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Heit des Gerichtschemifers nahm fein Stellvertreter, ein sehr Bubersichtlicher junger Mann, die Analysen in höchst eleganter Weise vor und konstatierte schlankweg die Anwesenheit von Gift im Magen und in den Eingeweiden des Toten. Da gab es für Babel eine Reihe böser Lage, doch blieb er standhaft und benahm sich vor dem offiziellen Richter genau so, wie er sich beim Verhör daheim im Dorfe benommen hatte. Seine Leiden nahmen ein Ende bei der Rückkehr des Gerichts­chemikers, der die Arbeiten seines grünen Rivalen einer Prüfung unterzog, ihre Mangelhaftigkeit dartat und im Ein­verständnis mit dem Amtschirurgen dem Kreisphysikus un­widerleglich bewies, der Bürgermeister sei nicht an Gift, son­dern an seiner Krankheit gestorben.

Fast unmittelbar darauf erfolgte Pabels Freisprechung and seine Entlassung aus der Haft. Peter, sein Hauptanklä­ger, wurde in die Kosten verurteilt.

Am legten Sonntag, den Pavel in der Untersuchungs­haft zubrachte, hatte Habrecht die Erlaubnis erhalten, ihn zu besuchen. Der Lehrer war tief bewegt beim Wiedersehen.

" Zwei Monate im Arrest!" rief er aus, so weit haft Du's gebracht, Du Feind Deiner selbst. Pavel, Pavel! viel Böses haben die Menschen Dir schon getan, aber feiner von ihnen so viel wie Du Dir selbst." Er fragte ihn, was er denke in den langen einsamen Tagen und Nächten.

Nicht viel; in der Nacht schlaf ich und bei Tag arbeit ich, sie haben mir Werkzeug geliehen," erwiderte Pavel und holte unter seinem Bett das Modell eines Hauses hervor. Sein zukünftiges Wohnhaus, das er im Kleinen äußerst genau her­gestellt, mit Fenstern und Tür und strohgedecktem Dache. Ein merkwürdiger Kontrast, der Bursche mit den groben Händen und diese zierliche Arbeit. Er hatte das für seine Schwester Milada gemacht und bat Habrecht, es mitzunehmen und ihr zu schicken; bat den Lehrer auch, ihr zu schreiben, seine Schwester solle wissen, daß er unschuldig jei. Sabrecht ver­sprach es zu tun, verschwieg aber, daß er zwei umfängliche Briefe an die Frau Oberin gerichtet hatte, in denen die Sach­Tage gewissenhaft und mit ehrlicher Breite dargelegt wurde, und Bavel so rein erschien wie ein Osterlämmchen aus Zucker. Beide Sendschreiben waren in Form und Inhalt Muster von jener Höflichkeit, die sich nie genug tut, weil sie einem unstill­baren Herzensbedürfnisse entspringt. Leider jedoch hatte sie zur Nachahmung nicht angespornt: Habrechts Briefe waren unbeantwortet geblieben.

Es war gegen Ende Januar, der Tag mild, der Schnee begann zu schmelzen, schmale, braune Bäche floffen die Ab­hänge herab. Trübselig schielte die Sonne durchs weißliche Gewölf, die entlaubten Bäume an der Straße warfen bleiche Schatten auf den sumpfartig schimmernden Feldweg, an dessen Rand Pavel dem Dorfe zuschritt.

In seiner Haft hatte er oft gemeint, wenn er nur wieder ins Freie kommt, an die Luft, wenn er sich nur wieder regen darf, dann wird alles gut. Nun war er frei, wanderte heim, aber gut wollte es nicht werden. So öde, so kahl, so freudlos wie die Landschaft in ihrer winterlichen Armut, lag die Zu­Tunft vor ihm.

Sein erster Gang im Orte war der zur Hütte des Hirten. Von dem Herd im Flur hatte man den Kram, der ihn früher bedeckte, abgeräumt. Vinska fniete am Boden und schürte das Feuer, das hell und lustig brannte. Schweigend, ohne sie an­zusehen, schritt Pavel an ihr vorbei, geraden Weges in die Stube. Virgil und sein Weib schrieen auf, als er vor ihnen erschien; die Alte bedeckte ihr Gesicht mit der Schürze, der Greis hielt dem Eintretenden, wie ein Beschwörer dem Satan, den Rosenkranz entgegen und zitterte dabei am ganzen Leibe; Babel aber freuzte die Arme und sprach:

Spizbub, Spitbübin, ich bin wieder da, und eine Schrift darüber, daß mir das Gericht nichts tun darf, hab ich in der Tasche. Daß Ihr mich jetzt in Ruh beim Lehrer lagt, das rat ich Euch, sonst gehts Euch schlecht. Angewachsen ist mir die Zunge nicht. Das hab ich Euch sagen wollen," schloß

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er, wendete sich und ging.

Sie blidten ihm betroffen nach. Der hatte sich verändert In den zwei Monaten!... Als ein Bub war er fortgegangen, als ein Bursche kam er heim; gewachsen war er und dabei nicht schmäler geworden.

Fortsetzung folgt.]]

Nachdrud perboten.]

Der Schutzpatron.

Ein Scherzo von S. Bruno Ganake Sonnenheiß wand sich der schmale, graue Weg von Rapallo  nach Albino empor, an verfrüppelten Delbäumen vorbei, an breiten fich der Himmel über der Erde aus, und das brennende Licht der Kastanien und buschigem Lorbeer. In blendender Bläue spannte Sonne ergoß sich über das schweigende Land, sog alle Wässerlein auf wie ein trodener Schwamm, glühte auf den Straßen und Wegen, tochte die Weinbeeren und reifte wie im Treibhaus Zitrone und Orange.

Still und berödet war der Weg. Jeht erhob sich dort, wo er die erste Beuge machte, eine Wolke von feinem Staub, und diese Wolke wuchs, dehnte sich und ward zu einer grauen Schlange, die langfant den Weg nach Albino heraufkroch. Unter dem breiten Schattendach wirbel streckten sich unter das Blättergrün zwei Männer und ein einer Kastanie schwand die Schlange, und aus dem letzten Staub Sund, ein fleiner schwarzer Pudel, in dessen kurzes, krauses Haav die Staubkörnchen sich so dicht geseht hatten, als sei auf ihm ein Mehlsad ausgeklopft worden. Die Männer rätelten sich in den tiefsten Schatten hinein, der Pudel legte den Kopf auf die Pfoten, schloß die trüben, braunen Augen, die die verstaubten Haarzotteln fast verdeckten, streckte die Zunge durch die Zähne und fiel in Schlaf Ein fluges Vieh, der Mummo! Schläft!" sagte Frizzi. Nuto nidte.

Kopf." Wenn nur die verfluchte hiße nicht wärel Hast Du noch " Schlafen ist jetzt das beste," Frizzi legte die Hand unter den was zum Trinken?"

Ruto reichte ihm die fleine Korbflasche. Behaglich fekte fie Frizzi an den Mund und ließ den roten Landwein gludsend den Hals hinab laufen. Er hätte nicht eher ein Ende gefunden, als bis er den letzten Tropfen genoffen, doch Nuto riß ihm die Flasche von den Lippen: Halbpart heißt's, und ich bin auch noch da." Er trant den Rest.

"

teilen ist. Die Hunde!" Er drohte mit der Faust nach Rapallo  . Frizzi lachte: Halbpart! Schöner Halbpart, wenn nichts gir Weggejagt mit Schlägen haben sie uns! Die Best über fie!" " Frizzi!" sagte Nuto vorwurfsvoll und bekreuzigte sich, doch Frizzi schrie noch einmal:" Die Best über sie!" Dann fragte er grollend, und sein feistes Geficht rötete sich vor Born: Kann man sich jetzt ehrlich durch Betteln nähren, Nuto? Ueberall nur Schimpf, Spott, Schläge statt Quattrini. Ich das ein Leben? Hat die Best ihre Herzen weicher gemacht? Gott   soll sie strafen!" Ex schüttelte seine dicke Faust.

" Das Fluchen hilft nichts!" sagte Nuto.

Natürlich hilft's nichts, aber das Herz macht's frei wie Afti und Berdiso." Er schnalzte." Wer jetzt ein Fiasto Afti hätte!" " Wenn wir überhaupt nur Wein hätten!" sagte Nuto und Klopfte auf die leere Korbflasche.

" Die Zeiten werden immer schlechter und die Herzen immer härter, troß der Pest, die Gott als Strafe der Sünder gesandt hat. Zwei Quattrini in ganz Rapallo  !" Frizzi grub zwei abgegriffene Münzen aus der Tasche und warf sie in den Sand. Den einen aus gutem Herzen, den anderen als Lohn für ein Mittel gegen Glied­reißen das nichts hilft." Er zudte die Achseln. Bir zwei au­fammen haben kein Glüd, wollen uns trennen, Nuto, und in vier Tagen treffen wir uns und teilen. Halbpart, hörst Du? Und ehrlich!"

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Ruto nidte und strich dem schlafenden Pudel über den Rüden. Wieviel Quattrini hast Du?" fragte Frizzi. Nuto warf drei zu denen Frizzis. Sind das alle?" fagte Frizzi lauernd.

Alle aus Rapallo  ," erklärte Nuto. Und sonst?" Frizzi septe fich aufrecht und streďte seine Hand gierig Nuto entgegen. Der neftelte ein Beutelchen unter dem faltigen Rock hervor:" Das gehört

mir!"

Frizzi riß ihm das Beutelchen weg: Halbpart!" schrie er, so daß der Sund schlaftrunten die Augen öffnete. Ruto griff mit beiden Händen nach der festgeschlossenen Faust Frizzis und preßte fie. Frizzi ließ das Peutelchen fallen und rieb sich fluchend das Handgelenk: Betrüger!' s ist kein Berlaß auf die Menschen!"

Nuto nahm aus dem Beutel einen Silberling und hielt ihn bor Frizzis Augen: Ehrlich verdient ist er!" Frizzi lachte höhnisch. Die Magnificenz Lorenzos gab ihn mir in Careggi, als ich seinem Lieblingsrappen Morello den wunden Knöchel geheilt hatte," fuhr

Nuto fort.

Aus Frizzis feistem Gaunergesicht fahen die Heinen Augen voll begehrlicher Andacht auf den Silberling:" Er selbst? Der Große?" Nuto nidte. Der Filz!" sagte Frizzi und spudte in den Sand: Einen Silberling nur!"

Ein Goldgulden war's, von dem ist aber nur der Silberling übrig!"

Wirf ihn zu den Quattrini!" schmeichelte Frizzi. " Nein. Ich halte ihn fest. Den letzten halte ich fest zum Anta denken an ihn, an den großen Lorenzo," sagte Nuto und neigte den Kopf tief, als stände er vor dem Medicäer. Er ließ den Silberling wieder unter dem Rock verschwinden. Der bringt mir Glüd. Den gebe ich nicht her. Nimm Du drei Quattrini, ich nehme die zwei, Das ist doch gut Halbpart für Dich."

Frizzi steckte drei Quattrini zu fich, Nuto nahm die beiden