f- Jabels Gesicht halte sich gerötet wnS sah förmlich an­keschwollen aus: nm seinen Mund zitterte es. als ob er in Tränen ausbrechen wollte; mit vieler Mühe würgte er das Geständnis hervor, daß er entschlossen sei, von heute an ein neues Leben zu beginnen, wie er es am Morgen seiner Schwester Milada habe versprechen müssen. Nun entsetzte sich der Lehrer noch mehr und lachte grimmig. Das war das Rechte, das hatte der Junge gut gemacht vernünftig ge- wollt, unsinnig gehandelt, weiß beschlossen, schwarz getan. Mötzlich griff er sich an den Kopf und stöhnte im tiefsten Schmerz auf.Dummer Kerl, armer Teufel, ich kenn das I ich könnte etwas davon erzählen, ich aber Dir noch nicht," unterbrach er sich und fuhr mit dem Zeigefinger dicht vor Pavels Nase hin und her, als er sah, wie dieser in tiefer Spannung aufhorchte.Das ist keine Geschichte für Dich, jetzt noch nicht, später vielleicht einmal, wenn Du gescheiter geworden bist und Wunder. Jetzt kriegst Du die Wunden erst, aber Du spürst sie noch nicht oder oberflächlich, vorüber- gehend: warte, bis sie sich werden eingefressen haben dann wirst Du an mich denken, dann im Alter. Dann wirst Du wissen: das ist das Aergste, im Alter leiden um einer Jugend- torheit willen. Nicht einmal groß, tausende haben Schlim- meres getan und leben in Frieden mit sich und mit der Welt. Ilebermut eine närrische Prahlerei kaum eine Lüge, und doch just genug, um eine Hölle dadrinnen anzufachen." Er klopfte sich mit der Faust aus die eingedrückte Brust, sank auf den Sessel zurück, warf sich über den Tisch und vergrub den Kopf in die verschränkten Arme. So lag er lange wie von Fieberfrösteln durchriefelt, und Pavel betrachtete ihn mit- leidig und wagte nicht, sich zu rühren. Was tat denn der Herr Lehrer?-.. schluchzte er? war es der Krampf eines unauf- haltsamen Weinens, was diesen gebrechlichen Körper so er- schlltterte? Du lieber Gott, worüber kränkte sich der Mann? Worin bestand das Unrecht, das er in seiner Jugend begangen hatte, und das ihn im Älter nicht mehr froh werden ließ? ... Neugier war sonst Pavels Sache nicht, das Geheimnis des Lehrers aber hätte er gern ergründet. Und geholfen hätte er ihm auch gern, ihm und sich selber mit. In welcher Weise war ihm schon eingefallen; es gab ja heute einen solchen Sturm und Sturz von Gedanken in seinem Kopf, daß er sie «ordentlich sausen und krachen hörte. /Fortsetzung folgt.)! (NaSdruck verloien.1 Jens k>immelreick. Von Karin Michaelis . Uebersetzung von H. Kiy. (Schluß.) Da zündeten sie die Lampen an und aßen zu Wcnd. Ann-Sofi wollte gerade die Schürze ablegen, um sich zu Bett zu legen, als Kren sehr weich sagte: Er lamentiert ja ganz gefährlich I" Ann-Sofi verstand die Weise recht gut, und obwohl sie schon die Schuhe ausgezogen hatte, ging sie, ohne ein Wort zu verlieren, mit Kren in die Küche, wo die Katze in der Asche saß und ihre falschen Augen funkeln ließ. Bon der Küche führte eine Tür in die leere Scheune hinaus, die wiederum an den Stall stieß. Das war ein so leichter Weg in Regen und Kälte. Jens Himmelreich wurde schnell ruhig und fromm, als sie ihn, jeder von einer Seite her, krauten und ihm gut zuredeten. Ann- Sofi tastete im Dunkel umher, bis sie Krens Hand zu fassen de- Zam. Sie drückte sie fest, aber Ären sagte mit kläglicher Stimme: Ich kann's nitl Ich kann's nitl Und wenn ich auch ewig in der Hölle dafür braten muß ich kann mich nit von ihm trennen!" Ich auch nicht", sagte Ann-Sofi. Am nächsten Tage setzte Kren sich hin und schrieb einen Brief on den Sohn, worin er ihm ausdrücklich erklärte, Jens Himmel- reich sei ihm selbst und Ann-Sofi ebenso teuer wie ihrer Seelen Seligkeit. Ann-Sofi schauderte, als sie Kren diesen Brief laut vorlas. Denn nun stand es ja schwarz auf weiß auf dem Papier fast als hätten sie sich dem Teufel verschrieben. Auf den Brief bekamen sie keine andere Antwort als ein Stück weißes Papier, auf dem die Worte standen:Gott der Herr läßt feiner nicht spotten. Euer Sohn Kristian Fredrik." Kren Pappel starrte den Weg entlang. Er zitterte am ganzen Körper, als er zwei Männer mit einer bunten Kuh herankommen fah. Die Kuh sprang bald umher wie ein Ziegenbock und stand bald ßejt wie ein Heckpfahl. �Neinl" sagte er, preßte die Lippen zusammen und ballte die Fäuste. Er glng den Leuten entgegen und sagte ihnell, tote H« Dinge lägen und daß nichts daraus werden könne. i Aber warum denn nicht?" fragten sie.> Jäh... weil... und.,. nein, daraus wird nie mehr etwas werden!"' Da fragten sie, ob er den Verstand verloren habe, und klopftet? gegen seine Stirn, als wäre das ein Eingangstor, durch das sie hindurchwollten. Sie schalten ihn fürchterlich aus, und dann zogei» sie wieder mit ihrer Kuh von dannen.' Aber im Stalle stampfte Jens Himmelreich umher und tuet so wild, daß sich der Knecht ihm nicht nähern konnte. Kren mußte selbst hinein, um ihm gut zuzureden, und während er redete, über« mannte ihn das Schluchzen.> In der Nacht war es ganz schlimm mit Jens. Er sprang an seinen Ketten umher und schlug mit der Stirn um sich, so daß der ganze Stallflügel dröhnte. Er heulte wie ein Dampfer im Nebel; er schrie wie eine Frau in Kindsnöten...' Ann-Sofi verkroch sich unter der Decke. Es kam ihr plötzlich so vor, als wäre Jens Himmelreich vom leibhaftigen Teufel besessen. Der kalte Schweiß brach hervor. Und nun... nun... es klopfte an die Wand zur Kammer. Kren Pappel, der der Wand zunächst lag, schritt über Ann- Sofi weg:Ich glaube, ich gehe hinaus und suche ihn zu be» sänftigen l" Dann zog er sich an, fuhr in die Holzschuhe hinein und klapperte ab. Ann-Sofi lag und lauschte. Der Lärm hielt an. Dann wurde es ganz still. Ann-Sofi faltete die Hände. Sie lächelte bei dem Gedanken, wie gut Kren es doch verstehe, ihn zu beruhigen und zu liebkosen und ihm die Stirn zu krauen l Den Jurtgxn, den hatte sie ja selber zur Welt gebracht, und er war von ihrem Fleisch und Blut und bald ein großer Mann. Aber er blieb nicht im Neste, sondern flog mit den Wildgänsen fort. Jens Himmelreich dagegen, der hatte leine Familie und keine Freunde, er hatte nur sie allein.... Diese Stille... es war fast wie in der Kirche, wenn der Pfarrer auf dem Stuhle stand und auf sie niederschaute. Nein, jetzt stampfte er doch wieder... Ann-Sofi lächelte, das erinnerte sie an die Zeiten, als sie und Kren trotz all ihres Elends bei Festlichkeiten tanzten und sprangen... und Kren, er konnte den russischen Tanz, bei dem er sich fast auf den Boden setzte, während die Beine wie Mühlenflügel flogen. .... Aber das dauerte doch entsetzlich lange!... Kren war doch wohl nicht da draußen eingeschlafen... Das würde ihm ähnlich sehen. Sie wartete noch ein wenig, warf einen Unterrock über und ging hinaus. In der Küche verweilte sie, um einen Schluck Wasser zu trinken. Während sie ihn hinunterschlürfte, fiel eS ihr auf, wie sonder» bar nahe einem der Lärm vorkam, als ob Jens Himmelreich in der Scheune wäre. Aber in den Stunden der Nacht irrte der Laut ja stets so sonderbar wild umher. Das Rascheln einer Maus im Bettstroh konnte sich anhören wie das Schleichen einer Katze auf dem Speicher, und wenn die Eule im Schornstein trippelte, so hätte man einen Eid darauf leisten können, daß in den Saal Ge» sindel eingedrungen sei. Sie öffnete die Sckeunentür ein wenig. Jetzt war es da drinnen so friedlich und still, und der Mond schien so fromm durch die kleinen Scheiben daS gab einen Schein wie weißer Dampf. Nun schloß sie die Tür fest hinter sich der Ratten wegen. Aber bevor sie mitten in der Scheune war, hatte Jens Himmel» reich sich aus sie gestürzt... Als es Tag wurde und der Knecht erwachte und sah, was ge­schehen war, da blieb ihm nichts anderes übrig, als zum nächsten Gehöft zu rennen und um Hilfe zu rufen. Und die Leute kamen mit ihren Flinten, am ganzen Leibe zitternd; denn so Furchtbares war seit Menschengedenken in dieser Gegend nicht geschehen. Durch die kleinen grünen Scheiben in der Scheune konnte ein jeder zu Jens Himmelreich hineingaffen, der wild umhertrabte. Von Zeit zu Zeit hob er den Kopf hoch und knallte mit der Stirn gegen die Erde! während er die Beine spreizte, so daß der Dreck um ihn herumstob. Die Schützen gaben sich redliche Mühe; aber ihn zu treffen war fast ebenso schwer, wie beim Karussellfahren den Ring zu erhaschen. Dennoch wurde er bald hier bald da angeschossen, und zuletzt sank er um, um sich nie wieder zu erheben. Darauf sammelte man die armseligen irdischen Ueberreste von Kren Pappel und Ann-Sofi. Das niederträchtige Vieh war sehr garstig mit seinem Brotherrn und seiner Hausmutter um» gesprungen. Dem Pfarrer viel die Aufgabe zu, nach dem Festlande zu schreiben und den Sohn von dem Unglück zu unterrichten, sowio ihn zum Begräbnis zu bitten. Die Zeitungen veröffentlichten Jen? Himmelreichs Bild mit dem Ring durch die Nase und entwarfen spaltenlange Schilderungen von seinem Leben von Anfang an bis zu seinem traurigen Ende. ES widerfuhr ihm großes Lob, aber für seine letzte Tat erntete er auch viel Tadel.