Speck entsagen und sich mit getrocknetem Fisch und Mehlsuppebegnügen. Und wenn eS sein mußte, konnte er auch ohne Klagetrotz des strengen Winters den Kachelofen entbehren, der seinemKörper sonst so gut tat. Ja, und er konnte auch— wenn auchschweren Herzens— Jens Himmelreichs Diplome entbehren.Aber Jens selber... Jens...Es bedrückte und quälte sein Herz, wenn er sich Jens Himmel-reich in anderen Händen vorstellte.Ann-Sofi sagte sich im stillen:„Er ist ja doch nur ein Tier!Er ist ja doch nur ein Tierl" Aber das half nicht das geringste,denn dieses Tier war ja nun einmal ihr Augapfel. In der Dämme-rung pflegten Kren und Ann-Sofi Hand in Hand einen kleinenAbendspaziergang zwei- bis dreimal im Hof herum zu machen, umsich Appetit auf den Milchbrei und Krens Wendschnaps zu holen.Dann wurde es Schlafenszeit, sie sagten dem Jens HimmelreichGutenacht und schliefen ein. Das war so eine Art Gewohnheitgeworden.Aber an diesem Tage blieben sie sitzen und ließen die Dunkel-heit über sich niederrinnen wie einen Regenschauer, ohne eine Handzu rühren. Sie hätten bis in die schwarze Nacht, ja bis zur Mitter-nachtsstunde so sitzen bleiben können, wenn nicht Jens Himmel-reich auf einmal gewaltig zu brummen angefangen hätte. Fastalß ob auch er ihnen zürnte.(Schluß folgt.)Wegelagerer.TS gibt jetzt Anti-Lärmdereine und eS wäre wünschenswert,wenn sie etwas erreichen würden. Man braucht dabei gar keinAnwalt hysterischer Empfindsamkeit zu sein. Denn es gibt aucheinen Lärm, der— für mich wenigstens— fast ans Vergnügengrenzt. Hämmernden Schmieden zuzuhören oder dem rhythmischenKlang des Dreschflegels ist eine direkte Anregung.ES gibt aber einen viel gefährlicheren Lärm in unserem Zeit-akter des brausenden Verkehrs, als den lauten, nämlich denstummen.Früher machte er sich nur in den Zeitungen breit in Form vonInseraten und Reklamen, die in stillem Wettbewerb untereinandermöglichst viel Aufmerksamkeit zu erregen suchten. Dagegen konnteman sich gut schützen. Man las sie einfach nicht. Dann kletterteder stumme Lärm aus den Zeitungen auf die leeren Giebelseitender Häuser hinauf; da knallte es den Augen rot, grün und blauentgegen. Aber auch da konnte man wegsehen. Wer es vermochte,rettete sich für einige Wochen vor diesen und anderen Aufdring-lichkeiten ins Gebirge. Der stumme Lärm reiste aber nach undsetzte sich protzig auf Felsen und Bergwände. Man ärgerte sich undsä)impfte laut, wenn man dem frechen Gesellen auch in den stillenTälern begegnete, ober er konnte einem nicht nachlaufen. Manhatte ihn bald hinter sich, und in manchen Gegenden wurde ersogar polizeilich davongejagt. Der stumme Lärm aber besitzt dieZähigkeit und Erfindungsgabe alles zielbewußten Gesindels undlegte sich endlich da auf die Lauer, wo man ihm mit dem bestenWillen nicht mehr entgehen konnte.Die einzige Möglichkeit für viele Menschen unserer hastigenZeit, die Welt außerhalb des Steinmeeres der Städte zu sehen, istda? Eisenbahnfahren. Besonders im Frühling, wo die Augen durchden farblosen Winter hungrig geworden sind nach tröstendem Grünund freudigem Rot und prunkendem Gelb, ist es ein billiger undreicher Genuß, behaglich in der Ecke eines Eisenbahnwagens sitzend,durch die großen Fenster die wechselnde Landschaft mit den er-wachende» Wäldern und Feldern an sich vorüberziehen zu lassen.Die Menschen der Städte, die nicht gerade abgebrüht sind durchvieles Reisen müssen, bekommen im Eisenbahnwagen vielruhigere und frohere Gesichter, ohne daß sie sich der Ursache bewußtsirtd. Sie sehen wieder einmal der Natur in die Augen und ihreAugen beginnen wieder zu leuchten. So fuhr ich dieser Tage aufeiner der schönsten Eisenbahnstrecken Deutschlands, von Basel land-abwärts. Links lag die Rhcinebene, rechts stiegen die wechselvollenZüge des Schwarzwalds auf. Es war Abend und die Sonne ginghinter dem Kaiserstuhl unter; aber wenn die Linien des kleinenGebirgsstocks sich abwärts senkten, ging der rotglühende Ball fürdie im Zug Sitzenden wieder auf. Eine wahre Feierstimmung be-mächtigte sich der im Coupe zusammensitzenden Reisenden. Aberso schnell raste der Zug nicht, daß nicht ein mehrere Meter langesund hohes Brettergestell uns in großer Schrift den Namen i.Jas-matzi" hätte an den Kopf werfen können. Es war etwa so, wiewenn in einem Symphoniekonzert während einiger großer feier-licher Takte plötzlich ein Betrunkener laut gejohlt hätte. Und allepaar Minuten grinste wieder dieses ekelhafte Wort„Jasmatzi",das mich, ich weiß nicht warum, an einen schlecht riechenden tür-tischen Feldwebel erinnert, zum Fenster herein. Brutal stand dasriesige Gestell mit der aufdringlichen Zigarettenrcklame dicht ander Bahnlinie auf Wiesen, die mit gelben Frühlingsblumen über-säet waren, oder auf braunen Feldern, aus denen das erste Gründer Spätsaat sproßte. Ob man wollte oder nicht, man mußte essich gefallen lassen, zu erfahren, daß Jasmatzi mehrere Sorten vonhochfeinen Zigaretten hat,„Unsere Marine" zu 2 Pf.,„Elmas" zu4 und 5 Pf. Und je nach der Preislage glotzte in UeberlebenSgrögeausgeschnitten der Oberkörper entweder eines Matrosen oder Rekruten oder eine? Sportgigerls oder Kavaliers über das dreisteReklamebrett, und dahinter ging die ewige Sonne unter, davorästen Rehe, die sich auf den Abend aus dem Wald herausgetrauthatten.Aber Jasmatzi ist nicht der einzige Reklamewegelagerer, de«uns auf dem Wege auflauert. Da schreit das„Kunerol" hrcein,es sei das beste Speisefett der Welt; der„Champagner Mercier"versucht uns durch riesige Flaschen das Maul wässrig zu machen,ein halbes Dutzend Kakaos und Schokoladen wollen uns das Lebenversüßen, und nur im Interesse der Gesundheit unserer Kinderpiepst„Hohenlohe", das beste Hafermehl zu besitzen. Die zwei fasthaushohen Flaschen Markgräfler, die der Herr Reichstagsabgcord-nete Blankenhorn bei Müllheim vor dem Zug aufgestellt hat, sindKinderspiele gegen diesen stummen Krakeel. Wenn wie dort imMarkgräslerland ein so bitterer Kelch nur einmal kredenzt wird,kann man es sich zur Not gefallen lassen. Es geht vorbei. Aber„Jasmatzi", die„Osramlampe", das„Neue Auerlicht" und ähn-liche Ruhestörer längs der Bahnlinie können uns das Vergnügen,die Welt noch einmal unberührt in ihrem einfachen Glanz zwsehen, für immer verekeln.So wie auf dieser Strecke liegen die Dinge auf allen großenEisenbahnlinien Deutschlands. Ob man von München nachDresden fährt, oder von Frankfurt nach Leipzig, oder von Berlinnach Hamburg, überall liegen diese Schreier aus Brettern undOelfarbe neben der Strecke, brüllen uns die wunderbaren Wortedes neuesten Reklamedeutsch entgegen und vcrklexen mit häßlichenFlecken die Vordergründe der Landschaft. Mit einer Intelligenz,die einer besseren Sache würdig wäre, versuchen sie durch allerhandTricks die Aufmerksamkeit zu erregen, vor allem durch Mitteilungder Kilometerzahl, die die Entfernung nach den großen End-stationen der Strecke beträgt. So verkeltern sie noch Wissenschaft-liches Interesse in ihren Reklamemost, und von Zeit zu Zeit teilteine ganz große Tafel mit, welches Institut in Berlin diese Kilometerreklame vermittelt.Und alles dies nur Anfang. Wenn die Regierungen nichtenergisch einschreiten, dann werden wir in wenigen Jahren nichtmehr anders Eisenbahn fahren können als zwischen Alleen vondröhnenden und marktschreierischen Reklamen, und das Eisenbahn-fahren wird zu einer Qual werden. Der einzelne aber hat vorerstnur eine Art der Selbsthilfe gegen die Aufdringlichkeit dieser raffi-nierten Ruhestörung. Ich hatte einen Freund, der ein Dichter undein armer Teufel war. Die Frauen seiner Bekannten brachten ihmoft in der schonendsten Form freundlicher Geschenke das nötigstefür des Leibes Atzung. Einmal bekam er auch einige Pakete Leib-niz-Biskuits. Er nahm sie nicht. Warum? Die Berliner nächt»liche Lichtreklame hatte ihm in grellen Feuerzeichen das Wort sooft in seine kranken empfindlichen Augen geworfen, daß er die ein-zige Rache übte, die er üben konnte. Er wurde Nichtkonsument vonLeibniz-Biskuits. Gehet hin und tuet desgleichen mit Jasmatzi,der Osramlampe und dem besten Speisefett der Welt.Die Regierungen aber mögen beizeiten zusehen, wie sie da ingrößerem Stil abhelfen. Ein joder fidele Kumpan, der etwas überden Durst getninien hat und auf offener Straße Harmonika blästoder laut singt, fällt dem nächsten Polizisten zum Opfer wegenRuhestörung. Es ist aber nicht einzusehen, warum diese neuesteorganisierte stumme Ruhestörung, die das Behagen und die Freudeder Augen nicht aufkommen laßt, nicht ebenso behandelt werdensoll. Denn es ist grober Unfug in dreistester Form._ Anton F e n d r i ch.Kleines feullletonEine Bergarbeiter-Revolte während der französischen Revolution.Wie überraschend schnell die bürgerliche Revolution auch das prole»tarische Bewußtsein zur Reife brachte, zeigt die Geschichte der Berg«arbeiter-Erhebung von Littry im Jahre 1?ö2, über die der„Temps"nach einer auf Grund bisher unverwerteter Dokumente von GastonLavalley verfaßten Schrift interessante Mitteilungen macht. ImMai 1792 wurde ein junger Bergarbeiter der Grube von Littry.«mDepartement Calvados, der während seiner Arbeit auf einem Feldeeinige Tauben geschossen hatte, vom Feldhüter der Madamede Montfiqnet, der Schloßherrin von Rubercy. der die Tauben ge-hörten, durch einen Flintenschuß niedergestreckt. Als die Gendarmerie, diezur Untersuchung des Falles ins Dorf gekommen war. wieder abzog,ohne den feigen Mörder zu behelligen, stellten die Kameraden deSGetöteten selbst eine Untersuchung an. bei der sie feststellten, daß,die edle Dame dem wohlgeplanten Mord aus dem Fenster zugesehenund dem Mörder hernach das für die Unschädlichmachung von Wild-schützen zugesagte Schubgeld von 100 Talern ausgezahlt hatte. DieBergarbeiter beschlossen daraufhin, der lahmen Justiz zu Hilfezu kommen und selbst Sühne für dir Untat zu erlangen.Am 10. Mai traten sie in den Streik und zogen ins-gesamt. 300 an der Zahl, vor da« Schloß von Rubercy.Die Schloßherrin hatte das Weite gesucht. Die Bergleutebeschlossen nun, daß das HauS sür die Herrin zahlen solle Daman ihnen gesagt hatte, daß die Möbel'ücht der Madame de Moni-fiquet gehörten, trugen sie fie mit großer Vorsicht auf einen ab-gelegenen Platz. Dann ließen sie vom Bürgermeister konstatteren.daß daS Haus leer sei und steckten es in Brand. Zugleich richtetenfie unter den Hühnern. Tauben und Karinchcn der Aristokratin emBlutbad an, und zerstörten den Garten, sc daß bald von der feudalen