätscherten gegen die Zollschranke und rollten im Hafen der Kriegsflotte, wo die alten Holzfregatten abgetakelt und in all ihrer imponierenden Unbrauchbarkeit unter Dach lagen, große Namen und schwere Erinnerungen hin und her.
Der Hafen war noch voll von Schiffen, auf den Landungsbrücken und in den Lagerhäusern lagen die Waren hoch aufgestapelt. Niemand konnte wissen, was man für einen Winter bekommen würde; ob man monatelang von der Welt abgesperrt werden oder ob man mit Nebel- und Schneematsch dabonkommen würde.
Darum lagen Reihen von Petroleumfässern da, die zusammen mit den ungeheuren Kohlenbergen auf einen strengen Winter lauerten; und es lagen Fässer und Orhofte voll Wein und Kognak da, die geduldig auf neue Verfälschungen warteten; Tran und Talg und Kork und Eisen alles lag und wartete, ein jedes auf das Seine.
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Mehrere schläfrige Glocken ließen sich jetzt hören; eine Dampfschiffspfeife sette mit einem höllischen Gefreisch ein In den Kneipen, die vor dem Glockenschlag geöffnet werden", wurde schon bei warmem Kaffee und Schnaps Frühmesse ge halten; Mädchen mit hängenden Haaren nach einer wilden Nacht tamen aus den Seemannshäusern bei Nyhavn heraus und machten sich halb im Schlaf daran, die Fenster zu puzen, Es war bitter falt, und wer über Königs Neumarkt mußte, eilte an Dehlenschläger vorüber, den sie bor das Theater gesezt hatten, barhaupt, und den Kragen voller Schnee, der schmolz und ihm in den offenen Halsbund hinein. rann.
Jezt kamen die langen, unerbittlichen Pfiffe aus den Dampffeifen der Fabriken rings in der ganzen Stadt, und auf dem Hafen liefen die kleinen Dampfschiffe herum und pfiffen für nichts und wieder nichts.
Die Arbeit, die überall lag und wartete, fing an Sie vielen kleinen, dunklen Gestalten zu verschlingen, die schläfrig und verfroren herauskamen und rings in der Stadt ver Schwanden. Und es entstand ein stilles Gewimmel auf den Straßen, einige liefen, andere schlenderten langsam- sowohl die, die in die Kohlendampfer hinunter, wie die, die hinauf sollten und die Nettiche des Kaisers von Rußland vergolden, und tausend andere, die von allerhand Arbeit verschlungen werden sollten.
Und die Wagen begannen zu rasseln, die Ausrufer gu schreien, die Maschinen hoben ihre ölglänzenden Schultern und drehten die sausenden Räder; und nach und nach vibrierte die schwere, dicke Luft in einem gedämpften Suminen von der bereinten Arbeit der vielen Tausende von Menschen; der Tag hatte angefangen; das fröhliche Kopenhagen war erwacht.
Der Schußmann Frode Hansen fror bis in seinen innersten Koeffizienten hinein; es war eine außergewöhnlich rauhe Wache gewesen, und er ging ungeduldig auf und ab in Aabenraa und wartete auf Madame Hansen. Sie pflegte um diese Zeit oder gar noch früher zu kommen, und heute war er fest entschlossen, es bis zu einem Glas Bayerisch oder einer warmen Tasse Kaffee zu bringen.
Doch Madame Hansen kam nicht; und er fing an gu überlegen, ob es nicht trotz allem feine Pflicht sei, sie zu melden; sie trieb es gar zu weit; es fonnte nicht mehr weiter gehen mit dieser Spiegelfechterei mit den Kohlblättern und dem Kohlenhandel.
Auch Thyra und Waldemar hatten mehrmals in die kleine Küche hinausgeguckt, ob die Mutter nicht gekommen sei und den Staffee aufgesezt habe. Aber es war schwarz unter dem Sessel und so dunkel in der Luft und so kalt in der Stube, daß sie wieder zu Bett gingen, sich ins Stroh verkrochen und sich damit amüsierten, sich gegenseitig nach dem Bauch zu treten.
Ueberall lag Arbeit und wartete schwere Arbeit, grobe Als sie die großen Tore zu Großhändler Hansens Kohlen Arbeit und feine Arbeit unten vom Boden der gewaltigen Tager in Kristianshavn öffneten, saß Treu da und blickte be englischen Kohlendampfer an bis hinauf zu den drei verschämt zur Seite; es war aber auch eine widerwärtige Arbeit, goldeten Rettichen auf der neuen Kirche des Kaisers von Ruß- die man ihm da aufgetragen hatte. Land in der Breiten Straße.
Aber noch gab es niemand, der anfing. Die Stadt schlief So schwer, die Luft war so schwer, der Winter hing über der Stadt; und in den Straßen war es so still, daß man hörte, wie das Wasser aus dem Schnee, der auf den Dächern schmolz, mit tiefem Gludsen in die Wasserrinnen fiel, als ob die großen Steinhäuser noch im Halbschlaf stöhnten.
Eine kleine schläfrige Morgengloce ertönte drüben auf der Insel, hier und dort öffnete sich eine Tür, und ein Hund tam heraus, um zu bellen. Rouleaux wurden in die Höhe gegogen, und Fenster wurden geöffnet. In den Zimmern jah man das Stubenmädchen herumgehen und bei einer flackernden Kerze reinmachen; in einem Fenster im Palais lag ein betreßter Lakai und bohrte sich in der Nase in der frühen Morgenstunde.
Ein dichter Nebel lag über dem Hafen und blieb in der Takelung der großen Schiffe wie in einem Wald hängen;
In einer Ecke fand man zwischen zwei leeren Körben ein Bündel Lumpen, aus dem ein schwaches Stöhnen fam, auf dem Schnee waren einige Tropfen Blut, und dicht dabei lag unangerührt ein Stück Kuchen, dick mit Zucker bestreut.
Als der Werkführer den Zusammenhang begriff, sah er sich nach Treu um, um ihn zu loben; aber Treu war schon nach Hause gegangen; die Sache war ihm zu unangenehm.
Dann lasen sie sie auf, so wie sie warnaß und eklig, und der Werfführer bestimmte, daß sie auf dem ersten Kohlenwagen, der nach der Stadt ging, hineingefahren werden sollte, dann könnten sie am Krankenhaus halten, und der Professor fönnte selbst sehen, ob sie der Reparatur wert sei.
Gegen zehn Uhr begann die Familie des Großhändlers sich um den Frühstückstisch zu versammeln. Thyra kam zuerst. Sie eilte zu Treu hin, streichelte und küßte ihn und überschüttete ihn mit Rosewarten.
Aber Treu rührte seinen Schwanz nicht, er hob kaum die