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Ein anderes Wort für Gebet, tschu, besteht aus den Bildern: Geist, Mund, Mensch, bezeichnet also genau den tatsächlichen Vor­gang, und ein drittes, k'i, ist gleichbedeutend mit Geist überhaupt und wird als Glüdseligkeit" erklärt. Man sieht hier der Religion auf den Grund ihres Herzens- sie ist eine äußerst egoistische Erfindung.

Grube, mit den Methoden und Ergebnissen der allgemeinen| Dieser Begriff liegt eben in dem Bilde des Worte: tao: Gebet Ethnologie nicht vertraut, zieht aus der konstatierten Tatsache( Seite 40). weiter feine Folgerungen, weshalb wir ihn ergänzen müssen. Daß schin auch alles bezeichnet, was den Geistern eigentümlich gehört, also heilig" ist, ist selbstverständlich. Auffallender dürfte sein, daß der Chinese auch seinen eigenen Körper so oder als schin- tse: Geistersohn, bezeichnet. Aber da der Geist am Menschen die Haupt­fache ist, jedenfalls länger lebt als der Leib, so darf uns der Aus­druck nicht wundern, ebensowenig daß der Begriff" Mensch" durch denselben nur lautlich etwas sanfteren Ausdrud shin gegeben wird. Dieses lettere Wort bedeutet aber auch Wissen", was bekanntlich im Begriff mit Geist" identisch ist. Wir sehen also den ganzen Gedankenzusammenhang deutlicht.

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( Die noch mehrfach zu berührende Tatsache, daß chinesische Worte mehrdeutig, ja vieldeutig sind, kommt daher, daß die chine fische Sprache nur einfilbige Worte befißt. Die chinesischen  Hauptdialekte haben nur zwischen 400 und 500 Wurte, deren jedes 100 bis 200 und noch mehr Bedeutungen hat, die aber durch vier bis acht musikalische Nuancen bei der Aussprache unterschieden werden, vozu freilich chinesische Ohren gehören. Trotzdem bleibt immer für den Ahnentafeln". Ihr Name schin- tschu bedeutet Seelen­jedes nuancierte Wort noch eine zwanzig- und mehrfache Bedeutung übrig.)

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Ein älterer Ausdrud für Geist" ist schi; er bezeichnet auch bie Großfamilie, die Eristenz, das Alter, das Weltall  . Wie das alles zusammenhängt, fann hier nicht ausführlich erörtert werden, der aufmerksame Leser wird hinter manches fommen. schi ist aber auch ein Ehrenname des Kaisers; dieser ist Repräsentant aller Geister seines Reichs, der Geist" oder Gott schlechtweg. Wo aber schi herkommt, zeigt sich dadurch, daß es mit leichter Wendung des Tons auch den Leichnam bezeichnet, den man deshalb, um Ver­wechslungen vorzubeugen, in der Umgangssprache ss- schi: tote Reiche, nennt. Da man die Toten schon seit unvordenklichen Zeiten in die Erde versenkte, gab es sich von selbst, unter schi nun ganz speziell die Erdgeister zu verstehen.

Ein dritter Name für den Menschengeist, der nach dem Tode in alles eingehen kann( Navarra  ), ist k'i: Atem, was, wieder ver­ständlich, zugleich Luft, Gas, Geruch, sodann Erinnerung, Lebens­traft bedeutet. Meist sagt man für Geele: hoang- k'i: gelber Atem. Gelb ist die Farbe Chinas  , weil die gelben Lögmassen die weitesten Gebiete des Reichs bedecken, deshalb liegt in dem Worte auch Der Begriff des Großartigen, Erhabenen  .

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Das Opfer heißt tsi( Gabe, Geschenk schlechthin), sein Schrift zeichen besteht aus den Elementen: Geist, Fleisch, rechte Hand ( Seite 41). Es war einst nicht nur Fleisch der Tiere, das man opferte, sondern mächtige Herren empfingen auch Menschenopfer­jedoch sind diese schon in sehr alter Beit abgelöst und durch Stroh­puppen ersetzt worden. Auch opferte man nicht immer nur das Fleisch, sondern auch die Seelen der Tiere man bergrub sie dann lebendig. Heute geht infolge des Bevölkerungszuwachses der Ahnen­dienst einfacher im Hause selber vor sich; nur hohe Mandarinen dürfen sich eigene Ahnentempel bauen. Die Ahnen wohnen in nicht allzu großen Brettchen, die mit ihrem Namen beschrieben sind fit". Sie stehen in der besien Stube, und die Ahnen sehen so alles, was vorgeht. Man teilt ihnen auch alles Wichtige mit und opfert ihnen Speise und Räucherwerk( die fatholische Kirche macht es nicht ein Haar anders). In alter Zeit vertrat bei wichtigen Dingen und Opfern eine Person die Ahnen, meist ein Entel, weil( nach Navarra  ) der dem Großvater am meisten ähneln soll. Diese Person hieß schi: Toter. Ein besonderer Priesterstand hat sich für diesen Ahnendienst Priester ist hier, wie auch natürlich nicht entwideln können noch bei den klassischen Völkern bei ihren Hauskulten ganz allein der Familienvorsteher, der Vater, der Patriarch. Darum gibt es, wie Lippert feststellt, in China   feinerlei religiöse Unter­weisungen in den Schulen, darum enthält das allgemeine Normal Lesebuch keinerlei religiösen Stoff. Der Glaube pflanzt sich eben der Aber einfach durch die tägliche Nebung so fort, wie bei uns glaube, der einst auch der wirkliche religiöse Glaube war.

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Eng mit dem Ahnenkult hängt die Behandlung des werdenden Whnen zusammen: der Totenkult, die Begräbnisbräuche. Sie sind mannigfaltig und sehr kompliziert; sie sind, besonders die pomphaften Leichenbegängnisse, schon oft beschrieben worden, ohne. baß man den rechten inneren Zusammenhang erkannt hätte. Gie sind nur aus diesem zu verstehen, behandeln den Toten noch als einen Lebenden und Mitwirkenden, wie es ja einst auch bei uns war. Der Tote erhält Nahrung und Behrgeld mit Reis und altertümliches Muschelgeld in den Mund und wird mit Ehren wie der höchste Gott überhäuft er ist ja ein solcher. Seinen Reichtum gibt man ihm, wie seit den ältesten Zeiten, mit ins Jenseits; heute freilich nicht mehr in natura, sondern in zierlichen Papiernachbildungen, die verbrannt werden.( Ganz entsprechend malten die alten Aegypter ihren Toten etwas; man vergleiche deren Höhlengräber.)

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Trok alledem traute man dem Toten doch noch nicht recht; um ihn am Burüdfommen, am Spufen und Schaden zu ber hindern, bindet man ihm die Beine fest zusammen( S. 187). Auch die alten Aegypter hatten diese Furcht, weshalb sie den Leich­nam fest in Binden einschnürten, woraus die Mumienform ent stand. Noch früher machten sie es wie andre afrikanische Völker Ein mit allen und schnitten der Leiche resolut den Kopf ab. Finessen des Weltaberglaubens bekannter Forscher würde wohl auch noch solche Anklänge in China   entdecken.

Natürlich hat der Chinese zu der unendlichen Anzahl der namenlosen und ihm unbekannten Geister nur geringe direkte Be­ziehungen. Am nächsten stehen ihm selbstverständlich die Geister seiner Verwandten, besonders seine direkten Vorfahren, feine Er­zeuger, Ahnen. Es läßt sich über den Ort, wo man( in alter Beit) die abgeschiedenen Seelen weilend dachte, nichts sagen; nur Sobiel wissen wir, daß den verstorbenen Vorfahren ein Einfluß auf bas Leben und Schicksal ihrer Nachkommen augeschrieben wurde. Da nun dieser Einfluß aber nicht nur günstiger, sondern unter Um­Ständen auch schädigender Art sein konnte, so bemühte man sich in China   zu allen Beiten, wie das auch heute noch in genau der= selben Weise geschieht, nach Kräften, ihre Gunft zu gewinnen, indem man vor allem darauf bedacht war, durch regelmäßige Opfer­barbringungen für das leibliche Wohl der abgeschiedenen Seelen zu sorgen. Aus dieser naiven Vorstellung von den irdischen, leib Lichen Bedürfnissen der Geister der Verstorbenen erklärt sich anderer­seits auch der Wert, den die Chinesen auf männliche Nachkommen­schaft legen: fie glauben dadurch ihre Eristenz nach dem Tode sicher zu stellen, denn das Ahnenopfer darf nur vom ältesten Sohne dar­gebracht werden. Keine Nachkommenschaft zu haben, ist nach dem Nachdem ber Körper des Toten unter die Erde gebracht ist, Philosophen Mengise der höchste Grad der Pietätlosigkeit, weil der wird die neu angefertigte Ahnentafel in die Gruft hinabgelassen. jenige, der kinderlos stirbt, nicht nur der eigenen Person, sondern damit die Seele nun in diese Blab nehme. Da die Religion auch seinen vor ihm verstorbenen Vorfahren den Genuß des Ahnen- nie gern einen einmal gefaßten Gedanken wieder losläßt, so opfers entzieht und sie so dem Hunger preisgibt. Die Seelen laufen in ihr Ideen nebeneinander her, die sich eigentlich auss berer, die ohne Nachkommenschaft verstorben find, irren obdachlos schließen. Lippert hat diese allerwärts zu beobachtende Erscheinung und hungernd als Gespenster umher und suchen die Lebenden das Gefeß der Kompatibilität genannt. Auch der Chinese Bu schädigen; daher sucht man auch sie durch Opfergaben zu be- der Neuzeit glaubt, die Seele des Verstorbenen sei zu gleicher schwichtigen."( Seite 37, 38.) Zeit im Grabe, in der Ahnentafel und in einem irgendwo ge legenen Himmel. Die rationalistische Spekulation gibt deshalb dem Menschen drei Seelen.( So auch Plato  .)

Wir zitierten diese lange Stelle, weil sie nicht bloß die Grund­lage der chinesischen  , sondern aller Religion ausspricht. In allen, helbst den höchsten Systemen finden sich noch meist unverstandene Bräuche, die nur auf diese Gedanken zurückgehen können.

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Das Begräbnis wird mit einem großen Leichenschmause an der Grabstätte geschlossen, nicht in Papier, sondern in Wirklichkeit, " Soweit wir die Geschichte Chinas   zurüdverfolgen fönnen, denn der Lebende hat recht. Auch bei uns ist ja der Leichen­finden wir bereits die patria potestas( väterliche Gewalt) in unein- fchmaus, bei dem es recht lustig hergehen muß, die letzte Freude, geschränkter Geltung. Nominell wird der Chinese ja mit zwanzig die man dem Toten macht. Die Sitte ist bei uns vor der wachsenden Jahren mündig, tatsächlich wird er es erst mit dem Tode seines Muckerei, die das Geld lieber in dem Kirchensädel sieht, schon fast Baters. So lange dieser lebt, hat er absolute Gewalt über seine ausgestorben. Kinder".( Seite 38.) Eigentümlich" ist dieses Verhältnis nun Bei Todesfällen gibt auch der geizige und mitleidslose Chinese ja nicht. Grube weiß ja selbst, daß es auch bei den Römern Almofen; sie heißen schi- wut: Leichendinge und entsprechen dem bestand. Navarra   sagt, daß der chinesische   Bater mit Zuziehung Sinne nach ganz den christlichen Geschenken um Gotteswillen", der Ortsältesten bis zur Todesstrafe gehen kann. Das sind aber eigentlich um der eigenen oder verstorbenen Seele willen, weshalb ganz biblische Verhältnisse( 5. Mos. 21, 28). Wie die Ahnen die insbesondere Stiftungen noch örtlich als Seelgeräte" auftreten.­verstorbenen, so sind die Väter die lebenden Götter. Der Ahnenkult Leider erzählt uns Grube nicht, wie die großen Volks- und Klein­hst auf sie nicht notwendig zurückzuführen, da er ja auch dort herrscht, bürgermassen der chinesischen   Millionenstädte ihre Toten versorgen, two unter einfacheren Kulturverhältnissen die Kinder schnell unab- denn das oben Beschriebene können sich nur reiche Leute leisten. Hängig werden. Aber es sind ja doch die Geister, die man am besten Die Armen können sich doch weder eigene Gräber anlegen noch die fennt, da sie einem am nächsten fiehen. Sie haben ja, wie gezeigt, Särge ewig im Hause behalten. Navarra   entnehmen wir, daß an felber das größte Interesse am Wohlergehen ihrer Nachkommen. passend gelegenen Abhängen Eärge in Menge einfach hingestellt Darum gewähren sie insbesondere die Bitte um langes Leben". werden.

Verantwortl. Redakteur: Albert Wachs, Berlin  . Drud u. Verlag: VorwärtsBuchdruckerei u.Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin   SW.