'„In Ler Wirtschaft?" fragte Milad'a un8 machte große STugcn. „Wenn sie mir einen Dienst geben möchten," fuhr er fort, „bei den Ochsen, bei den Pferden, bei den Kühen oder so etwas, daß ich hierbleiben könnte, daß ich nur nicht ins Dorf zurück müßt." Er faßte ihre Hände und beschwor sie, seine Iürfprechcrin bei den Klosterfrauen zu sein. Nachdem feine träge Phantasie einmal begonnen hatte, ihre Schwingen zu entfalten, flog sie beharrlich fort und trug ihn immer höher empor. Ein so ousgezeichnetcr Knecht wollte er werden, daß die Beförderuirg zum Ausscher und dann zum Maier nicht lange auf sich warten lassen könnte. Von dein Geld, was er verdiente, wollte er daheim im Dorf ein Haus für die Mutter bauen. Die sollte nur dort wohnen, er blieb in der Nähe seiner Schwester, und wie er sie heute sah und sprach, so würde er sie dann sehr oft sehen und sprechen, und wenn das sein könnte, dann wäre er glücklich, wäre brav, aus wäre es mit der Schlechtigkeit, mit der Dicherei. aus mit der— Pavel ballte die Faust gegen ein unsichtbares Wesen: mit der Vinska, wollte er sagen, doch überkam es ihn, als dürfe er den Namen in Gegenwart seiner Schwester nicht aussprechen. Das Kind schmiegte sich an ihn, machte keine Einwendung, hörte seiner Erzählung wie dem schönsten Märchen zu. und setzte manchinal noch ein Licht auf in dem freundlichen Bilde, das er entwarf. „Ja, Du wirst der Maicr sein, und ich die Heilige!" hatte die Kleine wen freudig ausgerufen... da ertönte laut und lange fortgesetzt, aus der Ferne erst, dann näher und näher -der Schall einer Glocke. Milada seufzte tief auf, «Das Zeichen," sagte fie. „Was für ein Zeichen?" „Daß Tu fortgehen mußt." ..Ich geh aber nicht! Du hast ja selbst gesagt, daß ich hier bleiben kann," rief Pavel, und die Kleine erwiderte be- stürzt: „Was fällt Dir ein? ich darf so etwas nicht sagen." Nun beganir es dicht vor der Tür zu schellen, sie wurde geöffnet, die Pförtnerin ließ sich blicken, sprach nicht, setzte aber die Glocke, die sie in der Hand hielt, in immer heftigere Bewegung. Zugleich erschien» eiligen Schrittes Schwester Pbilippine und rief Pavel zu:„Die Sprechstunde ist aus. höchste Zeit, empfiehl Dich, vorwärts, vorwärts I" Er gab keine Antwort und gehorchte auch nicht. Die Klostcrdicncrin wiederholte ihre Mahnung: Pavel aber, den Kopf gesenkt, mit den Fingern einer Hand die der andern pressend und zerrend, blieb auf feinem Sessel sitzen. Die Pförtnerin rief eine zweite Laienschwester herbei, gab auch ihr Befehl, den zudringlichen Bursthen fortzuschaffen, und winkte Milada. das Zimmer zu verlassen. Die Kleine zögerte. Da Jfgm die Nonne auf fie zu und griff sie beim Arme: „Sie gehen hinauf in die Klasse," sprach sie mit äußer- stem Bemühen das Beben ihrer Stimme zu verbergen und den schüchternen Widerstand des Kindes mit Sanftmut zu besiegen. Doch funkelte Unwillen aus ihren dunklen Augen, und die leisen Worte, � die sie dem Klosterzögling zuflüsterte, schienen, nach dem Eindruck zu schließen, den sie hervor» brachten, nicht eben gütige zu sein. Die Kleine lauschte ihnen mit gespannter, angstvoller Aufmerksamkeit:„Leb wohl. Pavel! leb wohll" und eilte hinweg. .lLortsctzung solgt.L lNaSdnick cwJsrc.x) Der 6emeinde-Hlte. Von M. K o n o p n i ck a. (Schluß.) Im Saale bricht eine Heiterkeit loS; die einen lachen gutmütig, bis anderen boshaft, indem sie auf den Tödi-Mayer blicken. Die Mitleidigsten drehen mit den Köpfen und lächeln unmerklich. „Ecce homo!" ruft der Kesselschmied Kißling, dessen Druder Ausseher in der Kantonalbibliothck ist und ihm unentgeltlich Bücher zun. Lesen bringt. Mit einer hellen Lachsalve wird dieser Vergleich aufgenommen. Die Majorität glaubt, das sei eine Anspielung auf den Gipfel, der sich hinter dem Großen und dem Kleinen Mythen erhebt und im Gegensatz zu dem knorrigen Pilatus Ecc-e homo genannt wird. In der Versammlung gibt es welche, die diesen Berg aus der Nähe gc- ßehen haben. Ter Alte hatte freilich keinerlei Aehnlichkcit mit irgendwelchem Berggipfck, aber deshalb ist die Sache um so komischer... bei Gott, um so komischer. Rur der Tödi-Mayer nimmt keinen Anteil an der allgemeinen Heiterkeit. Seine runden, hervorstehenden und glänzenden Augen prüfen die Gestalt des alten Bettlers, als wollten fie jeden seiner ausgetrockneten und zitternden Knochen für diese große Eni-- täuschung verantwortlich machen. Mit diesen Augen durchbohrt er ihn wie einen falschen Groschen, schüttelt er ihn durch wie einen alten Fetzen, und durchforscht ihn bis zum kleinsten Acderchen, bis zum leisesten Atemzug seiner Brust. .Ich ziehe mein Wort zurück!" ruft er schließlich..So wenig kann ich nicht nehmen!" „Sein Wort darf man nicht zurückziehen!" ruft der Rat ernst. .Warum darf man nicht?. Der Amtsdiener hatte ja noch nicht zugeschlagen." „Nein, er hatte noch nicht zugeschlagen!" bestätigen einige Stimmen von der Galerie. Dann wird es plötzlich still. Alle sind gespannt, welche Wendung die Sache nehmen wird. Ter Herr Rat ist unzufrieden. Er blickt die Anwesenden düster an. furcht seine schöne Stirn und zieht bald das eine, bald das andere Ende seines Schnurrbartes herunter. „In diesen Lumpen kann ich den Bettler auch nicht sür hundert- und achtzig Franken nehmen!" ruft der Tödi-Mayer resolut und fühlt, daß er sich mit dem ganzen Publikum in llebereinstimmung befindet. „Ich würde ihn nicht für zweihundert nehmen!" unterstützt ihn Gevatter Spengler. „Was, zweihundert? Zweihundertundzchn wären auch nicht zu viel!" fügt der Gastwirt von Mainau hinzu. Der alte Wunderli hört, und in ihm erstirbt die Seele. WaS soll daraus werden? Was soll aus ihm werden? Vielleicht wird! keiner ihn nehmen wollen. Warum fordern sie alle so viel GcldA Warum so viel?... Große Unruhe und Verwunderung spiegelt sich auf seinem aus« gemergelten Gesicht. Immer höher zieht er seine weißen Brauen empor, während er zur Erde blickt, und der Kopf fällt immer schneller bald auf den einen, bald auf den anderen Arm. „Nun, Herr Tödi-Mayer?" ruft der Beamte in der Absicht, zu vermitteln.„Machen Sie keine Epäße, kommen wir endlich ans Ufer, meine Herren." „Gut!" ruft der Schlossermeister energisch.„Ich will ihl» nehmen, aber für runde zweihundert." „Aber wo, aber waZ?" ruft der Beamte, gänzlich die Gedultt verlierend.„Wie kann die Gemeinde solche Summen auswerfen?! Denken Sie etwa, meine Herren, daß die Gemeinde im Golde wühlt? Nein, meine Herren, die Gemeinde wühlt nicht im Golde. Die Gemeinde muß rechnen. Die Gemeinde hat Ausgaben, ach. große Ausgaben. Die Barmherzigkeit, meine Herren. ,st für die Gemeinde eine heilige Sache, aber auch in der Ausübung der Barm- Herzigkeit muß Maß gehalten»Verden ." Noch bevor der Herr Rat die letzte Silbe gesprochen, öffnet sich die Türe weit, und herein tritt Propst. Er ist ein stark gebauter Mann mit festem Nacken und breitem, rotem Gesicht. Seine braune. ausgeknöpfte Jacke zeigt eine mächtig entwickelte Brust und darüber eine dicke Silberkette. Unter der fetten, niedrigen Stirne leuchten kleine, scharfe Aeuglcin; das rötliche, krause Haar»nächst ihm tief in die Schläfen hinein. Probst tritt selbstbewußt und keck auf und fuchtelt mit seinen herabhängenden Armen, deren Fäuste geballt sind. Aber er braucht sich nicht erst einen Platz zu erobern, denn ein jeder weicht vor ihm zur Seite, mit einer Art von Ehrfurcht. Ein hochgewachsener, starker Mann, mit düsterem, herausforderndem Blicke. Mit einem solchen ist es besser, nicht anzufangen. Probst tritt an das Geländer heran, verbeugt sich vor dem Beamten und grüßt topfnickend einige der Anwesenden. Der Herr Rat möchte verzeihen. Er habe sich verspätet, aber es sei nicht seine Schuld. Dieser vermaledeite Knecht, den er nach dem Hänzli aufgenommen, sei, wie ihm zum Possen, krant ge- worden. Probst mußte heute selbst die Milch ausführen, und das ist eine verteufelt lange Strecke, geht bergauf, bergab... Der Herr Rat hört kopfnickcnd zu: die Gegrüßten lächeln wohl« wollcrid und drehen die Köpfe. »Selber die Milch ausführen gemußt!,,. Na. nal Eine lange Strecke... Hm, hm..." Durch das offene Fenster hört man daZ laute Bellen des HundeS, den alle kennen: dreimal des TagcS bringt er Milch in einem Wagen, der mit hohen Blechgefäßen angefüllt ist. Probst hat einen schönen Viehstall. Ja, einen sehr schönen Biehstall. Und plötzlich überkommt sie alle ein Gefühl der Hochachtung für diese mächtigen Tatzen und diesen feisten Nacken. Spengler wendet sich vom Tödi-Mayer ab und blickt auf Probst. Der Schlosser- meister fühlt sich schon durch die bloße Ankunft des MilchmeierS geschlagen. Er blickt anscheinend gleichgültig bald auf den einen, bald auf den anderen der Anwesenden, im Grunde aber tut es ihm leid, daß er den Handel nicht abgeschlossen. Na, übrigens, wollen sehen, was da kommt! Aber Probst verliert keine Zeit. Er stemmt seine geballte Faust gegen daS Gitter, reckt den dicken Hals, und sich das gelbbcwacbfcne Kinn zupfend, zwinkert er mit den grauen Aeuglein und schießt prüfende Blicke auf den Alten, wie aus dem Lause einer Flinte. Kißling und Tödöli stoßen sich mit den Ellbogen. Wie per blickti Mie dieser Teufelskerl blicktl Ein jeder haj
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28 (20.4.1911) 76
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