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Das Schicksal wollte es, daß der in preußischen Provinz die Stimme des Priesters hallt schrill und heiser. Bald ist er vom Schmieren herumgeworfene angehende Musiker gar bald sich solidarisch Geiste besessen, der Geist redet aus ihm und in diesem verrückten mit den dauernden Elendsnöten des niederen Voltes" fühlen sollte, Bustande stellt er nun die einzelnen Handlungen dar, deren Er­daß Not, Schuldensorgen, häusliches Mißgeschick und künstlerisches füllung man wünscht, macht Versprechungen und gibt Prophezeiungen. Mißverstehen von nun an Stammgäste an seinem Tisch wurden. Durch den Priester treten nun die Zuschauer in Verbindung mit dem Aus Magdeburg , wo er als Musikdirektor die herrschende Opern- Geist, indem sie ihn berühren, sich an ihn flammern. Endlich stürzt misere ebenso gründlich kennen lernte, wie in Würzburg und Riga , der Medizinmann erschöpft zusammen, der Geist hat ihn verlassen, hatte er sich die schöne Minna Plasser, eine Proletarierstochter aus der Tanz ist zu Ende. dem Erzgebirge und begabte Schauspielerin, mitgebracht, die er als Der Schritt, in dem dieser Tanz ausgeführt wird, ist ein ein­Dresdener Hoffapellmeister heiratete. Die Affäre begann mit einem faches rhythmisches Sichfallenlassen von einem Fuß auf den anderen, beritablen Rausch sie verschaffte mir die nötigen Erleichterungen, oder ein Emporschnellen mit beiden Füßen zugleich. Die Formen und da ich bald in tiefen Schlaf versant, räumte sie mir ohne Zagen dieser Tänze find zahllos, die wichtigsten sind der Pfeil- und Kokos­ihr Bett ein, wo ich denn dem wunderlichen Tagesgrauen entgegen- milchtanz. Bei dem Pfeiltanz, der Jagdglück herbeirufen soll und Schlief" und endete als langes, unendlich verhängnisvolles Lebens zu Ehren des Jagdgottes Kande ausgeführt wird, tritt der Pfeil verhältnis". Die gutmutige, treu sorgende, hausbacken praktische an die Stelle des Priesters als Vermittler zwischen Mensch und Minne wurde bald zum Bleigewicht an den Füßen des himmel- Geist. Ein Pfeil wird in den Boden gesteckt, der mit Baumblättern stürmenden unpraktischen Genies. Sie sah die ewige Ebbe in ihrer geschmückt ist, und um ihn tanzen die Jäger, einen bestimmten Jagd­Wirtschaftskaffe, die wachsende Schuldenlast, die durch allerhand gesang rezitierend. Der Geist des Kande steigt in den Pfeil herab, Exzentrizitäten bedingte luguriöse unwirtschaftliche Lebensführung eine gewaltige Unruhe ergreift die Männer, und nun berührt jeder ihres Mannes: das alles wuchs der armen Minne über den Kopf. den Pfeil, umklammert ihn, damit seine Kräfte auf ihn übergehen. Und so forderte sie ihn auf, doch lieber einträgliche Opern zu fom- Beim Kokosmilchtanz wird der Geist Bilindis zur Erde nieder­ponieren, statt über solchen Unmöglichkeiten wie Tristan und Jfolde" gezogen. Ein Gefäß mit Kokosmilch steht in der Mitte des Kreises, und dem Ring- Zyklus zu brüten! Das hat ihr die Eitelkeit Wagners es ist das Opfer, das dem Geiste dargebracht wird. Zu diesem Tanz nie verzeihen fönnen. Der Riß in der Ehe war da. ist der Priester unbedingt notwendig, er führt in einer Pantomime die Verfolgung und endliche Tötung einer Antilope auf.

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Aus dem Pflanzenleben.

Es kam der Dresdener Maiaufstand des Jahres 1848. Der Egl. fächs. Hoffapellmeister als Revolutionär und Barrikadenfämpfer! Als stedbrieflich verfolgter politischer Flüchtling, ein Opfer der sieg reichen Realtion! Auch über diese Phase seines Lebens, die bisher Rastanienblüten. Einer der stattlichsten unter unseren in berolicher Beleuchtung dastand, geben die Memoiren sonderbare Laubbäumen, die Kastanie, entfaltet jetzt ihre Blüten, die hohen, Auffahluje Der Wagner von 1866 verleugnet hier als gemachter weißen, aufrechten Rispen, die über den Blattschirmen stehen, mit Mann und Fürstenfreund mit auffälligem Eifer feine revolutionäre benen, zusammen sie aus einer Knospe entstanden sind, während Vergangenheit bon 1849. Er nimmt an den Dresdener Straßen Sie Khojpenschuppen, die so lange als Schutz dienten, abfallen und unruhen gewissermaßen nur als loyaler Zuschauer teil, betrachtet fie unter den Bäumen liegen. Die Blüten der Kastanie sind nicht wie ein Schauspiel auf dem Theater, stellt seinen flammenden rein weiß gefärbt, sondern entfalten gelbe und rote Lupfen im Enthusiasmus von den März- Ideen nur als Ausfluß feiner revo- Blütengrunde, Saftmale, die den Insekten, die die Bestäubung Lutionären Kunstanschauungen hin und wird nicht müde, den deutschen vermitteln und zum Lohne dafür mit süßem Saft bewirtet werden, Botentaten zu verfichern, wie sehr er diese politischen Jugendeseleien den Weg weisen. Diese beiden Farben sind aber auf verschiedene bereue, wie sehr er jegt, auf der Höhe seiner individualistisch- aristo- Blüten verteilt. Die Farbe des Saftmals wechselt je nach dem fratischen Kunst- und Weltanschauung angelangt, würdig sei der Alter der Blüte: die jüngere Blüte hat die gelben Tupfen, die Protektion durch den gesamten Fachberein deutscher Monarchen. ältere die roten, und die Umwandlung der Farbe erfolgt durch un­Alle Sympathien für die Führer des Dresdener Voltsaufstandes, bekannte chemische Prozesse. Berlegt man eine einzelne Blüte, so Bakunin , Heubner, Roeckel, Born, verhinderten ihn nicht, zeitweise findet man einen furzen, fünfblätterigen Kelch, in dem fünf bie Rolle eines loyalen Hurraschreiers zu spielen. Als der fächsische Blumenkronenblätter siten, zwischen denen sieben Staubgefäße um König das reaktionäre Ministerium durch ein liberales ersetzt hatte, den Griffel herumstehen. Die fünf Blätter find fein gefältet, am bringt ihn diese rein opportunistische Zweckmaßregel ganz aus dem Rande kraus und wollig behaart und dazu verschieden groß. Häuschen. Abends war die Stadt festlich erleuchtet; der König durch Zwischen den Stielen der oberen Kronblätter fikt der Nektar, der fuhr im offenen Wagen die Straßen; in größte Aufregung folgte durch eine weiße Behaarung der Stiele und der oberen Staub­ich seinen Begegnungen mit größeren Voltsmaffen, oft fogar im gefäße am Herausfliegen gehindert und durch die wagerechte Haftigsten Lauf, um zur rechten Beit hier einzutreffen, wo es mich Stellung der Blüte gegen den Regen geschützt wird. Die wagerechte nötig düntte, daß ein besonders lebhafter Buruf das Herz des Stellung der Blüte ist gleichzeitig ein Bugeständnis an die bevor­Fürsten erfreuen und versöhnen sollte. Meine Frau war ganz er zugten Besucher, größere Hummeln, deren schweren Leibern sie schroden, als sie mich furchtbar ermüdet und mit völlig heiser ge- bas bequemste Anfliegen und Arbeiten ermöglicht. Je nach dem schrieener Stimme spät wiederkehren fah." Schade, daß uns keine Alter, das aus den gelben oder roten Tupfen an der Blüte erkannt Karikatur von Richard Wagner als Fürstenherzen erfreuender, Hurra- werden kann, ist diese nun verschieden entwickelt. schreiender monarchistischer Galopin erhalten geblieben ist!

Kleines feuilleton.

Völkerkunde.

Bei der Kastanie sind zwar beide Blütengeschlechter auf einer Blüte bereinigt, aber Staubgefäße und Narbe reifen zu ver­schiedener Zeit. Das gilt jedoch nur für die mittleren Blüten der Rispe, denn bei den unteren ist die Einrichtung so, daß sich die weiblichen Organe entfalten, während die männlichen ver­fümmern, und bei den Blüten an der Spiße ist es umgekehrt. Diese Erscheinung nennt der Botaniker Trimonözie( etwa Dreis Ein- Häufigkeit). Aus einer gelbgetupften Blüte streckt sich der anfliegenden Hummel als einzige Sibgelegenheit der Griffet mit Die Tänze der Weddas. Man hat das Zwergbolt der der Narbe entgegen, wie die Sißstange vor dem Flugloche des Weddas auf Ceylon lange als den Typus des primitivsten Boltes Startastens, so daß das Insekt sogleich dem Nettartropfen gegen ber Erde gehalten. Aber neuere ethnologische Untersuchungen haben übersißt. Die Staubfäden dagegen hängen mit geschloffenen Staub diese Ansicht widerlegt. Besonders das vor kurzem erschienene eng- beuteln herunter. Die Blüte kann also nur durch fremde Pollen­lische Wert des Forschungsreisenden C. G. Seligmann und seiner förner, die das besuchende Insekt an der Unterseite des Körpers Frau, das die umfassendste Monographie der Weddas darstellt, läßt mitbringt, bestäubt werden, jedoch nimmt das Insekt keinen neuen die relativ hohe Entwickelung dieses aussterbenden Stammes er- Blütenstaub mit. Erst in den älteren Blüten mit den roten tennen. Die Arbeit, die ihre besondere Bedeutung dadurch erlangt, Tupfen, bei denen die Narben schon bestäubt und dann einge­daß die Weddas ihre eigentümlichen Gebräuche aufgeben und in schrumpft sind, finden sich entwidelte Staubbeutel. Diese sind in­ihren Raiseeigentümlichkeiten wahrscheinlich bald ganz vom Erd- zwischen erheblich länger geworden, bilden für anfliegende Insekten boden verschwunden sein werden, schildert auch ausführlich die Tänze der die Sitzgelegenheit und bestäuben sie mit ihren Pollenförnern. Die Weddas, in denen ihre religiösen Anschauungen sich ausdrücken. Im Sißeinrichtung der Kastanienblüten ist den größeren Hummeln Mittelpunkt des religiösen Lebens der Weddas steht der Glaube an angepaßt. Wenn Bienen die Blüte besuchen, arbeitet sie schon Geister der Toten, die sie Yaka nennen. Dieser Totenkult, der das nicht richtig, denn die Biene hängt sich beim Nektarsaugen von unten ganze irdische Leben von der Einwirkung der Geister der Ahnen an die Staubfäden und streift die Narbe nicht, und Fliegen, die abhängig glaubt, erregt in ihnen den Wunsch, mit den Geistern in sich beim Honigsaugen auf die Blätter sehen, kommen überhaupt engster Beziehung zu stehen. Dazu müssen die Tanzzeremonien weder mit den Staubbeuteln noch mit der Narbe in Berührung helfen. Der wichtigste Geist, dessen Schutz und Hilfe sie anrufen, und leisten also für die Bewirtung gar keinen Gegendienst. Daß ist der eines berühmten Jägers der Vorzeit, der Kande Wanniya, nur an den unteren Blüten des Blütenstandes weibliche Organe des Kande Yata und der Geist seines jüngeren Bruders, Bilindi wirklich entwickelt werden, hat auch seinen Nußen, denn natürlich Hata. Durch die Tanzpantomimen wollen nun die Tanzenden wäre eine so schwere Frucht wie die Kastanie, wenn sie an einem von dem Geist und seiner Straft besessen" werden. Der Priester sehr langen aufrechten Stiele säße, außerordentlich gefährdet. übernimmt die Rolle des Geisterbeschwörers für das Volk. Wenn Daß die Roßkastanie ein Fremdling unter unseren Bäumen er den Tanz beginnt, fingt er eine besondere Anrufung des Geistes ist, ist wohl hinlänglich bekannt. Ueber ihre Heimat waren die und dreht sich dabei um das Opfer, das dem Yaka gespendet werden Ansichten lange Zeit geteilt, bald wurde sie nach Persien , bald gar soll, während die Stammesmitglieder im Kreise herumstehen. All- nach Indien oder dem Himalaya verlegt, bis man sie vor sechzig mählich wird der Gesang schneller, der Tanz wilder und unruhiger, Jahren in Nordgriechenland wildwachsend vorfand. Berantwortl. Redakteur: Albert Wachs, Berlin . Drud u. Verlag: VorwärtsBuchdruderei u.Verlagsanstalt Paul Singer& Co., Berlin SW.

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